Von 0 auf 1200

Die Additive Fertigung bietet enormes Potenzial sowohl für optimierte als auch für neue Bauteile. Die 3D-Druck-Technologie kommt bei Porsche bereits in einigen Bereichen zum Einsatz. Nun wurden in einem Kooperationsprojekt von Porsche, Mahle, Trumpf und dem Projektpartner Zeiss erstmals hochbelastete Antriebsbauteile additiv gefertigt – für den Hochleistungsmotor des 911-Topmodells GT2 RS wurden Kolben generativ hergestellt. Das gesamte Team um Porsche-Projektleiter Frank Ickinger ist mehr als zufrieden: „Bis zu 30 Pferdestärken mehr Leistung aus dem 700PS starken Biturbo-Motor sind dadurch denkbar, und das bei höherer Effizienz.“ Das Projekt der „gedruckten“ Hochleistungskolben ist ein voller Erfolg. Ein Meilenstein in der Geschichte der Additiven Fertigung.

Die Baden-Württemberg-Connection: Vier Partner, ein Ziel

Wie auch im Motorsport sind die Entwicklung und die Fertigung der Komponenten Teamarbeit. Die Projektleitung liegt bei Porsche, Kooperationspartner Mahle verfügt über das notwendige Know-how bei der Entwicklung und Fertigung von Antriebsbauteilen und im Bereich des „Additive Manufacturings“. Die Firma Trumpf ist Spezialist für additive Fertigungssysteme, umgangssprachlich die 3D-Drucker. Qualität und Leistungsfähigkeit der verwendeten Materialien und der Bauteile werden mit Lösungen der Firma Zeiss abgesichert. Durch die vielen einzelnen Herstellungsschritte, vom Pulver bis zum fertigen Bauteil, ist die Qualitätssicherung essenziell. Speziell für diese Art der Fertigung wurde bei Zeiss ein ganzheitlicher Prozess der Qualitätssicherung entwickelt. Ziel des Projekts ist es, neben der Herstellung der Kolben-Prototypen, und der damit verbundenen Effizienzsteigerung der Bauteile, einen additiven Fertigungsprozess zu entwickeln, der höchste Qualitätsstandards erfüllt, aber dennoch schlank und kosteneffizient ist, um eine Serienproduktion zu ermöglichen. Dieser Prozess soll schlussendlich ebenfalls auf die Fertigung anderer Bauteile anwendbar sein.

Aus dem 3D-Drucker: Innovative Kolben für mehr Leistung und Effizienz.
Bildquelle: Porsche AG

Aus dem 3D-Drucker: Innovative Kolben für mehr Leistung und Effizienz. Bildquelle: Porsche AG

Der additive Fertigungsprozess

Die Basis für dieses Fertigungsverfahren bildet ein Metallpulver, aus einer speziellen, eigens von Mahle entwickelten, Legierung. Innerhalb eines Metall-3D-Druckers der Firma Trumpf, wird das Pulver Schicht für Schicht aufgetragen und mit Hilfe des Lasers punktuell an den gewünschten Stellen verschmolzen. So entstehen in einem zwölfstündigen Druckprozess aus 1200 Schichten die Kolbenrohlinge. Damit die additiv gefertigten Kolben die hohen Anforderungen erfüllen, bedarf es einer umfassenden Qualitätskontrolle. „Speziell mit diesem Kolbenmaterial, das vorher noch nie verdruckt wurde, war es natürlich eine Herausforderung, die Qualität der Bauteile zu generieren, was wir mit der Unterstützung der Firma Zeiss sehr gut machen konnten“, resümiert Frank Ickinger aus dem Bereich Antriebsvorentwicklung von Porsche.

Überprüfung der Maßhaltigkeit.

Überprüfung der Maßhaltigkeit.

Optimierung der Konstruktion

Ein großer Vorteil dieses Verfahrens ist die Möglichkeit, eine neuartige bionische Architektur umzusetzen. Mithilfe der Topomologieoptimierung werden die Lastenpfade simuliert und somit eine, der Belastung entsprechende, Struktur definiert. Dadurch kann bei den Kolben des Vorentwicklungsprojekts eine Gewichtsreduktion von 10 Prozent, gegenüber den geschmiedeten Serienkolben, erreicht werden. Zudem verfügen die additiv gefertigten Kolbenprototypen über einen integrierten Kühlkanal – dieser ist mit herkömmlichen Fertigungsmethoden nicht umsetzbar. „Wir können durch die neuen, leichteren Kolben die Motordrehzahl steigern, die Temperaturbelastung der Kolben verringern und die Verbrennung optimieren“, erklärt Frank Ickinger.

Vom Pulver zu performanten Bauteilen

Das von Mahle entwickelte Pulver ist der Ausgangswerkstoff der additiv gefertigten Kolben. Pulver ist aber nicht gleich Pulver. Eigenschaften des Pulvers wie die Pulverpartikelverteilung, Partikelform, die chemische Zusammensetzung und Porosität in den Pulverpartikeln sind Beispiele für Einflussfaktoren auf die Bauteilqualität. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Pulver seine Eigenschaften mit jeder Wiederverwendung ändern kann und die Abweichungen produktionsablaufgerecht erfasst werden müssen. Verschiebt sich beispielsweise in Folge der Mehrfachnutzung des Pulvers die Partikelgrößenverteilung, kann die Güte der aufgetragenen Pulverschicht beeinträchtigt und gleichzeitig das Risiko dadurch bedingter Porenbildungen oder die Entstehung anderer Bauteildefekte erhöht werden.

