anwenderreportage
Carl Zeiss 3D ManuFACT: Hochpräzise Schichtarbeit
MBFZ toolcraft GmbH nutzt mit Zeiss 3D ManuFACT durchgängige Qualitätssicherung in der Additiven Fertigung: Additive Fertigung ist für viele Unternehmen Neuland – nicht für die MBFZ toolcraft GmbH. Das Unternehmen im fränkischen Georgensgmünd fertigt High-End-Präzisionsteile unter anderem für die Luft- und Raumfahrt, Automobilindustrie, Medizintechnik und die Halbleiterindustrie, seit 2011 auch in 3D-Druck. Die junge etablierte Fertigungstechnologie ist eine Herausforderung für die Qualitätssicherung. Diese bewältigt toolcraft mit Zeiss 3D ManuFACT, einer genau auf die Anforderungen zugeschnittenen Lösung zur durchgängigen Qualitätssicherung für die Additive Fertigung.
Shortcut
Aufgabenstellung: Durchgängige Qualitätssicherung entlang der additiven Prozesskette.
Lösung: Zeiss 3D ManuFACT.
Nutzen: Sämtliche Messsysteme für die Qualitätssicherung aus einer Hand und damit vollständige Durchgängigkeit der Daten entlang der gesamten Prozesskette.
Hitze, Lärm, Ölgeruch: Sie gehören zur industriellen Fertigung wie Yin zu Yang. Ganz anders in der gläsernen Halle bei toolcraft in Georgensgmünd. Wer mit seinem Mitarbeiterausweis die Zugangskontrolle überwunden hat: hört nichts. Er riecht auch nichts. Nichts erinnert hier an Fabriken, wie wir sie seit hundert Jahren kennen. Weil Teile auch nicht so gefertigt werden wie seit hundert Jahren. Statt aus gegossenen oder geschmiedeten Metallklötzen die Form durch Bohren, Fräsen und Drehen herauszuschälen, geht die Additive Fertigung den umgekehrten Weg. Durch kleine Fenster an den zwölf 3D-Druckmaschinen bei toolcraft kann man gleißenden Laserstrahlen dabei zusehen, wie sie über eine hauchdünne Schicht aus Metallpulver tanzen. Wo der Lichtpunkt auftrifft, schmilzt blitzartig das Pulver und erstarrt sofort wieder, dann folgt die nächste Schicht. Aus tausenden haardünnen Schichten entstehen beim 3D-Laserschmelzen scheinbar unmögliche Bauteile, die man mit traditioneller subtraktiver Fertigung niemals herstellen könnte. Wurden vor zehn Jahren nur Prototypen und Designstudien additiv gefertigt, bauen Hersteller von Flugzeugturbinen, Rennwagen oder medizinischen Apparaten diese immer häufiger direkt in ihre Serienprodukte ein.
Toolcraft nutzt den 3D-Druck für Geometrien, die mit konventionellen Verfahren nicht oder nur schwierig herzustellen waren. Dafür stellt das Verfahren die Qualitätssicherung vor neue Herausforderungen.
Christoph Hauck
Geschäftsführer MBFZ toolcraft GmbH
„Die Qualitätssicherung in der Additiven Fertigung ist eine große Herausforderung und da ist es beruhigend, mit Zeiss einen erfahrenen Partner an unserer Seite zu wissen. Zeiss ist der einzige Anbieter für Messtechnik für die gesamte Prozesskette in der Additiven Fertigung mit vollständiger Durchgängigkeit der Daten.“
Neuland Qualitätssicherung
Wie immer, wenn eine neue Technologie die Märkte erobert, gibt es auch Fragezeichen. Eines davon ist die Qualitätssicherung. Jens Heyder deutet auf einen Monitor, der zwei Bilder, aufgenommen mit dem Lichtmikroskop Zeiss Axio Imager, in 50-facher Vergrößerung zeigt. Links ist ein Schliff aus einem guten Bauteil zu sehen. „Es sind keine großen Fehler erkennbar, lediglich kleine Poren. Das Material weist eine gleichmäßige, homogene Struktur auf. Rechts dagegen ist ein Schliff dargestellt, in dem Lunker und Schweißfehler vorhanden sind. Der Bauprozess war hier nicht optimal, weshalb es beim Erstarren der Schmelze zu Fehlern kam. Bei hoher Belastung könnte es hier zu Rissen kommen“, warnt Heyder, der seit drei Jahren als Werkstofftechniker im Werkstofflabor von toolcraft arbeitet. Mit seinen Kollegen überprüft er die Korngrößenverteilung des verwendeten Metallpulvers. Sie helfen, den Fertigungsprozess so zu optimieren, dass im Moment des Aufschmelzens und Erstarrens keine Fehlstellen im Teil entstehen.
