voxeljet VX200 HSS: Grau und weich

Unterschiedliche Material-Härtegrade bei der Additiven Fertigung von TPU-Teilen und anderen thermoplastischen Elastomeren bei gleichem Ausgangsmaterial zu erzielen, klingt im ersten Moment wie Utopie. Dass es möglich ist, zeigen die Ergebnisse der Arbeit des HSS Material Network. Dort wird neben der Qualifizierung von unterschiedlichen Materialien für den HSS-Prozess auch die Möglichkeit erforscht, unterschiedliche Härtegrade in TPU zu erzeugen, indem die Prozessparameter in der Fertigung verändert werden.

Mit der HSS-Graustufenmethode werden unterschiedliche Mengen Tinte auf das Substrat aufgebracht. Dadurch entsteht im fertigen Teil eine unterschiedliche Härte. Je heller der Bereich, desto weicher das fertige Material. (Bilder: Christian Bay)

Mit der HSS-Graustufenmethode werden unterschiedliche Mengen Tinte auf das Substrat aufgebracht. Dadurch entsteht im fertigen Teil eine unterschiedliche Härte. Je heller der Bereich, desto weicher das fertige Material. (Bilder: Christian Bay)

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Aufgabenstellung: Erzielung unterschiedlicher Eigenschaften, wie veränderliche Härten bei gleichem Ausgangsmaterial im AM-Prozess.
Material: TPU-Pulverwerkstoff.
Lösung: HSS-Graustufendruck auf einer voxeljet VX200 HSS.
Nutzen: Herstellung von Bauteilen mit variablen Härtegraden in einem einzigen Prozessschritt durch adaptierte Prozessparameter.

Musste man sich im Bereich der pulverbasierten Kunststoffteilefertigung mit TPU bislang darauf beschränken, unterschiedliche Härten im Bauteil durch unterschiedlich strukturierte Latticestrukturen zu erzielen, so wurde in einer Kooperation zwischen der voxeljet AG, der Universität Bayreuth und dem Fraunhofer IPA ein Konzept entwickelt, mittels adaptierter Tintenmenge beim HSS-Verfahren unterschiedliche Bauteileigenschaften einzustellen. Mit anderen Worten: Man druckt Graustufen, wie man es aus dem 2D-Druck kennt und erzielt so unterschiedliche Härtegrade und weitere Eigenschaften wie Steifigkeit, Stauchhärte und Rebound im fertigen TPU-Teil.

„Im Grunde kann man es so vereinfacht beschreiben, aber ganz so trivial ist es nicht“, verrät Jan Kemnitzer von der Fraunhofer-Projektgruppe Prozessinnovation des Fraunhofer IPA. Die Kooperation von voxeljet, der Uni und dem Fraunhofer-Institut sowie weiteren Partnern zielt unter dem Überbegriff HSS Material Network im Wesentlichen darauf ab, unterschiedliche Polymere für den HSS-Prozess (Anm.: HSS = High Speed Sintering) zu qualifizieren. Beim HSS-Prozess werden in ein Polymerpulver mit schwarzer Tinte die Schichtinformationen gedruckt, welche anschließend durch Einwirkung von Infrarotstrahlung nur in den bedruckten Bereichen verschmelzen. Im Rahmen der Kooperation werden unterschiedliche Materialien für den HSS-Prozess qualifiziert und Prozessparameter für unterschiedliche Bauteilqualitäten ermittelt. Das HSS-Verfahren hebt sich dadurch hervor, dass Restmaterial weiterverwendet werden kann, was große Vorteile hinsichtlich Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit bringt. Das Verfahren arbeitet vergleichsweise schnell und lässt sich gut für eine Serienfertigung skalieren.

Klar erkennbar ist der Effekt mit unterschiedlichen Härtebereichen bei gleichbleibender Latticestruktur, wenn eine gleichmäßige Last aufgebracht wird. Je nach Härte variiert auch die Flexibilität.

Klar erkennbar ist der Effekt mit unterschiedlichen Härtebereichen bei gleichbleibender Latticestruktur, wenn eine gleichmäßige Last aufgebracht wird. Je nach Härte variiert auch die Flexibilität.

