igus iglidur I3: Gesunde Hände durch Bewegung

Je länger eine Hand immobil ist, desto größer ist das Risiko einer dauerhaften Einschränkung der Bewegung. Daher gilt es, nach einer Handverletzung die Hand so schnell wie möglich wieder zu aktivieren. Ein Blick in die Therapielandschaft zeigt jedoch den Mangel an Ergo- und Physiotherapeuten vor allem im Bereich der Handtherapie. Ein Grund, warum das Team von Lime medical den Handtherapieroboter AnyHand entwickelt hat. Gedruckte Bauteile aus verschleißfesten Hochleistungskunststoffen von igus sowie die kompakte drylin Lineartechnik bilden die Hauptmechanik des Roboters.

Die AnyHand ist ein Therapieroboter für die Nachbehandlung von Handverletzungen. Der Roboter therapiert die Hand im physiologischen Bewegungsmuster.

Die AnyHand ist ein Therapieroboter für die Nachbehandlung von Handverletzungen. Der Roboter therapiert die Hand im physiologischen Bewegungsmuster.

Die Idee für die Entwicklung der AnyHand entstand zunächst über Umwege. „Bei Jugend forscht haben wir eigentlich eine Roboterhand für den Einsatz in gefährlichen Situationen konstruiert, wie zum Beispiel im Weltall. In einem Gespräch mit dem leitenden Handchirurgen und Oberarzt der Uniklinik Mainz, Dr. Eric Hanke, kamen wir dann auf die Idee, ein Handtherapiegerät zu entwickeln, da ein solches Gerät am Markt benötigt werde“, so Pascal Lindemann, Mitgründer und Geschäftsführer von Lime. Über eine Million Handverletzungen gibt es jedes Jahr in Deutschland. Laut Statistik des Bundesverbandes für Ambulantes Operieren betreffen allein 40 Prozent der Arbeitsunfälle die Hand. Hinzu kommen Handverletzungen im privaten Bereich oder auch Einschränkungen der Handbewegungen durch einen Schlaganfall. Um die AnyHand auf den Markt zu bringen, wurde 2016 die Lime medical GmbH als Medizinunternehmen gegründet und etabliert. Die ersten Ideen und Konzepte für das Therapiegerät entstanden gemeinsam mit Dominic Libanio. In Zusammenarbeit mit Ärzten und Handtherapeuten nahm die Arbeit an der AnyHand Fahrt auf. Als wichtigen Punkt beschreibt Pascal Lindemann darüber hinaus das Zusammenfinden mit dem Produktionspartner Ditabis AG in Pforzheim: „Ohne die jahrelange Erfahrung des Teams und die vorhandene Infrastruktur wären wir bei Weitem nicht so schnell vorangekommen.“

Die AnyHand passt sich bei jeder Benutzung direkt an die einzelnen Fingerlängen, die Handbreite und die Position des Daumens an.

Die AnyHand passt sich bei jeder Benutzung direkt an die einzelnen Fingerlängen, die Handbreite und die Position des Daumens an.

Individuell anpassbares Therapiegerät

Die AnyHand ist ein Therapieroboter, der Ergo- und Physiotherapeuten bei ihrer Arbeit unterstützen soll. Er führt Bewegungstherapie in der Nachbehandlung von Handverletzungen aus. Dabei ahmt die AnyHand die physiologische Bewegung der menschlichen Hand sehr genau nach. Das Fingergrundgelenk wird schonend in einer elliptischen Roll-Gleit-Bewegung therapiert. Zudem können Patienten im aktiv-assistiven Modus gegen einen Widerstand trainieren. Dabei werden sie von der AnyHand unterstützt, um den vollen Bewegungsradius zu erreichen. Die AnyHand stellt durch diese Funktionsweisen eine zusätzliche Ressource in der Therapie dar und kann ein Vielfaches an Bewegungen bereitstellen. Eine weitere Besonderheit des Handtherapieroboters liegt in der voll automatisierten Größeneinstellung. So ist die Therapie auf den Patienten anpassbar. Vor der ersten Sitzung misst der Ergo- oder Physiotherapeut mithilfe einer Schablone die Handgröße aus und gibt die Daten in das Gerät ein. Daraufhin wird eine Patientendatei angelegt und die AnyHand passt sich bei jeder Benutzung direkt an die einzelnen Fingerlängen, die Handbreite und die Position des Daumens an. So kann die Therapie bereits nach einer Minute Einrichtungszeit beginnen. Die AnyHand analysiert und dokumentiert alle Bewegungen. Durch diese Informationen lässt sich ein Verlauf und damit ein Therapieerfolg darstellen. „Die Menschen überwachen immer mehr ihre Gesundheit, sei es den Puls beim Laufen oder die Phasen des Schlafs. Ein Tracking der Bewegungstherapie motiviert und zeigt direkt erkennbare Erfolge für Patienten und auch Therapeuten“, erklärt Pascal Lindemann.

Die physiologischen Gelenkachsen werden durch jeweils drei robotische 3D-gedruckte Gelenke pro Finger abgebildet. Die Teile bestehen aus hochabriebfesten iglidur Tribopolymeren von igus.

Die physiologischen Gelenkachsen werden durch jeweils drei robotische 3D-gedruckte Gelenke pro Finger abgebildet. Die Teile bestehen aus hochabriebfesten iglidur Tribopolymeren von igus.

