interview

EOS auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit

EOS bietet nachhaltige Produktionslösungen auf Basis des industriellen 3D-Drucks für Hersteller weltweit an. Auf dem Weg in die Zukunft der Fertigung verbindet das 1989 gegründete, unabhängige Unternehmen effiziente Produktion mit richtungsweisenden Innovationen und nachhaltigen Praktiken. CEO Marie Niehaus-Langer gibt Einblicke, wie sich in der EOS GmbH Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit vereinbaren lassen.

Marie Langer, Executive Board Member & Chief Executive Officer (CEO) hat als zweite Gründergeneration im Oktober 2019 die Position des Chief Executive Officer (CEO) von EOS übernommen und ist für die strategische Ausrichtung von EOS und seinen Tochtergesellschaften verantwortlich. Im Fokus stehen die Themen Digitalisierung, Industrialisierung und Nachhaltigkeit des 3D-Drucks.

Marie Langer, Executive Board Member & Chief Executive Officer (CEO) hat als zweite Gründergeneration im Oktober 2019 die Position des Chief Executive Officer (CEO) von EOS übernommen und ist für die strategische Ausrichtung von EOS und seinen Tochtergesellschaften verantwortlich. Im Fokus stehen die Themen Digitalisierung, Industrialisierung und Nachhaltigkeit des 3D-Drucks.

Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung ist in der Industrie aktuell ein großes Thema und das mit Recht. EOS widmet sich diesem Thema ja sehr. Welchen Stellenwert hat Nachhaltigkeit für Sie generell?

Ich bin ja quasi mit EOS aufgewachsen. Mein Vater, als Gründerpersönlichkeit und Unternehmer und meine Mutter, die sehr werteorientiert und sozial engagiert war, haben einen starken Wertecodex bei mir geprägt. Da war das Thema einfach da. Das Thema Nachhaltigkeit wurde nicht nur im Sinne von Ressourcen und Effizienz und wie schone ich die Umwelt betrachtet, sondern natürlich auch im Rahmen des Familienunternehmens war es besonders wichtig, wie schaffe ich eigentlich Wert für die nächsten Generationen. Und das hat natürlich jetzt in der heutigen Zeit noch mal eine ganz andere Dynamik bekommen, weil wir eben wissen, dass wir, was das Thema Klima und Klimaschutz angeht, wirklich eine große Herausforderung vor uns haben. Dadurch hatte das Thema Nachhaltigkeit immer schon einen besonderen Stellenwert und damit die Frage, wie kriegen wir das in unserem Unternehmen, unseren Verantwortungsbereichen unter und wie stellen wir sicher, dass wir auch den gesellschaftlichen Beitrag hochhalten.

3D-gedruckte Ersatzteile werden zunehmend Kernelement eines nachhaltigen Ersatzteilmanagements.

3D-gedruckte Ersatzteile werden zunehmend Kernelement eines nachhaltigen Ersatzteilmanagements.

Dieses Erleben aus dem familiären Umfeld heraus hat also den Grundstock gelegt. Gibt es noch weitere Faktoren, was Sie da besonders motiviert, was Sie da bewegt und umtreibt?

Für mich hat das Thema Verantwortungsbewusstsein und Verantwortungsübernahme immer eine große Rolle gespielt. Das Ziel, mit der Additiven Fertigung verantwortliche Fertigungslösungen zu etablieren und die Möglichkeit zu sehen, über die Technologie Potenziale zu schaffen, wie wir ressourceneffizienter fertigen können, auch wenn wir wissen, dass hier noch ganz viele Themen offen sind. Das hat mich schon sehr bewogen, da dranzubleiben und das war auch der Grund, warum ich dann auch die Verantwortung als CEO übernommen habe. Also zu sagen, wir müssen Nachhaltigkeit wirklich in den Kern und das Schaffen setzen, war uns auch von Gesellschafterseite ein extrem wichtiges Anliegen. Die Frage ist jetzt: Wie schaffen wir es, in einer wachsenden Industrie wirklich als Unternehmen nachhaltig zu agieren? Nicht nur auf der ökonomischen Seite, sondern eben auch mit den Produkten, die wir anbieten und überhaupt die Transparenz zu schaffen, die es braucht, um die richtigen Lösungen für unsere Kunden zu entwickeln. Des Weiteren ist die dritte Säule der Nachhaltigkeit, das Soziale, für mich auch ein sehr wichtiger Faktor. Also, wie wir es schaffen, das Zugehörigkeitsgefühl der Mitarbeitenden zu fördern und ein integratives, gerechtes und vielfältiges Arbeitsumfeld zu schaffen.

