Ergonomisch Kranfahren dank 3D-Druck von 1zu1

Wo rund um die Uhr Container verteilt und verladen werden, steht oft eine große Krananlage von Künz. Das Vorarlberger Unternehmen entwickelt, produziert und serviciert maßgeschneiderte Lösungen für Intermodal-Terminals und Häfen. Mit der Remote Operation Station – kurz ROS 2.0 – hat der Innovator soeben den weltweit ergonomischsten Fern-Steuerstand präsentiert. Acht additiv gefertigte Komponenten von 3D-Druck-Spezialist 1zu1 spielen dabei eine zentrale Rolle. Konstruktive Freiheit, werkzeuglose Herstellung und Serienqualität passen perfekt zum überschaubaren Mengenbedarf des Kranbauers.

Kranbau-Spezialist Künz setzt beim weltweit besten ergonomischen Remote-Steuerstand für Intermodal-Kräne auf 3D-Druck-Teile von 1zu1. (Bild: Christian Holzer)

Kranbau-Spezialist Künz setzt beim weltweit besten ergonomischen Remote-Steuerstand für Intermodal-Kräne auf 3D-Druck-Teile von 1zu1. (Bild: Christian Holzer)

Von der Straße auf die Schiene – und umgekehrt: An einem Intermodal-Terminal werden täglich Hunderte Container be- und entladen. Die größten wiegen bis zu 41 Tonnen. Der schnelle und effiziente Umschlag der Fracht erfolgt über riesige Krananlagen. Sie heben und bewegen die Container über mehrere hundert Meter Bahnlänge. Je nach Terminal fährt das Hubwerk mit dem Spreader bis zu hundert Meter zwischen den beiden Stahlstützen hin und her. Große Güter sind die Spezialität des Vorarlberger Maschinenbauers Künz. Das Unternehmen realisiert weltweit maßgeschneiderte Kransysteme für Intermodal-Terminals und Häfen. Die Dimensionen spiegeln sich auch in der überschaubaren Stückzahl wider: Rund 50 Exemplare produziert Künz pro Jahr. Der Kranbau-Spezialist entwickelt als Komplettanbieter neben den Stahlkonstruktionen alle technischen Komponenten wie Hub- und Fahrwerk, Kabinen und digitale Assistenzsysteme.

Additiv gefertigte Komponenten mit spezieller Geometrie und Nut-Kamm-Verbindung erlauben die schräge Positionierung und einfache Fixierung der Joysticks beim ROS 2.0. (Bild: Julia Tschütscher)

Additiv gefertigte Komponenten mit spezieller Geometrie und Nut-Kamm-Verbindung erlauben die schräge Positionierung und einfache Fixierung der Joysticks beim ROS 2.0. (Bild: Julia Tschütscher)

Feine Fernsteuerung

Seit Kurzem bietet Künz als Innovator für Automatisierung mit der Remote Operation Station ROS 2.0 den weltweit besten ergonomisch optimierten Fernsteuerstand für intermodale Krananlagen an. Der erlaubt die einfache und bequeme Bewegung der Container vom Büro aus, erhöht die Effizienz des Betriebs und beugt dem Fachkräftemangel vor. Mittels ROS 2.0 und Semi-Automatisierung kann eine Person mehrere Anlagen parallel bedienen und ohne längeren Stillstand kurze Pausen einlegen – etwa für Toilettengänge. „Da müsste der Kranführer sonst abgeholt und wieder zurückgebracht werden. Bei den Distanzen am Terminal vergeht schnell einmal eine halbe Stunde oder mehr. So lange steht der Kran“, erklärt Künz-Entwicklungsleiter Hannes Eberharter.

Das System eröffnet Menschen unabhängig von Geschlecht und Körperbau die Chance zur Bedienung. „Das ist gerade in Zeiten erhöhten Personalmangels ein Trumpf“, bemerkt Eberharter. Dank den von 1zu1 realisierten 3D-Druck-Komponenten an den Schlüsselpositionen kann die Station schnell und flexibel auf die körperlichen Eigenschaften der bedienenden Person angepasst werden. Je vier additiv gefertigte Bauteile sorgen links und rechts für die ideale Einbettung der beiden Joysticks und Tasten in den Holztisch. Die Funktionen sind in die gepolsterten Handauflagen integriert. Das Bedienkonzept kommt bei Terminalbetreibern und Fahrer:innen gut an: Seit dem Marktstart im Frühjahr 2024 wird jeder zweite Intermodal-Kran von Künz mit Remote-Station bestellt – Tendenz steigend. „Die Lösung schließt eine Lücke am Markt“, ist Eberharter überzeugt.

Kranbau-Spezialist Künz entwickelt, produziert und serviciert maßgeschneiderte Lösungen für Intermodal-Terminals und Häfen. (Bild: Clip Group)

Kranbau-Spezialist Künz entwickelt, produziert und serviciert maßgeschneiderte Lösungen für Intermodal-Terminals und Häfen. (Bild: Clip Group)

Kunststoff-Expertise für den Stahlbauer

Den ersten selbst entwickelten Fernbedienstand testete Künz vor sieben Jahren in den USA – mit Erfolg. 2021 folgte der erste Einsatz in Europa. „Die Vorteile liegen auf der Hand. Wir wollten erfahren, wie das System in der Praxis ankommt. Mit den gesammelten Erkenntnissen ging es dann an die Entwicklung des marktreifen Produkts“, erzählt Eberharter. „Das Ganze muss sich gut und richtig anfühlen und ebenso gut aussehen. Wer bis zu zwölf Stunden steuert, soll das möglichst schonend machen können. Unser Fokus galt klar der Ergonomie. Gleichzeitig müssen die einzelnen Teile 365 Tage einen Drei-Schicht-Betrieb verkraften“, erläutert er die Anforderungen. Bei der Gestaltung zog Künz sogar UX-, Ergonomie- und Physiotherapie-Expert:innen zu Rate. Höhenverstellbare Vollholzmöbel, schallabsorbierende Wände, ergonomische Positionen der vielen Monitore, leicht schräg positionierte Joysticks und robuste Kunststoffelemente waren die Lösung.

