anwenderreportage

APWORKS Light Rider: Additive Fertigung der Oberliga

Von der Bauteilauslegung, über die Materialentwicklung bis zur Teileherstellung alles aus einer Hand: Seit drei Jahren beschäftigt sich die Airbus APWorks GmbH, ein Tochterunternehmen der Airbus Group, intensiv mit der industriellen Anwendung additiver Fertigungsmethoden im Metallumfeld. Ziel ist ein wirtschaftlicher Einsatz des Laserschmelzverfahrens und die Entwicklung geeigneter Werkstoffe um dieses Verfahren über die Grenzen der Luftfahrt hinaus in verschiedenste Industriezweige zu transferieren. Als Best Practice Beispiel stellte das Unternehmen den Light Rider vor, der erste additiv gefertigte Motorrad-Prototyp. Autor: Georg Schöpf / x-technik

Modellprojekt „Light Rider“

Das Projekt des Light Rider, des weltweit ersten additiv gefertigten Prototyps eines Elektromotorrades, diente als Showcase, um aufzuzeigen, wie mithilfe Additiver Fertigung funktionsgetriebener Leichtbau realisiert werden kann. Der Rahmen des Motorrades besteht aus Scalmalloy®, einem von APWorks speziell für die Additive Fertigung entwickeltem Werkstoff auf Aluminiumbasis.

In der Umsetzung wurde eine topologieoptimierte Hohlrahmenstruktur geschaffen, die nicht nur eine enorme Gewichtseinsparung brachte, sondern auch möglich macht, dass Leitungen und Kabel innerhalb des Rahmens geführt werden können. Das Ergebnis erinnert nicht zufällig an ein Exoskelett – schließlich wurde ein Algorithmus angewandt, der bionisch arbeitet: Natürliche Wachstumsprozesse geben dabei vor, welche Lastpfade stärker auszuführen sind und welche weniger stark. „Eine derart verzweigte Hohlstruktur ist mit konventionellen Herstellungsprozessen wie beispielsweise Fräsen oder Schweißen nicht realisierbar“, erläutert Joachim Zettler, Geschäftsführer der APWorks GmbH.

Das Ergebnis nach insgesamt einem Jahr Projektzeit, von dem das bionische Design mit Teileherstellung gerade einmal zwei Monate ausgemacht hat, ist ein nur 35 kg leichtes Elektromotorrad, das die Beschleunigung von 0 auf 45 km/h mithilfe eines 4 kW starken Elektromotors in unglaublichen drei Sekunden bewältigt und eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 80 km/h erreichen kann. Der Rahmen aus Scalmalloy® wiegt dabei lediglich sechs Kilogramm und ist damit etwa 30 % leichter als vergleichbare, konventionelle Rahmenkonstruktionen.

Bei der Projektvorstellung im Mai diesen Jahres wurde das Motorrad vom Airbus CEO Tom Enders Probe gefahren und der Öffentlichkeit vorgestellt. Wer den „Light Rider“ live erleben möchte, kann sich auf dem Stand von APWorks auf der formnext in Frankfurt einen persönlichen Eindruck verschaffen.

„Das Thema Additive Fertigung beschäftigt die Airbus Group jetzt schon eine ganze Weile. Allerdings wurde schnell klar, dass es eine agile, schlagkräftige Truppe von enthusiastischen Ingenieuren benötigt, um moderne Themen abseits der klar definierten Konzernstrukturen zu evaluieren“, eröffnet Joachim Zettler, Geschäftsführer und Hauptinitiator der APWorks GmbH, einer 100 %igen Tochter der Airbus Group. Zettler, der dem Konzern seit über elf Jahren im Bereich Fertigungsoptimierung für metallische Fertigungsverfahren zur Verfügung steht, hat deshalb im Rahmen der Airbus Group Nursery Initiative das Unternehmen als eigenständige Einheit ins Leben gerufen. Angesiedelt auf dem Ludwig Bölkow Campus von Airbus in Taufkirchen bei München beschäftigt die Einheit derzeit 17 Mitarbeiter auf einem Betriebsareal von etwa 1.000 m². Dabei besteht die Belegschaft vornehmlich aus Ingenieuren aus den Sparten Materialwissenschaften, Simulation und Produktionstechnik. „Unser Hauptaugenmerk lag von vornherein auf der Entwicklung industrienaher Lösungsansätze. Wir wollten uns bewusst neben der Luftfahrt auch in anderen Industriezweigen positionieren“, erzählt der Geschäftsführer.

Bionische Hohlstrukturen in Verbindung mit Topologieoptimierung bilden die Grundlage für den Rahmen des Light Riders.

Bionische Hohlstrukturen in Verbindung mit Topologieoptimierung bilden die Grundlage für den Rahmen des Light Riders.

Joachim Zettler
Geschäftsführer der APWorks GmbH

„Kombiniert man die Vorteile der metallischen Additiven Fertigung mit neuartigen Materialien, so lassen sich die Möglichkeiten für komplexe Bauteile wesentlich ausweiten.

