gastkommentar

Universität Duisburg - Essen CAD-Boardmittel: Mit CAD-Bordmitteln zum additiven Leichtbau

In der additiven Fertigung werden heute als auch in Zukunft die Aspekte Leichtbau, Topologie-Optimierung, gradierte und adaptierte Strukturen oder Multi-Material-Anwendungen sowie viele weitere diskutiert. Diesen folgen zumeist den Themen komplexer Geometriefreiheit, Funktionsintegration und Reproduzierbarkeit. Zur Realisierung wird häufig kostenintensive Spezialsoftware eingesetzt. Es gibt allerdings Alternativen. Von Fabian Klein, Hochschule Ruhr West

Im mittelständischen Umfeld ist der Einsatz von zusätzlicher
Spezialsoftware häufig nicht rentabel. Innovative
Ideen der Anwender, kombiniert mit zunehmender Standard-CAD-Funktionalität schließen diese Lücke.

Fabian Klein, Hochschule Ruhr West

Im mittelständischen Umfeld ist der Einsatz von zusätzlicher Spezialsoftware häufig nicht rentabel. Innovative Ideen der Anwender, kombiniert mit zunehmender Standard-CAD-Funktionalität schließen diese Lücke. Fabian Klein, Hochschule Ruhr West

Aus der Bionik werden Knochenstrukturen, Bienenwaben, Bäume, Pflanzen, Tiere oder Menschen als Vorlage herangezogen und auf technische Systeme übertragen. Jeder technische Zeichner, Konstrukteur oder Ingenieur, der gegebenenfalls auf die ersten Versuche zurückblickt, ein natürliches Objekt im CAD zu modellieren, kennt die Herausforderung. Eine Blume mit CAD-Bordmitteln im Standard zu erzeugen, ist nicht trivial. Übung macht hier den Meister, aber der Blick auf Spezialsoftware oder eine der vielen frei verfügbaren Online CAD-Bibliotheken scheint zunächst die einfachere Lösung zu sein. In den Bibliotheken werden allerdings nicht alle individuellen Anwendungsfälle abgedeckt und die Zusatzmodule im CAD-Umfeld oder zusätzliche Software sind meistens kostenintensiv.

Das ursprüngliche Modell eines Radträgers (oben) wird in einer frühen Phase des Produktentstehungsprozesses Topologie-optimiert (unten) und mittels FLM umgesetzt.

Das ursprüngliche Modell eines Radträgers (oben) wird in einer frühen Phase des Produktentstehungsprozesses Topologie-optimiert (unten) und mittels FLM umgesetzt.

Die Mathematik als Vorbild

Ein anderer Weg, um die einleitenden Chancen des additiven Leichtbaus zu erreichen, ist der Einsatz von mathematisch physikalischen Rechenmodellen. Hier ist zum Beispiel das SIMP-Verfahren zu nennen. SIMP steht für Solid Isotropic Material with Penalization. Dahinter verbirgt sich ein schrittweiser, wiederholender Optimierungsprozess, in dem der Einfluss einzelner Elemente auf die Gesamtstruktur betrachtet wird. Ein Optimierungsalgorithmus ermittelt die Materialeigenschaften mittels Skalierung einer dimensionslosen Dichte. Alle Elemente mit hohem Dichtefaktor bleiben erhalten. Die ursprüngliche Steifigkeitsmatrix wird durch die modifizierte Ersatzmatrix ausgetauscht. Diese lastpfadoptimierten Modelle laufen in diversen Spezialsoftwares im Hintergrund, um das Ziel eines Topologie-optimierten Bauteils zu erreichen. Aber auch diese Software ist kostenintensiv und erfordert zusätzliches Know-how des Anwenders.

In Natur und Mathematik sind häufig sogenannte Mesostrukturen zu finden. Dabei werden stochastische und deterministische Strukturen unterschieden.

In Natur und Mathematik sind häufig sogenannte Mesostrukturen zu finden. Dabei werden stochastische und deterministische Strukturen unterschieden.

Mesostrukturen

Sowohl in der Natur als auch in der Mathematik gibt es sogenannte Mesostrukturen. Hierunter fallen sowohl deterministische als auch stochastische Strukturen. Zu den deterministischen Strukturen zählen z. B. Waben- oder Gitterstrukturen. Im CAD-Umfeld werden die Einzelelemente modelliert und im Gesamtmodell angeordnet. Die zufällige Anordnung von Elementen ist charakteristisch für stochastische Strukturen. Diese sind mit konventionellen und industriellen Fertigungsverfahren nicht bzw. schwer herzustellen. Materialeigenschaften, Porosität oder Gesamterscheinung lassen sich zwar sehr gut einstellen, aber keine Pore wird beim nächsten Bauteil an der gleichen Stelle sein. Vor allem die Modellierung der stochastischen Mesostrukturen ist mit CAD-Bordmitteln besonders herausfordernd.

