anwenderreportage

Rösler Oberflächentechnik M1: Hidden Champion? - Oberflächenveredelung und Finish vom Experten

Für jene, die nichts mit Oberflächenveredelung zu tun haben, mag die Rösler Oberflächentechnik wie ein hidden Champion wirken. Für all jene aber, die glätten, schleifen, polieren, aufrauen oder sonst irgendwie eine Oberfläche mechanisch bearbeiten müssen, ist Rösler eine Marke – ein Begriff. Dass das Traditionsunternehmen auch in der AM-Branche einiges zu bieten hat, scheint dadurch schon fast selbstverständlich. Von Georg Schöpf, x-technik

Die Überarbeitung und Veredelung von Oberflächen ist das Kerngeschäft der Rösler Oberflächentechnik GmbH.

Die Überarbeitung und Veredelung von Oberflächen ist das Kerngeschäft der Rösler Oberflächentechnik GmbH.

Manuel Laux
Abteilungsleiter AM Solutions bei Rösler

„Die individuelle Entwicklung der Anwendungsprozesse für unsere Kunden ist unsere eigentliche Stärke. Dabei handelt es sich immer um eine Kombination aus Maschine, Verfahrensmittel und Anwendungsparameter. Also immer eine Gesamtlösung!“

Dabei hatte alles ganz anders angefangen. 1933 als Porzellanherstellung gegründet, stieg man in die Produktion von Industriekeramik ein. Hochspannungsisolatoren, Trägerkörper für Schmelzsicherungen bis hin zu Bierflaschenverschlüssen und pharmazeutisches Porzellan wurden zum Hauptgeschäft.

„Wie bei den meisten anderen Produktionsverfahren gibt es auch bei der technischen Keramik Abfall. In diesem Falle Keramikbruch. Dieser entstand in größeren Mengen und wurde mehr oder weniger auf Halden gesammelt. In den 1950er Jahren kam die Geschäftsführung, angeregt durch die Beobachtung, dass sich Flusssteine im Laufe der Zeit rund schleifen, auf die Idee, diesen Keramikbruch für Schleifzwecke zu verwenden. Der Rest ist Firmengeschichte“, weiß Manuel Laux, Abteilungsleiter AM Solutions bei Rösler.

Zunächst wurde der Keramikbruch schlicht als Schleifmittel verwendet. Schnell kam man jedoch dahinter, dass sich mit definierten Schleifkörpern ganz erstaunliche Ergebnisse bei der Bearbeitung von Oberflächen erzielen lassen. So entstanden erstmals gezielt auf die Anwendung zugeschnittene Schleifkörper aus Keramik. „Schon bald kamen weitere Schleifmittel aus abrasiven Materialien mit unterschiedlichen Körnungsstrukturen hinzu, die weitere Anwendungsmöglichkeiten eröffneten. Dadurch sind wir in der Lage, den Schleifkörper sowohl was die Geometrie als auch die Schleifleistung anbelangt exakt auf die Erfordernisse abzustimmen“ ergänzt Laux.

AM Solutions, eine Marke der Rösler Gruppe, bietet verschiedenste Lösungen speziell zur Nachbearbeitung additiv gefertigter Bauteile an.

AM Solutions, eine Marke der Rösler Gruppe, bietet verschiedenste Lösungen speziell zur Nachbearbeitung additiv gefertigter Bauteile an.

Infos zum Anwender

Die 1933 gegründete Rösler Oberflächentechnik GmbH begann ihr Betätigungsfeld im Bereich der Porzellanproduktion. Über den Weg der technischen Keramik hat sich das bayrische Traditionsunternehmen zum Spezialisten für Oberflächentechnik mit Weltruhm entwickelt. In der Rösler Gruppe arbeiten mehr als 1.800 Mitarbeiter und bilden ein weltweites Netzwerk mit 15 Niederlassungen in Großbritannien, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Belgien, Österreich, Serbien, Schweiz, Spanien, Rumänien, Russland, Brasilien, Indien, China und den USA. Zudem stehen den Kunden über 150 Vertretungen mit langjähriger Erfahrung beratend zur Seite. Hier zu sehen, eines der Werke in Memmelsdorf/Untermerzbach.