Materialentwicklung für die Additive Fertigung

Parallel zur Unternehmensgründung wurde im zentralen Forschungsbereich der Airbus Group die Grundlagenentwicklung eines Aluminium-Werkstoffs für die Additive Fertigung abgeschlossen. Die Entwicklung hin zur Industriereife wird seitdem in der APWorks weitergeführt und hat zur ersten, speziell auf additive Verfahren abgestimmten Rezeptur geführt. Sie steht seit 2007 unter dem Namen Scalmalloy® für die Verwendung in Laserschmelzanlagen zur Verfügung. „Es handelt sich dabei um eine korrosionsbeständige Aluminiumlegierung mit nahezu der spezifischen Festigkeit von Titan und einer außergewöhnlich hohen Duktilität. Das ist eine Eigenschaftskombination, die völlig neue Dimensionen in der Bauteilauslegung ermöglicht. Die Grenzen der Einsatzmöglichkeiten sind derzeit gar nicht in vollem Umfang abzusehen“, freut sich Zettler. Im Vergleich zu Aluminium-Silizium-Pulver AlSi10Mg, das in der Additiven Fertigung eine weite Verbreitung findet, weist Scalmalloy® eine etwa doppelte Festigkeit auf.

In der Produktionshalle von APWorks kommt unter anderem die MetalFAB1 des niederländischen Herstellers Additive Industries zum Einsatz.

In der Produktionshalle von APWorks kommt unter anderem die MetalFAB1 des niederländischen Herstellers Additive Industries zum Einsatz.

Produktionsorientiertes Maschinenkonzept

Der Produktionsbereich von APWorks beheimatet neben einigen Maschinen von EOS die erste Anlage des niederländischen Herstellers Additive Industries, MetalFAB1. „Wir haben uns für diese Maschine entschieden, weil uns das durchgängige Konzept gefallen hat. Die Maschine ermöglicht es, vom Aufbau des Bauteils über das Entpacken bis zur thermischen Nachbehandlung alles innerhalb der Maschine abzuwickeln. Das vereinfacht den Einsatz ungemein und ist ein erster Schritt Richtung Integration in einem kompletten Fertigungsprozess“, führt er weiter aus. Großen Wert legt man bei APWorks auch auf die Berücksichtigung der Nebendisziplinen rund um die Additive Fertigung. Sowohl dem Umgang mit dem Basismaterial als auch der Nachbearbeitung der Teile, von der Reinigung bis zur mechanischen Nachbearbeitung, wird dabei besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Mit zusätzlich verfügbaren Fertigungsflächen steht auch einem weiteren Wachstum nichts im Wege.

Mit der Entwicklung von Scalmalloy® gelang APWorks die Bereitstellung eines speziell auf die Anforderungen der Additiven Fertigung abgestimmten Werkstoffes mit außergewöhnlichen mechanischen Eigenschaften.

Mit der Entwicklung von Scalmalloy® gelang APWorks die Bereitstellung eines speziell auf die Anforderungen der Additiven Fertigung abgestimmten Werkstoffes mit außergewöhnlichen mechanischen Eigenschaften.

Infos zum Anwender

Die Airbus APWorks GmbH wurde 2013 als 100 %ige Tochter der Airbus Group gegründet. Heute betreibt das Unternehmen auf etwa 1.000 m² Betriebsfläche Laserschmelzanlagen der Firmen EOS und Additive Industries. Als selbständiges Unternehmen liefert APWorks nicht nur für den Mutterkonzern innovative Lösungen auf der Basis additiver Fertigungsverfahren, sondern bietet ihre Leistungen auch externen Kunden an. Seit Juli diesen Jahres ist APWorks EN9100 zertifiziert.

Neue Materiallegierung für die Additive Fertigung

Außerdem stand für die Münchner bei der Maschinenauswahl im Vordergrund, dass sie bei der Entwicklung eigener Materialien Unterstützung seitens des Maschinenherstellers finden und das System soweit offen gelassen wird, dass Verarbeitungsparameter und Rahmenbedingungen frei definiert werden können. „Das war uns im Hinblick auf Scalmalloy® ein echtes Anliegen. Unsere Arbeit baut darauf auf, dass wir nicht nur komplexe und funktionsintegrierte Teile für unsere Kunden entwickeln können, sondern auch durch eine entsprechende Materialdefinition mit fundierter Metallurgie klar umrissene Materialeigenschaften des fertigen Teils zusichern können. Das geht aber nur, wenn man fundierte Kenntnis über die Eigenschaften des Werkstoffs hat und die Verarbeitungsparameter genau auf den Werkstoff abstimmen kann“, geht der Geschäftsführer ins Detail.

„Um einen Einblick zu geben, wie ein derartiges Lösungskonzept aussehen kann wollten wir ein Beispielprojekt initiieren, das alle Bereiche, die wir anbieten können, umfasst. Eine Kombination aus Engineering, Materialoptimierung und Produktion. Da es aber schwierig ist, das anhand eines konkreten Kundenprojektes zu machen, die ja meist mit entsprechenden Vertraulichkeitsstufen belegt sind, haben wir uns entschlossen, ein eigenes Projekt zu starten. Ergebnis war der ‚Light Rider‘ – der erste additiv gefertigte Prototyp eines Motorrads, den wir im Rahmen einer weithin beachteten Veranstaltung am 20. Mai 2016 der Öffentlichkeit vorgestellt haben“, erzählt Zettler.

Erfahrungen fließen in Kundenprojekte ein

Mit diesem Projekt konnte das Unternehmen auf eindrucksvolle Weise zeigen, dass die Additive Fertigung es weit über das Versuchsstadium und das Prototyping hinaus geschafft hat. „Für den Rahmen des Light Riders war es erforderlich, nicht nur die benötigten Teile additiv herzustellen, sondern auch die Themen Fügen und Finish zu bewältigen. Die daraus gewonnenen Erfahrungen fließen in Kundenprojekte mit ein und helfen dabei, bei künftigen Aufgaben noch bessere Lösungen präsentieren zu können“, bemerkt der Geschäftsführer abschließend.

Messe formnext:

Halle 3.1, Stand D51

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