Die Materialwahl fiel nicht zufällig auf Holz und Kunststoff. „Beide Werkstoffe sind leicht und schön, haptisch angenehm, gut zu reinigen und dank Säge, Fräsmaschine und 3D-Drucker schnell gemacht und genauso schnell ohne große Kosten geändert“, berichtet Projektleiterin Julia Tschütscher. Künz fertigte in der eigenen Werkstatt und mit einer FDM-Anlage erste Holz- und Kunststoffelemente für die Prototypen. Die gedruckten Bauteile waren in Qualität und Funktionalität freilich noch weit von der finalen Version entfernt, bewiesen aber das Näschen für die passende Technologie. „Kunststoff liegt einem Stahlbauer wie Künz sehr fern. Da mussten wir intern Vertrauen aufbauen. Richtig geholfen hat uns dann die Expertise und Qualität von 1zu1“, erinnert sich Tschütscher.

Künz-Projektleiterin Julia Tschütscher setzte auf professionellen 3D-Druck als Fertigungsverfahren für die Sichtbauteile aus Kunststoff. (Alle weiteren Bilder: Darko Todorovic)

Künz-Projektleiterin Julia Tschütscher setzte auf professionellen 3D-Druck als Fertigungsverfahren für die Sichtbauteile aus Kunststoff. (Alle weiteren Bilder: Darko Todorovic)

Handgerechte Form

„Die Joysticks sind anders als in der wackligen Kabine klein und sensibel. Im Büro braucht es viel weniger Kraft. Genauso wichtig ist die richtige Ausrichtung: leicht abgeschrägt entsprechend der natürlichen Armhaltung“, berichtet die Entwicklerin. Dazu mussten die Joysticks leicht versetzt in den Tisch integriert werden. Keine leichte Aufgabe und nur dank der konstruktiven Formfreiheit des 3D-Drucks möglich. Mit dem Wechsel zum Spezialisten und zum Selektiven Lasersintern (SLS) mit topmodernen Systemen von 1zu1 leitete Künz die Marktreife ein. „Wir brauchten einen professionellen Partner. Wichtigste Kriterien waren räumliche Nähe, gute Kommunikation und technologisches Know-how. 1zu1 vereint alle drei Eigenschaften“, erklärt die Projektleiterin.

Die Entscheidung hat sich ausgezahlt. „So haben wir die geforderte Oberflächenqualität erreicht und konnten dank der guten Beratung unser Design auf die Technologie ausrichten. Das hat einiges an Material gespart, Montageschwierigkeiten überwunden und eine kluge Lösung für die schräge Fixierung des Joysticks gebracht“, erzählt Tschütscher. 1zu1-Projektleiter Sebastian Mathies überzeugte mit der chemisch geglätteten Oberfläche der schwarz eingefärbten Teile. „Das ist eine völlig andere Welt. Solche Sichtteile können wir guten Gewissens verkaufen. Sie sind kratzfest und lassen sich gut reinigen“, sagt die Entwicklerin. Glätte erforderten auch die Aufkleber mit den Beschriftungen der Tastenbelegung.

Hannes Eberharter, Entwicklungsleiter bei Kranbau-Spezialist Künz, und Sebastian Mathies von 3D-Druck-Pionier 1zu1.

Hannes Eberharter, Entwicklungsleiter bei Kranbau-Spezialist Künz, und Sebastian Mathies von 3D-Druck-Pionier 1zu1.

Joystick-Positionierung und Tasten sind direkt in die Armlehne des Fernsteuerstands integriert.

Joystick-Positionierung und Tasten sind direkt in die Armlehne des Fernsteuerstands integriert.

Leicht, einfach und flexibel

„Bei einem erfolgreichen Projekt spielen wir uns die Bälle zu und finden bei den Iterationen gemeinsam zur Lösung“, betont Mathies. Die Produktion von 1zu1 bringt sich mit Erfahrung ein. 3D-Druck-Experte Edin Skalic regte eine Leichtbauweise an. Julia Tschütscher realisierte diese mit einer Wabenstruktur. „Das hat den Materialverbrauch beinahe halbiert“, sagt Mathies. Weitere Effizienzgewinne brachte der topmoderne Maschinenpark von 1zu1. Mit der Hochleistungsanlage EOS P500, der automatisierten Abstrahlung und dem chemischen Glätten reizte 1zu1 das volle Potenzial der Technologie aus.

Der Ein- und Ausbau der Joysticks mit dem sperrigen Gummibalg wird durch zwei 3D-Druck-Bauteile mit Nut-Kamm-Verbindung deutlich vereinfacht. Die Anregung von 1zu1 war für Julia Tschütscher eine große Erleichterung: „Davor wurde ein Ring mühsam drüber gestülpt. Den Zusammenbau habe ich als Konstrukteurin kaum geschafft. Da wären unsere Monteure vermutlich gescheitert. Jetzt stecken wir einfach zwei Teile zusammen.“ Potenzial ist weiterhin vorhanden. Sobald die Joysticks noch kleiner und handlicher werden, will Künz ein Update machen. Für den künftigen ROS 2.1 braucht es dank 3D-Druck nur einige wenige geometrische Anpassungen und schon gar kein neues Werkzeug.

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