1zu1 Prototypen künstliches Auge: Operation Kunststoff-Auge

eyecre.at entwickelt gemeinsam mit 1zu1 ein künstliches Auge für Mediziner: Mit ein paar Konstruktionszeichnungen im Gepäck sah sich David Ortner 2013 nach einem Produzenten um. Seine Idee: ein künstliches Auge als Übungsobjekt für Mediziner. Gemeinsam mit 1zu1 brachte er sein Produkt zur Marktreife. Erst die Kombination verschiedener Fertigungsverfahren und Kunststoffe ermöglichte das außergewöhnliche Produkt.

Die Linsen werden von eyecre.at selbst gegossen und von Hand auf der Iris platziert. Alle Bilder: Darko Todorovic

Die Linsen werden von eyecre.at selbst gegossen und von Hand auf der Iris platziert. Alle Bilder: Darko Todorovic

David Ortner
Geschäftsführer eyecre.at.

„Wir haben anfangs immer nur 500 oder 1.000 Stück bestellt, um es finanzieren zu können – und wenn man 10.000 Augen in der Hand gehabt hat, weiß man natürlich, was man alles besser machen kann.“

David Ortner ist gelernter Bürokaufmann. Seine Lehre absolvierte der Tiroler bei mts – the wetlab company. Das Unternehmen bietet weltweit Aus- und Weiterbildung für Augenärzte an. Um Operationen zu erlernen, verwenden Mediziner normalerweise Augen von Schweinen. Doch spezielle Operationen – etwa bei Fremdkörpern im Auge, grauem oder grünem Star – üben sie an künstlichen Augen. Immer wieder hörte er als Jugendlicher Klagen über die Qualität und die Haltbarkeit dieser Kunststoffaugen. „Das kann ich besser“, dachte er sich schon damals.

Doch zunächst ging Ortner andere Wege: Er studierte Robotik und Mechatronik in Wien. Die Idee, ein künstliches Auge zu entwickeln, ließ ihn aber nicht mehr los: 2012 gründete der damals 29-Jährige Eyelabinnovations, aus dem zwei Jahre später die eyecre.at GmbH entstand. Sein Kollege David Oberbichler investierte die ersten 10.000 Euro ins Unternehmen. Er ist bis heute Mitgesellschafter.

Erste 3D-Zeichnungen hatte er bereits in der Tasche, als er 2013 eine Messe in Nürnberg besuchte, um einen Partner für die Herstellung zu suchen. Die großen Unternehmen hätten „natürlich überhaupt kein Interesse an einem so kleinen Auftrag gehabt“, schildert Ortner. So sei er schließlich zu einem kleinen deutschen Prototypen-Hersteller gekommen. „Die haben mich groß angeschaut und gefragt, ob ich denn 1zu1 nicht kenne? Die seien ja in meiner Nähe und für ihre Qualität bekannt“, erinnert sich Ortner.

Die Gussformen für die Hornhaut, die von eyecre.at selbst aus Silikon gegossen wird.

Die Gussformen für die Hornhaut, die von eyecre.at selbst aus Silikon gegossen wird.

Auf dem Boden der Realität

1zu1 kannte er zwar nicht, doch die Empfehlung der Konkurrenz wirkte. Der Jungunternehmer vereinbarte einen Gesprächstermin beim Hersteller von Prototypen und Kleinserien in Dornbirn (Vorarlberg). Dort wurde sehr schnell klar, dass es nicht mit der Fertigung einiger Teile für die Prototypen getan war. „Wir haben ihn gleich gefragt, ob er sich schon über die Serienfertigung Gedanken gemacht habe“, schildert 1zu1-Vertriebschef Thomas Kohler.

Hatte er nicht. „Daran sieht man schon, wie unerfahren ich war“, erzählt der Tiroler Unternehmer freimütig. „Ich hatte kaum konkrete Vorstellungen, wie sich so ein Auge herstellen lässt – und nur wenig Ahnung vom Material. Das ist erst im Laufe der Entwicklung gewachsen.“

Für 1zu1 war klar: Es galt, den Entwicklungsprozess neu aufzustellen. „Wir mussten die passenden Fertigungsverfahren und Materialien nicht nur für die Prototypen wählen, sondern auch für die spätere Serienfertigung“, schildert Vertriebschef Kohler. Die Aufgabe erwies sich als komplex: Bis heute sind ein Dutzend Fertigungsschritte nötig – teils sogar in Handarbeit. Teile entstehen in 3D-Druck, Vakuumguss und Spritzguss.

