interview
Optimale Pulver mit Druckprozess abstimmen
Der Technologiekonzern Heraeus mit Sitz in Hanau (D) ist ein 1851 gegründetes und heute weltweit agierendes Industrieunternehmen. Heraeus liefert hochwertige Speziallegierungen für die Additive Fertigung und erarbeitet zusammen mit Kunden und Maschinenherstellern abgestimmte Metallpulver mit optimierten Materialeigenschaften. Das Interview führte Peter Trechow / Freier Redakteur
Dr. Jürgen Wachter, Executive Vice President Technology & Scouting der Heraeus Deutschland GmbH & Co. KG in Hanau.
Welche Rolle spielt Additive Manufacturing für Heraeus und wie bewerten Sie das Potential?
Unser Fokus liegt auf dem Metallbereich – und hier hat die Technologie das Potential, Herstellungs- und Logistik-Prozesse drastisch zu verändern. Das birgt natürlich auch enormes Marktpotential. Noch werden aus Metallen und Metalllegierungen vor allem Anschauungsmuster, Prototypen, Werkzeuge sowie individuelle Implantate gedruckt. Das ganze Potential wird sich entfalten, wenn auch funktionale Bauteile gedruckt werden. Dafür braucht es sehr genaue Abstimmung zwischen dem Material, dem Druckequipment und den Prozessparametern.
Optimale Pulver für die Additive Fertigung zeichnen sich durch eine möglichst sphärische Geometrie mit glatter Oberfläche aus. Das verbessert die Fließfähigkeit und ist Grundlage für eine definierte Materialqualität beim fertigen Bauteil.
Bietet Ihr Unternehmen Materialien für das Additive Manufacturing an?
Wir als Heraeus bieten metallische Werkstoffe für den 3D-Druck an und optimieren diese so, dass sie schon beim ersten Druck gute Ergebnisse liefern. Dafür haben wir Laser- und Elektronenstrahldrucker angeschafft, um Pulver und Druckprozess aufeinander abstimmen zu können. Das versetzt uns auch in die Lage, Kunden spezifische Pulver anzubieten, die wir exakt auf die von ihnen geplanten Bauteile hin entwickeln.
Zu diesen individualisierten, bauteilspezifischen Pulvern bieten wir die Druckparameter an. Geht es um Einzelteile oder Kleinserien, dann können wir diese auch an unseren Anlagen ausdrucken. Das bietet sich bei spezifischen Legierungen an, weil wir für deren Entwicklung und Optimierung ohnehin die jeweiligen Bauteildaten und -spezifikationen benötigen und Ausdrucke dafür durchführen müssen. Als Materialexperten können wir Kunden auch sehr spezielle Metalle und Legierungen anbieten.
Wie bewerten Sie die Chance, das begrenzte Materialangebot im Markt kurz- und mittelfristig zu erweitern?
Noch sind wir in einer Marktphase, in der Interessenten das Potential des Additive Manufacturing testen. Dafür verwenden sie in aller Regel die verfügbaren Standardpulver. Es ist jederzeit möglich, das Materialspektrum zu erweitern. Allerdings ist es dafür wichtig, die Anwendung zu kennen. Es gilt, Materialien, Bauteile und Druckprozesse exakt aufeinander abzustimmen – und jeweils auch am konkreten Anwendungsfall zu validieren.
Benötigt ein Kunde später größere Mengen eines von uns entwickelten neuen Materials, und möchte er seine Lieferkette durch eine zweite Materialquelle absichern, werden sich Lösungen finden. Wenn ein Bauteil mit Standardpulver nicht die erforderlichen Eigenschaften erreicht, sollten Anwender auf jeden Fall Materialoptimierungen in Erwägung ziehen. Eine spezifische Legierung ist oft der Schlüssel zum Erfolg.
Wo liegen die technologischen Herausforderungen beim Entwickeln neuer Materialien für das Additive Manufacturing?
Man muss die Eigenschaften des Endbauteils verstehen und bei der heute verfügbaren Technik wissen, auf welcher Anlage es gedruckt werden soll. Pulver, Material und Prozess bilden ein magisches Dreieck. Wenn Pulver auf einer Anlage gute Ergebnisse erzielen, heißt das nicht, dass diese auf einer anderen Anlage reproduzierbar sind. Hier wird der Markt noch reifen. Zudem kommt es auf den Verdüsungsprozess an. Pulververteilung und Fließfähigkeit hängen auch davon ab, dass an den sphärischen Partikeln keine Satelliten anhaften, die wie kleine Widerhaken die Fließfähigkeit beeinträchtigen. Für Bauteile mit möglichst geringer Rauigkeit sind andere Pulvereigenschaften gefragt als in Fällen, in denen schnelle Aufbauraten erwünscht sind. Größe und Oberfläche der Partikel sowie die Spezifika der jeweiligen Legierungen sollten möglichst exakt auf das gewünschte Bauteil abgestimmt sein. Dafür ist es erforderlich, dass Materialentwickler, Anlagenbauer und Anwender eng zusammenarbeiten.
Erwarten Sie Verschiebungen in der Wertschöpfungskette – etwa dass Minen Erze künftig direkt zu Pulver für das Additive Manufacturing verarbeiten?
Ich bin da eher skeptisch. Es kann natürlich sein, dass Unternehmen versuchen, ihre Wertschöpfungskette zu erweitern. Aber noch handelt es sich um so geringe Mengen an Pulver und zugleich so spezifische Entwicklungs- und Optimierungsprozesse, dass es für Minenbetreiber oder die Metallhütten eher unattraktiv sein dürfte. Es ist wirklich Feinarbeit, Legierungen, Bauteile und Prozesse aufeinander abzustimmen. Und meist geht es bisher auch nicht um Tonnen. Das kann sich ändern, wenn das Additive Manufacturing breite industrielle Anwendung findet. Aber die Frage bleibt, warum sich Minen in Zukunft mit Speziallegierungen abgeben sollten, obwohl sie es bisher nicht getan haben bzw. nicht tun.
Mit welchen Zielen und Interessen haben Sie sich der Arbeitsgemeinschaft Additive Manufacturing angeschlossen?
Es ist für uns wichtig, mit allen Akteuren der Wertschöpfungskette im Gespräch zu sein. Das Miteinander mit Anwendern, Anlagenbauern und Forschern im Kreis der Arbeitsgemeinschaft gibt uns dazu Gelegenheit. Wir stehen als Materialanbieter am Anfang der Kette und sind auf Rückmeldung angewiesen, wie Pulver den Prozess beeinflussen, woran die Anlagenbauer arbeiten und welcher Bedarf und welche Probleme sich bei Anwendern ergeben. Es ist wichtig, dass wir gemeinsam gezielt daran arbeiten, die junge Technologie zu verbessern und zu industrieller Reife zu entwickeln. Das Potential ist riesig, wir haben die Chance, es zu heben.
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