Der industrielle 3D-Druck ermöglicht eine hochflexible und effiziente Produktion.

Der industrielle 3D-Druck ermöglicht eine hochflexible und effiziente Produktion.

Das Thema Sustainability hat ja viele Facetten. Da sind einerseits die Themen Ressourcen, Materialien, Umwelt usw. Andererseits spielen aber auch Verfügbarkeiten und wirtschaftliche Aspekte eine Rolle. Manchmal widersprechen sie sich ja durchaus. Was ist da die besondere Herausforderung für sie?

Wir bemühen uns, das Thema ganzheitlich zu betreiben. Das heißt, neben den erwähnten Aspekten, wie schon gesagt, auch die soziale Mitarbeiterkomponente. Uns war wichtig, zuerst einmal ein motivierendes Ziel zu setzen. Dann ging es darum, zu definieren, wie der Weg dahin aussieht. Wo fangen wir an? Logischer erster Schritt war, bei den Materialien anzusetzen. Sozusagen beim unmittelbaren Ressourcenverbrauch. Wir haben uns dann zuerst den Polymerbereich vorgenommen, weil wir wussten, dass es dort mit unseren Zulieferern einfacher ist, potenzielle Lösungen zu entwickeln. So haben wir auch letztes Jahr schon auf der Formnext das erste CO₂-neutrale Polymerpulver für die Additive Fertigung herausgebracht und ein zweites CO₂-reduziertes Pulver. Natürlich führt eine ressourceneffiziente Materiallösung dazu, dass man weniger Material verkauft. Gleichzeitig ist aber ökonomisch ja viel, viel wichtiger, dass der Kunde mit uns wachsen kann. Deswegen sehen wir das nicht als Widerspruch, sondern sehen es eigentlich als Ineinandergreifen der einzelnen Elemente. Ich glaube, das ist auch der Anspruch, den wir als Industrie haben müssen, hier wirklich eine verantwortungsvolle und nachhaltige Fertigungslösung zu etablieren. Natürlich in der Ambivalenz, die man mit kurzfristigem Kosten- oder Umsatzdruck hat. Gleichzeitig wächst der Kunde halt nur, wenn für ihn der Business Case da ist.

Komplexe Strukturen und individuelles Design: 3D-Druck revolutioniert die Orthopädietechnik.

Komplexe Strukturen und individuelles Design: 3D-Druck revolutioniert die Orthopädietechnik.

Ist bemerkbar, dass da Bereitschaft besteht, im Hinblick auf Sustainability im Invest ein bisschen mehr auf sich zu nehmen?

Also was ich vor allem wahrnehme, ist, dass wir generell mit den Responsible Products noch relativ am Anfang stehen. Wir sehen, dass Kunden, die besonders nachhaltigkeitsorientiert sind, auf jeden Fall beginnen zu testen und auch einen Nachweis von uns haben möchten, dass sie die neuen, ökologischeren Materialien kaufen, z. B. für ihre eigenen Kunden oder den eigenen Nachhaltigkeits-Bericht. Wir sehen aber auch allgemein, dass es bei Kunden, die sich nach Fertigungslösungen umsehen, also generell noch nicht final entschieden haben, machen wir das jetzt mit AM oder einer anderen Technologie, auf jeden Fall ein Differentiator ist. Gerade die großen OEMs, die das ja auch alle reporten müssen, die schauen da stark drauf und bewerten ihre Supplier danach, was dann auch uns betrifft. Und das war in einigen Fällen auch wirklich der Differentiator, mit uns in der Entwicklung in Kollaboration zu gehen.

In vielen Bereichen sorgt Additive Fertigung für bessere Ressourcennutzung und damit für mehr Nachhaltigkeit. Das funktionelle Einzelteil eines All-in-one Designs: die Baseplate.

In vielen Bereichen sorgt Additive Fertigung für bessere Ressourcennutzung und damit für mehr Nachhaltigkeit. Das funktionelle Einzelteil eines All-in-one Designs: die Baseplate.

Die Kunden, speziell auch im OEM-Bereich, haben also recht klare Vorstellungen, was die Systemlieferanten diesbezüglich zu leisten haben und es ist durchaus die Bereitschaft da, auch mal die extra Meile zu gehen, um in die Umsetzung zu kommen?