Mit konventionellen CAD-Boardmitteln können ohne Zusatzmodule oder kostenintensiver Spezialsoftware stochastische, poröse Strukturen erzeugt werden.

Mit konventionellen CAD-Boardmitteln können ohne Zusatzmodule oder kostenintensiver Spezialsoftware stochastische, poröse Strukturen erzeugt werden.

Die Modellierung mit CAD-Boardmitteln

Ein Staubsauger wird durch die Integration von Mesostrukturen kontinuierlich leichter und leiser. Der Gewichtsanteil aus Kunststoff besteht zu ca. 10 % aus den Radkappen.

Ein Staubsauger wird durch die Integration von Mesostrukturen kontinuierlich leichter und leiser. Der Gewichtsanteil aus Kunststoff besteht zu ca. 10 % aus den Radkappen.

Ein Ansatz zur Modellierung im CAD ist das Erzeugen von „zufälligen“ Linienzügen (Splines) in verschiedenen 2D-Ebenen. Auf diese Splines werden Hohlkörper in unterschiedlichen Größen gelegt. Üblicherweise reichen drei bis fünf unterschiedliche Kugelgrößen aus. Die Dichte der jeweiligen Bauteile kann durch eine einfache Hinterlegung von Formeln bzw. globalen Konstruktionsvariablen zur Parametrisierung, d. h. in diesem Fall, zum Einstellen der Dichte genutzt werden. Zwar erfordert dieser Ansatz in der individuellen Umsetzung Übung, die Ergebnisse mit CAD-Bordmitteln sind allerdings beeindruckend.   Theorie und Praxis

Eine erste Abschätzung zur praktischen Umsetzung der digitalen Modelle kann durch eine Simulation im FEM-Umfeld erfolgen. Der Einfluss des gewählten additiven Fertigungsverfahrens ist dabei nicht zu vernachlässigen. Die stochastischen Strukturen lassen sich heutzutage mit FLM- und AKF-Anlagen sowie ausgewählten PolyJet-Verfahren umsetzen. Der Nachteil von FLM-Bauteilen sind die stark richtungsabhängigen, mechanischen Eigenschaften. Diese Anisotropie führt dazu, dass die Theorie auch mit praxisnahen Informationen angereichert werden muss. Das Hinterlegen von reinen Materialeigenschaften ist für eine aussagekräftige Simulation hier nicht ausreichend.

Material-Strukturkarten

Zur Eingrenzung der Vielzahl an modellierten Ergebnissen und zum zeitnahen Überführen in die Praxis kann das Einführen von Material-Strukturkarten eine Lösung darstellen. Die stochastischen Strukturen werden auf bestimmte Prüfkörper reduziert und ausgedruckt. Danach erfolgt die Ermittlung von Werkstoffeigenschaften anhand von z. B. Zug- oder Druckversuchen. Die zusätzlich gesammelten Informationen aus den Versuchen werden in der Material-Strukturkarte hinterlegt und für zukünftige Simulationen genutzt. Die Theorie und Praxis wachsen somit kontinuierlich zusammen.

Ein Beispiel aus der Praxis

Normalerweise werden an dieser Stelle Realisierungen aus der Automobil, Luft- und Raumfahrt oder Medizin gezeigt. Ein innovativer Ansatz erfordert allerdings auch neue Umsetzungen – in diesem Fall ein Staubsauger. Die Auswahl von handelsüblichen Staubsaugern wird häufig aufgrund des Gewichtes und der Lautstärke entschieden. Je leichter und leiser der Staubsauger ist, desto besser im Alltag. Das Gewicht verteilt sich bei dem gezeigten Beispiel zu 61 % auf Kunststoff, 12 % auf Metall, 3 % auf Gummi und 23 % auf sonstige Materialien. Durch den Einsatz von Mesostrukturen kann eine erhebliche Reduzierung des Gesamtgewichts erzielt werden. Ein zusätzlicher Effekt ist die Reduzierung von Geräuschen. Die gezielte Strukturierung der Bauteile absorbiert definierte Frequenzen, die sonst zu hohen akustischen Emissionen führen. Der Staubsauger wird nicht nur leichter, sondern auch leiser.

Das Potential des additiven Leichtbaus in anderen Bereichen

Leichtbau heißt häufig: Einsatz von dünnwandigeren Querschnitten und zielgerichtete Kraftleitungspfade, Einsatz leichter Werkstoffe, oder Minimierung des Werkstoffeinsatzes. Die Chance in vielen Fällen Energie einzusparen ist ebenso groß. Weiteres Potential bietet das Integrieren von Mesostrukturen zur Schallabsorption, optimierte Kühlkanäle zur besseren Temperaturverteilung in Werkzeugen oder zur Optimierung des Knochenanwachsens in der Medizintechnik. Zusätzlich können stochastische Strukturen genutzt werden, um heterogene Werkstoffe in Multi-Material-Anwendungen besser zu kombinieren. Die Potenziale und Ideen sind bei Weitem noch nicht ausgeschöpft.

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