Das Werkstofflabor ist aber nur ein Baustein in der lückenlosen Qualitätssicherung bei toolcraft. Nach jedem Prozessschritt erfolgt eine Prüfung: wenn ein Teil aus dem Drucker kommt, nach der Wärmebehandlung und schließlich nach dem Fräsen in die Endform, bevor das Teil den Weg zum Kunden antritt. Nicht jedes Teil wird geprüft, je nach Kundenwunsch werden Stichproben gezogen, Routineteile durchlaufen nur eine Endprüfung, anspruchsvolle Kunden – etwa aus der Luftfahrt – verlangen dagegen eine 100 %-Kontrolle. Eines ist aber sicher: Wenn ein Teil geprüft wird, dann geschieht das auf einer Maschine mit dem blauen Zeiss Logo. Die findet man gleich an mehreren Stellen im Betrieb: Zwei Mikroskope (Zeiss Axio Imager und Zeiss Axio Zoom.V16), mehrere Koordinatenmessgeräte (zwei Zeiss ACCURA, eine Zeiss CONTURA und eine Zeiss DuraMax) sowie ein optischer 3D-Scanner sind in den Messräumen und in der Produktion zu finden. Wobei letzterer zwar das Logo von GOM trägt; das Unternehmen gehört seit Frühjahr 2019 ebenfalls zur Zeiss Familie.
Infos zum Anwender
Bernd Krebs hat toolcraft 1989 gegründet, buchstäblich als Ein-Mann-Garagenfirma. Im Stammwerk Georgensgmünd und im Formenbau im benachbarten Spalt beschäftigt das Unternehmen heute rund 400 Mitarbeiter, 46 davon sind Auszubildende. Toolcraft liefert High-End-Metallteile für die Luft- und Raumfahrtindustrie, für die Medizintechnik sowie für die optoelektronische und Halbleiterindustrie. Seit der Einführung Additiver Fertigung 2011 hat toolcraft 17 Millionen Euro dafür ausgegeben. Toolcraft Mitgeschäftsführer Christoph Hauck ist zudem Vorstandsvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Additive Manufacturing im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer VDMA.
Durchgängige Daten
Warum nutzt toolcraft nur Messtechnik von Zeiss? „Weil Zeiss einer unserer großen Kunden ist“, schmunzelt Christoph Hauck, einer von drei Geschäftsführern des Unternehmens. Das liefert hochpräzise Bauteile und Baugruppen für die Optiken, die Zeiss Semiconductor Manufacturing Technology (SMT) für Belichtungsmaschinen in der Halbleiterfertigung benötigt. Hauck ernster: „Der wahre Grund ist natürlich ein anderer: Zeiss ist der einzige Anbieter für Messtechnik für die gesamte Prozesskette in der Additiven Fertigung mit vollständiger Durchgängigkeit der Daten.“ Zeiss vermarktet dies unter dem Namen 3D ManuFACT. Es vereint Produkte aus dem Zeiss Portfolio zu einer gesamtheitlichen Lösung – von Rasterelektronen- und Lichtmikroskopen über Computertomographen und Koordinatenmessgeräten bis zum optischen 3D-Scanner, unter dem Dach der gemeinsamen Messsoftware Zeiss CALYPSO und Zeiss PiWeb, einer skalierbaren IT-Lösung zum Qualitätsdatenmanagement.
Hauck ist seit 17 Jahren im Unternehmen und nach eigener Einschätzung der „Außenminister“, der neue Märkte, Technologien und Kunden erschließt. Dazu gehöre auch, bei Kunden für Vertrauen in die Additive Fertigung zu werben, „denn jede neue Fertigungstechnologie wird erstmal misstrauisch beäugt, zumal wenn die Entwicklung derart rasant verläuft.“ Bereits 2005 kam der heute 43-Jährige schon bei toolcraft mit dem Thema in Berührung, wo er additiv gefertigte Teile für Flugzeugturbinen nachbearbeitet hat. Damals war die Qualität „noch sehr verbesserungswürdig“ und nur für Prototypen zu gebrauchen, für einen schnellen Erkenntnisgewinn in der Entwicklung. Heute ist das anders. Die Teile, die toolcraft an seine Kunden liefert, sind nach den strengen Vorgaben der Luft- und Raumfahrtindustrie oder der Medizintechnik qualifiziert und genauso leistungsfähig und haltbar wie traditionell gefertigte Teile. Als Beweis zeigt Hauck eine Statorleitschaufel, die den Gasstrom durch eine stationäre Gasturbine lotst. Sie sei herkömmlich hergestellten Varianten absolut ebenbürtig aber habe darüber hinaus einige Vorteile. So ist die geschwungene Form der Schaufeln, die mit aufwändigen Simulationen optimiert wurde, zerspanend mit vertretbarem Aufwand kaum noch herzustellen. Und statt jede der 144 Schaufeln einzeln zu fertigen, baut ein 3D-Drucker immer 12 als Paket auf. Das senkt die Kosten für die Herstellung und später bei der Montage.