Noch während des Erstgesprächs rief 1zu1 einen Partner-Konstrukteur an, mit dem das Unternehmen seit Jahren zusammenarbeitet. Der konnte sich loseisen und stieß sogleich zum ersten Termin dazu. „1zu1 hat die Sache eigentlich richtig ins Rollen gebracht“, resümiert David Ortner heute.

Die künstliche Hornhaut (rechts) und der Augenboden mit Linsenkapsel.

Die künstliche Hornhaut (rechts) und der Augenboden mit Linsenkapsel.

Auf den Augenboden wird selbst gemischter Kleber aufgetragen und dann mit der Hornhaut verklebt.

Auf den Augenboden wird selbst gemischter Kleber aufgetragen und dann mit der Hornhaut verklebt.

Das fertige künstliche Auge.

Das fertige künstliche Auge.

Das künstliche Auge ist fast fertig. Iris, Linse und Augenboden sind gut sichtbar. Es fehlt nur mehr die künstliche Hornhaut.

Das künstliche Auge ist fast fertig. Iris, Linse und Augenboden sind gut sichtbar. Es fehlt nur mehr die künstliche Hornhaut.

Die Spritzgussteile des künstlichen Auges, die von 1zu1 Prototypen mit einem Alu-Werkzeug produziert werden: Rückseite, Boden und Stützgestell.

Die Spritzgussteile des künstlichen Auges, die von 1zu1 Prototypen mit einem Alu-Werkzeug produziert werden: Rückseite, Boden und Stützgestell.

Intensive Abstimmung in der Entwicklung

Es folgten Monate intensiver Zusammenarbeit: Ortner und Partner-Konstrukteur Fritsch entwarfen die Teile, 1zu1 stellte sie her. Die ersten Exemplare von Linse, Hornhaut und Auge entstanden als Stereolithografie-Teile: die Fassung des Auges aus Accura Xtreme als Material, Linse und Hornhaut aus Waterclear Ultra. Für einen detailgenauen Aufbau reduzierte 1zu1 die Schichtstärke von 0,1 auf 0,05 mm.

Für ihn sei es wichtig gewesen, die Funktion an realen Teilen zu prüfen, erzählt der Tiroler. „Wenn man die Teile in der Hand hat, sprechen alle Beteiligten die gleiche Sprache.“ David Oberbichler, Mitgesellschafter von eyecre.at, führte mit den Prototypen erste Versuchsoperationen durch. 1zu1 gab immer wieder wichtige Hinweise für die weitere Konstruktion.

So wurde die Konstruktion in mehreren Iterationen weiter verfeinert. Die Herstellungszyklen von nur drei bis vier Tagen im 3D-Druck ermöglichten das rasche Vorankommen in der Entwicklung.

Am Ende der Entwicklungsphase ließ sich das Startup erstmals 20 Stück von Hornhaut, Linse und Augen fertigen. Die Augen selbst entstanden dabei weiterhin mit Stereolithografie, allerdings aus Accura 25. Das Material ist weicher und kommt der milchig-weißen Farbe des Augapfels nahe. Die Teile mussten deshalb nicht mehr lackiert werden. Für Hornhaut und Linse setzte der Prototypen-Hersteller im Vakuumguss auf das Material „122“, das Polycarbonat-ähnliche Eigenschaften aufweist.

Angehende Augenärzte nützen die künstlichen Augen, um spezielle Operationen unter dem Mikroskop gefahrlos zu üben.

Angehende Augenärzte nützen die künstlichen Augen, um spezielle Operationen unter dem Mikroskop gefahrlos zu üben.

Die künstliche Iris stanzt eyecre.at mit speziellen Werkzeugen aus einer dünnen Latexfolie. Sie wird mit der Pinzette auf ein Stützgestell gelegt, das von 1zu1 Prototypen im Spritzguss hergestellt wird. (Bilder: 1zu1/Darko Todorovic)

Die künstliche Iris stanzt eyecre.at mit speziellen Werkzeugen aus einer dünnen Latexfolie. Sie wird mit der Pinzette auf ein Stützgestell gelegt, das von 1zu1 Prototypen im Spritzguss hergestellt wird. (Bilder: 1zu1/Darko Todorovic)

Die künstliche Hornhaut wird mit einem Wassertropfen befüllt.