Passende Maschinen erforderlich

Da ein Schleifkörper nur dann seine Arbeit prozesssicher verrichten kann, wenn eine geeignete Anlage zur Verfügung steht, entstand im Zuge der Weiterentwicklung auch der zugehörige Maschinenbau. Hat man die Gelegenheit, die Produktion bei Rösler zu besichtigen, stellt man sehr schnell fest: Jede Schleifanwendung hat ihre ganz genau abgestimmte Kombination aus Schleifkörper, Maschine und Handling. „Es kommt natürlich primär darauf an, welches Ergebnis erzielt werden soll. Die Abhängigkeiten sind aber vielfältig. Einerseits richtet sich der Gesamtprozess nach dem zu bearbeitenden Werkstoff. Zudem ist die Geometrie des zu veredelnden Teils ausschlaggebend. Gibt es Öffnungen oder Nuten, in denen sich Schleifkörper verfangen oder verkeilen können? Sollen Kanten verrundet werden, oder darf genau das nicht passieren? Welche Oberflächengüten sollen erzielt werden? Wie muss mit den veredelten Teilen umgegangen werden: Darf man sie nach der Bearbeitung als Schüttgut behandeln, oder müssen sie einzeln entnommen werden? All das legt fest, wie der Gesamtprozess am Ende auszusehen hat“, präzisiert Laux.

Dabei werden die Teile entweder lose zusammen mit den Schleifkörpern in die Maschine eingebracht und diese anschließend in Schwingung versetzt. Alternativ ist es aber auch möglich, das Teil über entsprechende Spannvorrichtungen aufzuspannen und gezielt durch das vibrierende Schleifkörperbad zu führen. Dieses Surf Finishing zählt zu den Besonderheiten von Rösler und erfordert ganz spezielles Know-how, um zum gewünschten Ergebnis zu kommen. Es zeichnet sich aber dadurch aus, dass der Oberflächenvergütungsprozess ganz gezielt auf bestimmte Oberflächen angewendet werden kann. Dies findet vor allem in der Luft- und Raumfahrt sowie in der Medizintechnik großen Anklang.

Neben den Maschinen und Anlagen für die Gleitschleiftechnik kam im Laufe der Zeit auch die Strahltechnik hinzu, eine weitere Säule der Oberflächenveredelung. Hier entstehen Lösungen für das Reinigen und Glätten von Oberflächen mithilfe von Strahlanlagen. Diese reichen von kleinen Strahlkabinen für manuelles Strahlen bis hin zu Strahlkabinen, in denen man einen ganzen Lastwagen unterbringen könnte. Die automatisierten Anlagen verfügen über eigens entwickelte Turbinen, mit denen das Strahlgut exakt an die zu bearbeitenden Bauteile herangeführt wird.

Etwa 15.000 in Form und Größe unterschiedliche Verfahrensmittel sind zentraler Bestandteil der Rösler-Gesamtlösungen. Dabei entscheidet die jeweilige Anwendung, welche Verfahrensmittel letztendlich zum Einsatz kommen.

Etwa 15.000 in Form und Größe unterschiedliche Verfahrensmittel sind zentraler Bestandteil der Rösler-Gesamtlösungen. Dabei entscheidet die jeweilige Anwendung, welche Verfahrensmittel letztendlich zum Einsatz kommen.