Jan Felix Kemnitzer MSc.
Gruppenleiter Additive Fertigung, Projektgruppe Prozessinnovation am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automati

„Die Nutzung von Graustufen im HSS ist der Schlüssel, um in TPU-Teilen unterschiedliche Shore-Härten zu realisieren. Das exakte Zusammenspiel aus Tintenmenge pro Voxel und Energieeintrag ist der Schlüssel.“

Einheitliche Materialeigenschaften: Wünschenswert oder Hindernis?

Verfahrensbedingt werden bei diesem Monomaterialverfahren in der Regel durchgängige Materialkennwerte im gesamten Bauteil erzielt. Wird als Ausgangsmaterial TPU-Pulver verwendet, so ist die Härte des fertigen Teils normalerweise durch die gegebene Shore A-Härte des TPU-Ausgangsmaterials bestimmt. Diese kann bei massiver Bauweise auch nicht weiter variiert werden. Durchgängige Materialeigenschaften sind meist durchaus erwünscht. Werden jedoch variable Eigenschaften wie Steifigkeiten und Härten bei definierten und wiederholbaren Eigenschaften benötigt, stoßen AM-Verfahren generell schnell an ihre Grenzen. „In der Regel versucht man unterschiedliche Härtegrade in einem Bauteil dadurch zu erzielen, dass man mit Latticestrukturen arbeitet, also Gitterstrukturen, deren Stabdicke oder die Dichte des Gitters variiert werden. Die Definition dieser adaptiven Latticestrukturen ist jedoch aufwendig und kann nicht ohne Weiteres bei jedem Bauteil genutzt werden“, weiß Dr.-Ing. Christian Bay, der die Kooperationen seitens der Universität Bayreuth verantwortet.

Für die Materialqualifizierung im Bereich Polymerpulver steht im AM-Labor des Campus Additive.Innovationen an der Universität Bayreuth eine voxeljet VX200 HSS-Anlage. Dort ist auch die Gruppe Additive Fertigung des Fraunhofer IPA untergebracht. Das AM-Labor wird gemeinsam genutzt, was einem Austausch über die unterschiedlichen Verfahren, an denen dort geforscht wird, zugutekommt. „Für uns ist das AM-Labor von Fraunhofer IPA und der Uni Bayreuth die ideale Kombination, um das HSS Material Network weiterzubringen. Neue Materialien ebnen den Weg zu neuen Anwendungen und zudem fließen die dort erzielten Ergebnisse auch direkt in unsere Weiterentwicklung des Prozesses ein“, verrät Tobias Grün, Global Product Management bei der voxeljet AG.

Im Rahmen des HSS Material Network werden unterschiedliche Materialien und Materialkompositionen evaluiert und qualifiziert.

Im Rahmen des HSS Material Network werden unterschiedliche Materialien und Materialkompositionen evaluiert und qualifiziert.

Beim HSS-Verfahren dient die aufgebrachte Tinte dazu, dass die applizierte Infrarotstrahlung absorbiert wird und zum Verschmelzen der Pulverpartikel führt.

Beim HSS-Verfahren dient die aufgebrachte Tinte dazu, dass die applizierte Infrarotstrahlung absorbiert wird und zum Verschmelzen der Pulverpartikel führt.

Dr.-Ing. Christian Bay
Geschäftsführer und Akademischer Rat a. Z., Forschungsstelle für additive Innovationen (CA.I) an der Universität Bayreuth

„Das HSS-Verfahren verspricht nicht nur eine nachhaltige Additive Fertigung von Polymerteilen bis in die Serie, es birgt auch die Möglichkeit, ganz neue Materialkonzepte zu denken.“

Vielseitige Möglichkeiten

Die Idee, die Materialeigenschaften eines TPU-Bauteils über Graustufen einzustellen, entstand beim Experimentieren und Brainstorming zwischen den beteiligten Projektpartnern, als man darüber diskutierte, wie man die Tintenmenge im Substrat ohne größeren Aufwand beeinflussen könnte.