Die künstliche Hornhaut wird mit einem Wassertropfen befüllt.

Viel Handarbeit

Für die ersten größeren Aufträge folgte schließlich der Umstieg auf andere Fertigungsverfahren: 1zu1 Prototypen produziert Fixierring, Stützgestell und Boden im Spritzguss. Alle weiteren Bestandteile stellt eyecre.at aus einer Vielzahl spezieller Materialien selbst her – bis heute in Handarbeit.

Die Linsen etwa gießt das Unternehmen in verschiedenen Konsistenzen aus einem geleeartigen Material. Die Iris wird selbst aus einer dünnen Latexfolie mit eigenen Werkzeugen gestanzt. Eine weitere, wenige hundertstel Millimeter dünne Folie gießt eyecre.at aus Lack. Selbst der Kleber, der die Hornhäute mit dem Augapfel verbindet, wird aus vier Komponenten selbst gemischt. Insgesamt sind rund ein Dutzend Arbeitsschritte nötig, um ein künstliches Auge zu produzieren.

Für die Spritzguss-Teile setzt 1zu1 Prototypen Alu-Werkzeuge ein, mit denen bis zu 50.000 Teile hergestellt werden können. Das ist deutlich weniger als bei Stahlwerkzeugen, dafür sind sie wesentlich kostengünstiger – „kleine Kosten, kleines Risiko“, bringt das Thomas Kohler auf den Punkt.

Für das Start-up war der Spritzguss dennoch eine große Herausforderung. „Wir haben anfangs immer nur 500 oder 1.000 Stück bestellt, um das finanzieren zu können“, so Ortner. Bis jetzt hat eyecre.at insgesamt mehr als 10.000 Stück fertigen lassen. „Dafür ist der Spritzguss mit unseren Alu-Werkzeugen eine ideale Lösung“, ist Kohler überzeugt.

Mit dem Augenboden – von 1zu1 Prototypen im Spritzguss produziert – wird die Linsenkapsel verschlossen.

Mit dem Augenboden – von 1zu1 Prototypen im Spritzguss produziert – wird die Linsenkapsel verschlossen.

David Ortner, Gründer und Geschäftsführer der eyecre.at GmbH, mit dem fertigen künstlichen Auge.

David Ortner, Gründer und Geschäftsführer der eyecre.at GmbH, mit dem fertigen künstlichen Auge.

Laufend weiterentwickelt

Seine künstlichen Augen verkauft eyecre.at heute auf der ganzen Welt. Die Universitäten in Ulm, Heidelberg oder Wien gehören ebenso zu den Kunden wie die King Abdulaziz Universität in Saudi Arabien oder große Pharmakonzerne wie Novartis und Bayer. Das Unternehmen kooperiert dabei eng mit mts – the wetlab company, wo Ortner seine Lehre absolviert hat.

Parallel tüftelt der heute 33-jährige Unternehmer ständig an Verbesserungen. So sucht er zusammen mit einem Chemiker seit Jahren nach einer Möglichkeit, die Hornhaut aus Hydrogel zu produzieren. Das Hydrogel wäre den Eigenschaften des menschlichen Auges noch ähnlicher – ist aber schwierig zu verarbeiten.

Auch eine grundsätzliche Überarbeitung des Produkts steht auf der Wunschliste von eyecre.at. „Wenn man 10.000 Augen in der Hand gehabt hat, weiß man natürlich, was man alles besser machen kann“, sagt Ortner. Dass bei steigendem Absatz auch die Stückkosten eine immer größere Rolle spielen, spricht er offen aus. Den künstlichen Kopf, in den die Augen eingesetzt werden, lässt das Unternehmen schon jetzt in Asien fertigen: „Aber da ist die Zusammenarbeit natürlich kompliziert. Änderungen mache ich nur, wenn’s unbedingt sein muss.“

Für Thomas Kohler sind die Kunststoff-Augen „ein Musterbeispiel“, wie Fertigungsverfahren optimal kombiniert werden können: „Wir konnten sowohl bei der Entwicklung als auch in der Serienproduktion sehr flexibel nach Materialeigenschaften und Kosten entscheiden – von Handarbeit bis Spritzguss, von Stereolithografie bis Vakuumguss ist alles dabei.“

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