Da sehen wir eine wahnsinnige Beschleunigung. Unsere Bestrebungen hinsichtlich Sustainability wurden von unserem Salesteam, besonders in Europa, immer schon als großer Differentiator angesehen. Also ab dem Moment, als wir mit Responsible Manufacturing rausgegangen sind, wurde das vor allem in der EMEA-Region als entscheidender Faktor angesehen. Aber es wird auch sonst überall relevant und auch konkret angepackt, sodass man jetzt wirklich konsequent herangehen muss und gar nicht mehr im Sinne von Nice-to-have. Für viele Firmen ist es zum absoluten Must-have geworden.

Also der EMEA-Sales hat das aus dem Markt mitgenommen und als Anforderung dargestellt, oder?

Das ist Hand in Hand gegangen, wir waren sowieso in der Entwicklung und es wurde sehr positiv aufgenommen, besonders vom Vertrieb. Mittlerweile ist es aber im Gros der globalen Firmen absoluter Standard und wir sehen, dass es auch immer stärker kommt, weswegen wir natürlich dort auch aktuell genau die richtigen Meilensteine setzen.

Global ist ein gutes Stichwort. Sie sind als CEO eines weltweit agierenden Unternehmens ja durchaus mit unterschiedlichsten, regionalen Ausprägungen der Thematik konfrontiert. Wie geht man in so einer Position damit um?

Ich muss ganz ehrlich sagen, bei den großen OEMs, die sowieso global aufgestellt sind, erleben wir eine regionale Differenzierung nicht. In einem großen Konzern sind diese Themen relevant, egal wo die Firma vielleicht ursprünglich mal gegründet wurde oder ihren Hauptstandort hat. Sobald es um regionale Spezifitäten geht, bin ich dann natürlich auch nicht mehr so stark involviert, aber wir erleben einen relativ starken Zug vom Markt zu diesem Thema. Was uns intern enorm hilft, das Thema zu pushen. Viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen freuen sich wirklich, so einen starken und nachhaltigen Purpose zu haben, solch einen sinnvollen Impact kreieren zu können, mit dem Ausrufezeichen, dass man auch Taten folgen lassen muss. Wir haben ja nicht nur die ersten Polymerpulver als Responsible Products auf den Markt gebracht, sondern wir haben auch einen Carbon-Calculator entwickelt. Das ist ein Software-Tool, womit wir Kunden helfen, genau zu identifizieren, welchen CO₂-Fußabdruck ihre Applikation wirklich hat, aber auch über Lifecycle-Analysen Optimierungen vornehmen zu können. Das wird im Markt sehr gut angenommen.

Das Thema Nachhaltigkeitsbewertung wird in der Industrie kritisch gesehen. Die Schlüsselkriterien, die man in der Bewertung heranzieht, werden oft unterschiedlich gewichtet. Wo sehen Sie die wesentlichen Stellschrauben, wenn es um das Thema Nachhaltigkeitsbewertung geht?

Also ich glaube, man muss unterscheiden, was auf Regulierungsseite oder von Kunden zugrunde gelegt wird und was man selber für sich selbst definiert. Und das muss man irgendwie übereinander bringen. Wir wollen natürlich Klarheit darüber haben, wie unser eigener CO₂-Fußabdruck aussieht. Hier berechnen wir gerade unseren ersten Company Carbon Footprint, der dann die Basis für ein Science Based Target sein wird. Damit unterwerfen wir uns wirklich auch den wissenschaftlichen Standards, um eben Greenwashing und all diese Themen auszuschließen. Uns geht´s um wirkliche Transparenz und Ehrlichkeit. Wir sind auf der Materialseite schon mal gut aufgestellt, haben ja auch beim Polymer schon gelaunched. Im Metallbereich kommt jetzt auf der Formnext was und wir starten auch auf der Systemseite konkrete Analysen. Je industrieller und automatisierbarer die Systeme, desto leichter wird es natürlich. Jetzt haben wir in der Softwareentwicklung, wo es momentan darum geht, supportfree oder möglichst supportfree bauen zu können, auch schon wieder eine Verbesserung der Ressourceneffizienz bekommen, das heißt, wir versuchen auch in Features über Software, über einzelne Serviceangebote hier Mehrwerte zu kreieren und so für uns diesen Standard aufrechtzuerhalten, dass AM eine klimafreundliche Fertigungslösung ist.