Enorme Fertigungstiefe

Sowohl die Turbinen für die Strahlanlagen als auch die Antriebsmotoren für die Gleitschleifanlagen werden bei Rösler im Hause entwickelt und hergestellt. „Da steckt schon sehr viel Know-how und Erfahrung drin. Wir haben versucht, Teile davon über Partner fertigen zu lassen, sind aber schnell wieder davon abgekommen, weil in diesen Komponenten der Schlüssel für das Funktionieren unserer Anlagen steckt und wir hier keine Kompromisse hinsichtlich Qualität eingehen können. Wir müssen eben immer den gesamten Prozess im Auge behalten, was auch bedeutet, dass wir sowohl die Komponenten der Anlagen beherrschen als auch die Verknüpfung der einzelnen Prozessschritte. Darum ist es für uns auch wichtig, die Logistik zwischen den einzelnen Prozessschritten mit abzubilden. Ob das nun Robotertechnik ist, die die Teile bewegt, oder Förderbänder, die in der Lage sind, Schleifkörper von Bauteilen zu trennen. Überall finden unsere Entwicklungsingenieure eine auf das jeweilige Anwendungsthema abgestimmte Individuallösung. Dafür garantieren wir unseren Kunden aber auch ein definiertes Ergebnis“, verspricht Laux.

Die M1 ist auf die besonderen Anforderungen der Additiven Fertigung abgestimmt und bietet Gleitschleiftechnik vom Feinsten.

Die M1 ist auf die besonderen Anforderungen der Additiven Fertigung abgestimmt und bietet Gleitschleiftechnik vom Feinsten.

Additive Fertigung ergänzt Portfolio

Bei Rösler verfolgt man das Thema Additive Fertigung mittlerweile seit einigen Jahren. Da in der Additiven Fertigung fast immer ein Postprocessing erforderlich ist, sei es zum Entpulvern und Reinigen von Teilen, oder das Entfernen von Stützgeometrien sowie das Glätten von Oberflächen, scheint es schon nahezu selbstverständlich, dass Anlagen und Anwendungskonzepte von Rösler dafür eingesetzt werden können. „Ganz so einfach ist es leider nicht“, schmunzelt Laux: „Additiv gefertigte Teile kommen regelmäßig mit ganz besonderen Anforderungen daher, wie wir sie bei Teilen aus konventioneller Fertigung oft nicht haben. Sei es, dass es sich dabei um besonders filigrane und feine Strukturen handelt, oder aber die Werkstoffe mit ganz neuen Anforderungen aufwarten.“ Dennoch ist man bei Rösler sicher, dass auch in der Additiven Fertigung die Devise gilt: Jeder Anwendungsfall bedarf einer gut abgestimmten Kombination aus Maschinentechnologie, Verfahrensmittel und den dazu passenden Bearbeitungsparametern.

Dass die Oberflächenspezialisten aus Bayern dabei nicht nur die hauseigenen Lösungen in die Überlegungen mit einbeziehen, lässt sich daran erkennen, dass man für Themen, die nicht mit eigener Technologie abgedeckt werden können, gezielt nach Lösungspartnern sucht, die das Portfolio sinnvoll ergänzen. So wurde z.B. für das Entfernen von Supportmaterial in kunststoffbasierten Druckverfahren eine Kooperation mit der amerikanischen Firma PostProcess Technologies eingegangen. Für das Trockenelektropolieren gewann man GPA Innova als Partner und zum Einfärben von Kunststoffteilen arbeitet man eng mit der nahegelegenen Firma Cipres zusammen.

In Technologiezentren wie dem Gleitschleifzentrum werden kundenspezifische Anwendungsfälle evaluiert und erprobt.

In Technologiezentren wie dem Gleitschleifzentrum werden kundenspezifische Anwendungsfälle evaluiert und erprobt.

Eigenes AM-Anwendungszentrum

Besonderen Wert legt man bei Rösler schon seit jeher darauf, die jeweiligen Themenbereiche in den hauseigenen Anwendungszentren weiter zu verfeinern und in diesen auch Kundenprojekte zu evaluieren und die Prozessabstimmung für Kundenanwendungen vorzunehmen. Dieser Strategie getreu entsteht derzeit auf über 500 m² ein eigenes AM-Solutions Testzentrum für das Thema Postprocessing in der Additiven Fertigung. Dort werden sich neben den Systemen zur Oberflächenvergütung auch additive Fertigungsmaschinen finden, um die Durchgängigkeit des Gesamtprozesses abbilden zu können.