Spannungen auf der Spur
Allerdings macht das Verfahren die Qualitätsprüfung schwieriger. Die beiden älteren Koordinatenmessgeräte eines Zeiss Marktbegleiters, die neben den beiden Zeiss ACCURA noch im Messraum stehen, können solche komplexen Schaufelgeometrien nicht abtasten. „Dazu setzen wir das Blade-Softwaremodul von Zeiss ein“, sagt Markus Miehling. Einen schnellen Überblick über die Form des Schaufelpakets verschafft sich der Leiter der Qualitätssicherung mit dem 3D-Scanner von GOM. Der wirft Streifen aus blauem Licht auf das Teil, aus dem reflektierten Licht errechnet eine Software die Oberfläche und zeigt Abweichungen von der Soll-Form, die der CAD-Datensatz vorgibt. Durch das ständige Erhitzen und Abkühlen beim Laserschmelzen kommt es im Metall zu Spannungen, die zu einem Verbiegen des Teils führen können. Eine Wärmebehandlung nach dem Druck lindert diese Spannungen, reduziert sie aber nicht auf null.
Vieles in der Qualitätssicherung der Additiven Fertigung ist Neuland, einige Prozesse haben die Messtechniker eigens dafür angepasst. Das fängt im Werkstofflabor an, wo Jens Heyder für jeden Werkstoff eigene, speziell angepasste Ätzverfahren entwickelt, um die Kornstruktur im Inneren der Bauteile untersuchen zu können. Unter dem Mikroskop sieht man hier eine Struktur, die sich in mancherlei Hinsicht grundlegend von der von gegossenen oder zerspanend hergestellten Bauteilen unterscheidet. Die Körner sind beispielsweise länglich und in Baurichtung orientiert.
Kommt es infolge einer Überhitzung zu verbrannten Stellen auf der Bauteiloberfläche, können diese mit dem Lichtmikroskop Zeiss Axio Zoom.V16 untersucht und dokumentiert werden. Die Werkstoffexperten bei toolcraft haben auch ein Verfahren entwickelt, um die Korngrößenverteilung und Struktur des Metallpulvers zu untersuchen. Dabei wird das Pulver mit einem Epoxidharz vermischt und ausgehärtet. Anschließend werden die Probekörper angeschliffen und dann unter dem Zeiss Axio Zoom.V16 mit bis zu 500-Facher Vergrößerung untersucht.
Taktile Endkontrolle
Verlangt ein Kunde – etwa aus der Luftfahrt –, dass alle Teile geprüft werden, landen sie auf einer der beiden Zeiss ACCURA, die im Raum für Qualitätssicherung stehen. Auch bei der taktilen Messung brauchen additiv gefertigte Teile eine Sonderbehandlung. Wenn sie direkt aus dem Drucker kommen, sind sie noch etwas rau wegen der erstarrten Pulverkörner. Eine scannende Messung, wo der Taster mit Dauerkontakt über die Oberfläche streicht, ist darum nicht möglich, gemessen werden dann stattdessen Einzelpunkte, um die Lage repräsentativer Punkte auf dem Teil zu bestimmen. Ist das Teil in Ordnung, geht es in die obligatorische Endbearbeitung, wo Zerspanungstechniker Gewinde drehen, Radien optimieren und Oberflächen zerspantechnisch veredeln. Bei der erneuten Messung auf Zeiss ACCURA darf dann auch ein scannender taktiler Sensor zum Einsatz kommen.
Das Koordinatenmessgerät ist mit der mass-Technologie von Zeiss (mass = multi application sensor system) ausgerüstet, die einen schnellen Wechsel zwischen verschiedenen Sensoren erlaubt, auch ein optischer Liniensensor wartet im Sensorwechselmagazin auf seinen Einsatz. Trotz aller Euphorie gilt bei toolcraft das Prinzip: Wir fertigen nur additiv, was wirklich Sinn ergibt. Teile, die in großen Stückzahlen geordert werden und die mit herkömmlichen zerspanenden Fertigungsfahren herzustellen sind, werden auch heute noch so gefertigt. Das schlägt sich in der Zahl der Arbeitsstationen nieder: In der zerspanenden Fertigung von toolcraft produzieren 70 Maschinen, in der Additiven Fertigung nur zwölf. Doch die tragen schon ein Viertel zum Umsatz bei – Tendenz steigend. Die Qualitätssicherung wird zwangsläufig in den kommenden Jahren weiter ausgebaut.
Im Portfolio von Zeiss 3D ManuFACT gibt es Geräte, die toolcraft noch nicht verwendet: Ein Rasterelektronenmikroskop etwa oder einen Computertomographen. Welche Messgeräte toolcraft in Zukunft anschaffen werde, stehe noch nicht fest, sagt Christoph Hauck, sicher sei aber, dass sie von Zeiss sein werden. „Die Qualitätssicherung in der Additiven Fertigung ist eine große Herausforderung und da ist es beruhigend, mit Zeiss einen erfahrenen Partner an unserer Seite zu wissen.“
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