Es gibt hinsichtlich Nachhaltigkeit einige Vorgaben und Regulierungsbestrebungen. Wie sehen Sie die teilweise Diskrepanz zwischen dem, was wirtschaftlich, industriell sinnhaft ist und was auf der anderen Seite an Vorgaben gemacht wird?

Ich glaube, für uns ist die größte Herausforderung eine Klarheit darüber, was kommt, was kommt nicht und was kommt wann? Auf jeden Fall ist es bei uns schon ein großes Thema gewesen herauszufinden, was kommt jetzt genau, wann kommt das genau, was wird da erwartet? Unser Glück ist, dass das Thema bei uns von unserem Leiter Nachhaltigkeit Björn Hannappel verantwortet wird, der dedizierter Experte auf diesem Gebiet ist und unglaublich viel Erfahrung in diesem Thema mitbringt. Er ist aus meiner Sicht einfach sehr pragmatisch darin zu sagen, was sind die Dinge, die eh kommen werden. Definiert, was wir machen müssen, was wir für intern und was wir auch für Entscheidungen brauchen. Oder aber wo und wie wir uns als Vorreiter positionieren können und unseren Kunden einen echten Mehrwert durch Responsible Manufacturing bieten können.

Ich glaube, dass es für alle wichtig ist, möglichst schnell Transparenz zu haben, um einschätzen zu können, was es für unseren Wirtschaftsstandort bedeutet. Zu schnell all diese Werte einzufordern, kann auch ein Risiko sein. Nicht weil wir nicht liefern wollen, sondern weil es erfahrungsgemäß einfach Zeit braucht, bis Effekte gemessen und gewisse Dinge angepasst werden können.

Das heißt, dass es ganz geschickt wäre, klarzustellen, wo die Reise hingehen soll, ohne durch Überregulation die Hürden zu groß zu machen und dann Hand in Hand mit der Industrie in die Umsetzung zu gehen?

Genau. Ich glaube, wir wissen alle, dass die Klimakrise da ist. Und die Frage ist eher, wie kommen wir jetzt ans Ziel, ohne zu viele negative Effekte zu kreieren, die dann auf anderer Seite wieder den CO₂-Fußabdruck nach oben treiben. Dazu braucht es Klarheit und dann Support für die Unternehmen, um da hinzukommen, denn nicht jedes Unternehmen hat Nachhaltigkeits- und Umweltexperten in der Firma.

Ihr Ausblick in die Zukunft: Wo werden wir mit dem Thema Additive Fertigung hinsichtlich nachhaltiger Bauteilproduktion Ihrer Meinung nach am meisten Wirkungen entfalten?

Ich glaube, am Ende geht es wirklich darum zu sagen, wo hat AM Konstruktionsvorteile und kann zu einem Preispunkt gefertigt werden, der vertretbar ist und für den Kunden noch einen Mehrwert liefert und das dann mit dem ökologischen Vorteil in Einklang zu bringen. Wir sehen das heute ja schon im Luft- und Raumfahrtbereich, wo es wirklich einen großen Unterschied macht. Wir bemerken aber auch immer mehr Bauteile in den Bereichen Kühlung, Energiegewinnung, E-Mobilität, die sich rasend entwickeln. Und wir glauben, dass es auf jeden Fall darum gehen wird, die Materialien hinsichtlich ihres CO₂-Fußabdrucks weiter zu optimieren, aber auch systemseitig die Effizienz, Industrialisierung und Automatisierung so zu steigern, dass die Effekte herausgeholt werden können, die dann weiter den CO₂-Fußabdruck minimieren. Und es geht darum, Applikationen zu finden und zu entwickeln, die über ihre Lebenszeit helfen, CO₂ einzusparen und die ggf. nicht konventionell herstellbar sind. Ein gutes Beispiel ist ein additiv gefertigtes Bauteil einer Gasturbine, welches den Wirkungsgrad drastisch erhöht und sehr hohe jährliche Einsparungen an Kraftstoff und damit CO₂ ermöglicht.

Was ist Ihr ganz persönlicher Eindruck, wird es uns als Gesellschaft, als Wirtschaftsgemeinschaft gelingen, uns so aufzustellen, dass unser Vermächtnis an die Nachkommenschaft tendenziell positiv ausfällt?

Wir haben keine andere Möglichkeit, wenn wir wollen, dass unsere Kinder hier schön leben können. Ich glaube, es gibt keine Wahl.

Vielen Dank für das Gespräch.

EOS auf der Formnext: Halle 11.1, Stand D41

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