„Für uns ist es wichtig, dass wir die Prozessabläufe immer gemeinsam mit unseren Kunden entwickeln können. Das erfordert natürlich eine entsprechende Systemausstattung, die es erlaubt die Schnittstellen abzubilden und zu verstehen was die Einflussgrößen im Gesamtprozess sind. Dafür garantieren wir unseren Kunden ein definiertes Ergebnis in der Nachbearbeitung“, bemerkt Laux. Untermauert wird das Bestreben nach ständiger Verbesserung auch durch Entwicklungspartnerschaften aus der Forschung. So zum Beispiel mit dem Kunststoffzentrum SKZ in Würzburg und der Fraunhofer Gesellschaft.

Das Schleppschleifen ermöglicht eine gezielte Oberflächenbearbeitung.

Das Schleppschleifen ermöglicht eine gezielte Oberflächenbearbeitung.

Seit diesem Jahr befindet sich die Rösler Academy im eigens dafür erstellten, neuen Schulungsgebäude.

Seit diesem Jahr befindet sich die Rösler Academy im eigens dafür erstellten, neuen Schulungsgebäude.

Wissen vermitteln

Dass Oberflächenveredelung eine Disziplin für sich ist, lernt man im Gespräch mit den Spezialisten aus Bayern sehr schnell. Dass man das Wissen aber nicht für sich behalten will und viel dafür tut, in der Industrie das Bewusstsein für die Möglichkeiten in der Oberflächentechnik zu schärfen erkennt man daran, dass am Standort in Memmelsdorf bereits 2016 die Rösler Academy als zentrales Trainingscenter zur fachspezifische Wissensvermittlung gegründet wurde. Bereits ein Jahr später fanden erste Seminare statt. Das praxisorientierte Weiterbildungsprogramm zur Gleitschliff- und Strahltechnik sowie zum Lean Management entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit zu einem echten Renner. Ab 2020 wird zudem ein Seminarkurs zum Thema Additive Manufacturing angeboten. Schnell war daher auch klar, dass die vorhandenen Räumlichkeiten der großen Nachfrage nicht gewachsen waren. Der dreigeschossige Neubau, der dieses Jahr bezogen wurde, bietet 1.350 m² Seminar- und Bürofläche. Das Seminarangebot umfasst 50 deutsch- und 14 englischsprachige Kundenschulungen, die von 17 Fachtrainern mit TÜV Rheinland geprüfter Qualifikation durchgeführt werden.

„Mit der Academy schaffen wir eine Plattform, auf der wir konsequent die Erfahrungen aus der konventionellen Fertigung mit den neuen Anforderungen aus der Additiven Fertigung verknüpfen können. Dabei können wir unseren Kunden die Möglichkeit bieten, einerseits die wesentlichen Grundlagen der Oberflächenvergütung kennen zu lernen, aber auch auf sehr spezielle Themen einzugehen. Uns ist bewusst, dass jedes additive Fertigungsverfahren seine ganz spezifischen Anforderungen an die Nachbearbeitung mit sich bringt. Wir können auf diese Anforderungen abgestimmte Lösungen bieten und vermitteln in der Academy auch das dazu erforderliche Prozess-Know-how. Damit können unsere Kunden sicher sein, dass sie nicht nur die Maschinentechnologie von uns bekommen, sondern den Gesamt-Finishing-Prozess mit dem erforderlichen Wissen aus einer Hand“, fasst Laux den hohen selbst gestellten Anspruch abschließend zusammen.

www.am-postprocess.com

Filtern

Suchbegriff

Unterkategorie

Firmen

Inhaltstyp

Firmentyp

Land