Unter Einsatz von Licht- und Rasterelektronenmikroskopen sowie Röntgen-CTs von Zeiss wird die Qualität des Pulvers sowohl vor Beginn als auch nach der Fertigung analysiert sowie über eine Prüfung der Mikrostruktur des gefertigten Bauteils Rückschlüsse auf Bauteildefekte oder Eigenschaftsmerkmale ermittelt. Über eine weitere Verarbeitung der Analysedaten und Auswerteprozesse lassen sich daraus optimierte Parameter für die Druckeinstellungen ermitteln.

Darüber hinaus erfordern erfolgreiche Druckergebnisse diverse Nachbearbeitungsschritte zur Sicherstellung der optimalen Material- und Bauteileigenschaften. So können in der Prozessentwicklung beispielsweise vor und nach den Wärmebehandlungsprozessen Gefügeuntersuchungen am Bauteil mittels speziell ausgerüsteten Rasterelektronenmikroskopen oder Röntgen-CT durchgeführt werden. Für die Analyse des Einflusses der einzelnen Fertigungsschritte auf die Endqualität kommt neben dem Koordinatenmessgerät ein optischer 3D-Scanner oder industrielle Computertomografie zum Einsatz. Dabei ist die Kombinationsfähigkeit dieser Verfahren ein entscheidender Faktor.

Die noch auf der Bauplatte befindlichen Kolben wurden mittels 3D-Scanner vermessen, sind diese von der Platte getrennt, können die einzelnen Fertigungsschritte mittels CT geprüft werden, inklusive der innenliegenden Strukturen bei gleichzeitiger Durchführung der Defektanalyse. Am Ende erfolgt die finale Vermessung mittels Koordinatenmessgerät. Kernkompetenz des ganzheitlichen Qualitätssicherungsprozesses von Zeiss ist die Verknüpfung aller Daten über die verschiedenen Analysen hinweg.

„In der Summe erhalten wir dann in der Prozessentwicklung einen lückenlosen und verknüpften Qualitätssicherungsprozess, über die verschiedenen Prozessabschnitte und Analysen hinweg, um daraus zunächst alle Informationen zu erhalten, die für ein umfassendes Verständnis der Bauteilqualität und deren Einflüsse erforderlich ist, und um mit diesen Detailkenntnissen dann eine technisch und wirtschaftliche Lösung, speziell für die Qualitätssicherung in einer möglichen Serienfertigung, abzuleiten“, erklärt Dr. Bernhard Wiedemann, Director Additive Manufacturing Process & Control, Carl Zeiss Industrielle Messtechnik GmbH.

Auf dem Prüfstand

Nun müssen sich die additiv gefertigten Kolben im Motor des GT2 RS auf dem Prüfstand beweisen. In einem 200 Stunden Prüfstanddauerlauf werden 24 h Hochgeschwindigkeitsteststrecke, 135 h Volllast sowie 25 h Schlepplast bei verschiedenen Drehzahlen durchfahren. Und das ohne Pause. „Wenn additiv gefertigte Bauteile solchen Belastungen standhalten, sind auch viele andere Fahrzeugbauteile als 3D-Druck-Teile denkbar“, schwärmt Frank Ickinger. „Wir haben zwar alles simuliert, aber wenn man dann sieht, dass die Kolben auch im Einsatz hier auf dem Prüfstand fehlerfrei funktionieren – das macht mich sehr stolz“, bekräftigt Volker Schall, Head of Product Design bei Mahle International GmbH. Das Ergebnis beeindruckt am Ende nicht nur die Ingenieure. Alle Kolben haben die herausfordernden Tests bestanden. Nicht ein einziger Ausfall ist zu verzeichnen. Ein klares Zeichen, dass die Qualitätskontrolle einwandfrei funktioniert.

Pioniere der Additiven Fertigung

Die Additive Fertigung bietet enormes Potenzial für optimierte und neue Bauteile. So lässt sich beispielsweise der Verbrennungsmotor weiter verbessern und umweltfreundlicher gestalten. Aber auch im Bereich der E-Mobilität bieten sich durch diese Fertigungsverfahren viele Chancen.

„Mit diesem Projekt haben wir Pionierarbeit in der Additiven Fertigung geleistet“, so Dr. Bernhard Wiedemann über die Zusammenarbeit mit Porsche, Mahle und Trumpf. „Der daraus entstandene Prozess, wie die Kolben gefertigt wurden und gleichzeitig die Qualität über die gesamte Produktion analysiert und gewährleistet wurde, ist einzigartig.“

Zusätzliche Designfreiheit, Leichtbau und Funktionsintegration gepaart mit der Qualitätssicherung von Zeiss. Das gesamte Team um Porsche-Projektleiter Frank Ickinger ist mehr als zufrieden. Das Projekt der „gedruckten“ Hochleistungskolben ist ein voller Erfolg. Ein Meilenstein in der Geschichte der additiven Fertigung bei Porsche.

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