Leichte Bewegungen durch Kunststoff

Die individuelle Anpassung der AnyHand an den Patienten für einen maximalen Therapieerfolg stellte die Entwickler vor einen hohen technischen Aufwand in Elektronik, Mechanik und der Software. Denn das Gerät muss, um effizient arbeiten zu können, auch schnell startklar sein. Des Weiteren durften die Anschaffungskosten nicht zu hoch liegen, um die Therapie mit der AnyHand wirtschaftlich zu machen. Für eine schonende Behandlung der Handverletzung nach einem Unfall oder einer Operation muss der Therapieroboter die Bewegungen der Hand so natürlich wie möglich nachahmen. Daher entschieden sich die Entwickler dazu, jedes Fingergelenk durch eine robotische Gelenkachse abzubilden. Ein Großteil aller Komponenten in der AnyHand ist beweglich. Die Hauptmechanik besteht aus fünf Exoskeletten, für jeden Finger eines, die selbst wieder aufgrund verschiedener Fingerlängen und Handbreiten beweglich sind. „Für die beweglichen Komponenten waren wir auf der Suche nach der passenden Gleitlagertechnik, die präzise, kompakt, schmiermittelfrei und langlebig funktioniert“, erinnert sich Pascal Lindemann. Fündig wurde Lime medical bei igus, einem Spezialisten für Kunststoffe in der Bewegung. Das Unternehmen aus Köln stellt Gleitlager und Lineartechnik mit verschleißfesten und langlebigen Hochleistungspolymeren her. So finden sich unter anderem in der AnyHand kompakte drylin N-Linearführungen. Jeweils eine Führung pro Finger leitet die Bewegung ein und dient gleichzeitig zur Breiten- und Längenverstellung. „Da die Hand auf kleinstem Raum sehr viele verschiedene Gelenke besitzt, benötigten wir zusätzlich entsprechend kleine, präzise und trotzdem stabile Gleitlager, die einer hohen Anzahl an Wiederholungen standhalten können. Die Lager müssen über einen Zeitraum von fünf Jahren viele Bewegungszyklen unter Belastung überstehen, ohne dass es zu deutlich erhöhtem Spiel in dem Exoskelett kommt“, beschreibt Pascal Lindemann die Herausforderungen an die Gleitlagertechnik. Derzeit geht Lime medical von sechs bis acht Patienten aus, die jeden Tag ein Gerät für ca. 30 Minuten nutzen. Das entspricht einer Nutzungsdauer von 240 Minuten pro Tag mit mehrfachen Wiederholungen. Gleichzeitig musste ein System gefunden werden, das die Bewegung der Finger wie auch die Einstellung auf die Fingerlänge des gesamten Mechanismus mit nur einem Motor durchführen kann, um Kosten und Platz zu sparen. Hierzu wurde ein spezieller Kupplungsmechanismus entwickelt, der in das Lager integriert ist.

drylin N-Linearführungen leiten die Bewegung ein und dienen zur Breiten- und Längenverstellung der AnyHand.

drylin N-Linearführungen leiten die Bewegung ein und dienen zur Breiten- und Längenverstellung der AnyHand.

Die gedruckte Lösung

Für den Mechanismus kamen iglidur Gleitlager in Standardgrößen nicht infrage. Eine Herstellung der Sonderteile durch Spritzgießen wäre zu aufwendig und zu teuer. „Daher stellten wir dem Entwicklungsteam unseren igus 3D-Druckservice vor. Hier haben Anwender die Möglichkeit, Bauteile frei nach ihren Vorstellungen selbst zu designen und mit unseren schmiermittelfreien Hochleistungskunststoffen drucken zu lassen“, erklärt Ulf Hottung, Branchenmanager Medizintechnik bei der igus GmbH. „Wir erhielten die ersten Muster kostenlos und konnten unseren Mechanismus direkt erfolgreich testen. Der 3D-Druck gab uns die Möglichkeit, unsere spezielle Form für den extrem kleinen Bauraum schnell und kostengünstig zu realisieren“, so Lindemann. Hergestellt werden die robotischen Gelenke im SLS-Verfahren aus dem Hochleistungskunststoff iglidur I3. Das Tribopolymer ist bis zu 50-mal abriebfester als Standardkunststoffe, besitzt eine hohe Festigkeit und ist wartungsfrei. Die Innovation, zwei verschiedene Freiheitsgrade mit nur einem Antrieb anzusteuern, wurde patentiert und ist eine der wichtigsten Eigenschaften der AnyHand.

Das eigens für das Lasersintern entwickelte Material iglidur® I3 zeigte bei den tribologischen Versuchen im igus®-Testlabor eine um 3 bis 30 Mal verbesserte Abriebfestigkeit gegenüber herkömmlichen Materialien für das Lasersintern.

Das eigens für das Lasersintern entwickelte Material iglidur® I3 zeigte bei den tribologischen Versuchen im igus®-Testlabor eine um 3 bis 30 Mal verbesserte Abriebfestigkeit gegenüber herkömmlichen Materialien für das Lasersintern.

Von Jugend forscht bis zum Serienprodukt

Die AnyHand erhielt 2020 die CE-Zertifizierung und wurde in vielen Testreihen zusammen mit Handtherapeuten und Ärzten erprobt. In Kooperation mit der Ditabis AG erlangte die AnyHand die Serienreife. Die AG übernimmt für das Medizintechnik-Start-up seither die Serienproduktion. Die ersten Geräte wurden 2021 an deutsche Therapiepraxen, Rehazentren und Kliniken geliefert. Schon Hunderte Patienten konnten ihre Hände mit der AnyHand trainieren. Das Feedback von Therapeuten und Patienten: durchwegs positiv. Auch den Schritt nach Amerika wagten die Mainzer. Erste Gespräche mit Partnern vor Ort sind bereits angelaufen, um die AnyHand auch bald in den USA zum Einsatz zu bringen.

igus auf der Formnext: Halle 11.0, Stand D52

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