„Man kann dafür auf unterschiedliche Weise vorgehen. Entweder erzielt man eine Abstufung mit Grauwerten, indem die Tropfengröße variiert. Dies ist in der Regel bei den in der HSS-Technologie verwendeten Druckköpfen zwar nicht unmöglich, ist jedoch relativ aufwendig umsetzbar, oder man geht den Weg, dass man ein Voxel, also ein Volumenelement, in Subbereiche unterteilt und diese mit einem entsprechenden Raster bedruckt, das einen Grauwert erzeugt. Diese Methode wird als Dithering bezeichnet und funktioniert ähnlich wie bei einem normalen Tintenstrahldrucker. Man kann damit zwar nicht unendlich viele Graustufen erzeugen, aber doch genug, um signifikante Einstellmöglichkeiten zu bekommen. Außerdem muss man diese Variante immer in drei Dimensionen denken“, geht Kemnitzer ins Detail und Bay bestätigt: „Mit dieser Methode ist man in der Lage, unterschiedliche Härten im Material zu erzielen. Kombiniert man diese Methode dann zusätzlich noch mit den bereits erwähnten adaptiven Latticestrukturen, dann lassen sich großartige und ungeahnte Bauteileigenschaften für Hart-Weichanwendungen und weitere funktionalisierte Bauteile realisieren. Die Möglichkeiten reichen von technischen Bauteilen mit spezifischen Dämpfungs- und Reboundeigenschaften bis hin zu orthopädischen Anwendungen.“

Der Prozessfortschritt wird mit Hilfe von Infrarotbildern dokumentiert. Diese erlauben Einblick in die Wärmeverteilung auf dem Pulverbett und damit in die Qualität des Sinterprozesses.

Der Prozessfortschritt wird mit Hilfe von Infrarotbildern dokumentiert. Diese erlauben Einblick in die Wärmeverteilung auf dem Pulverbett und damit in die Qualität des Sinterprozesses.

Werden Graustufen und Latticestrukturen geschickt kombiniert, lassen sich außergewöhnliche Bauteileigenschaften erzielen.

Werden Graustufen und Latticestrukturen geschickt kombiniert, lassen sich außergewöhnliche Bauteileigenschaften erzielen.

Der Campus Additive.Innovationen an der Universität Bayreuth. Dort ist auch die Gruppe Additive Fertigung des Fraunhofer IPA untergebracht.

Der Campus Additive.Innovationen an der Universität Bayreuth. Dort ist auch die Gruppe Additive Fertigung des Fraunhofer IPA untergebracht.

Tobias Grün
Global Product Management bei der voxeljet

„Mit unserer VX200 HSS evaluieren die Teams im HSS Material Network Ausgangsmaterialien unterschiedlichster Hersteller. Das erweitert das Materialportfolio für unsere VX200 HSS enorm.“

Offenes System ermöglicht Innovation

Beide Wissenschaftler betonen, dass diese Entwicklungen nur deshalb möglich sind, weil die Maschinen von voxeljet einen umfangreichen Zugriff auf die Prozessparameter erlauben und somit alle notwendigen Anpassungen gemacht werden können. In der Forschung werden die einzelnen Arbeitsvorgänge mittels Fertigungsmesstechnik wie Infrarotkamera genau protokolliert, um so Zusammenhänge abzuleiten, welche Parameterveränderungen signifikante Auswirkungen auf die Bauteileigenschaften haben. Damit wird gewährleistet, dass die ermittelten Parametersätze am Ende zuverlässige, reproduzierbare Ergebnisse liefern. Das trifft auch auf die anderen Polymere zu, die im Rahmen des HSS Material Networks evaluiert und qualifiziert werden. Zusätzlich wird die Maschine genutzt, um neue Materialien zu entwickeln, die Ressourceneffizienz zu steigern und Lösungen zur Qualitätssicherung zu erforschen.

„Die Ergebnisse aus dieser Kooperation ermöglichen es uns, unseren Kunden Fertigungsparameter für eine Vielzahl von Materialien zur Verfügung zu stellen. Und die Kunden können innerhalb kürzester Zeit und mit überschaubarem monetärem Aufwand speziell auf deren Anwendung eingehen“, fasst Grün die Kooperation erfreut zusammen.

Mehr zur Projektgruppe Prozessinnovation des Fraunhofer IPA

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