Expertise in Leichtbau
Die Otto Fuchs KG führt Additive Manufacturing (AM) als ergänzendes Fertigungsverfahren zu Schmieden, Strangpressen und Ringwalzen ein. Große Entwicklungsschritte werden dabei durch die Expertise in der Verarbeitung von Leichtbauwerkstoffen erreicht. Künftig soll der AM-Prozess den hohen Qualitätsstandards der Luftfahrtindustrie entsprechen. Von Dr.-Ing. Frank Meiners und M. Sc. Sebastian Künne, Otto Fuchs KG
AM-Fertigung bei Otto Fuchs, die jetzt ergänzend zu den etablierten Herstellungsverfahren aufgebaut wird – aber unmittelbar von der dort entwickelten Werkstoff-, Produkt- und Prozess-Expertise profitiert.
Konventionelle Fertigungsverfahren stoßen bei technologisch anspruchsvollen Einzelstücken oder Kleinserien schnell an wirtschaftliche Grenzen. Mit der Einführung additiver Fertigungsverfahren, in diesem Fall Selective Laser Melting (SLM), hat sich das geändert. Jetzt treten aber neue Fragen in den Vordergrund, die sich aus den etablierten Prozessstrukturen der konventionellen Fertigungsverfahren wie aus der nachfolgenden Wertschöpfungskette ergeben.
Besonders deutlich wird das an Produkten für die Luftfahrttechnik, einem zentralen Tätigkeitsfeld der Otto Fuchs-Gruppe. Hier trifft die hochpräzise AM-Einzelstückfertigung unmittelbar auf Kundenanforderungen wie einer weitreichenden Werkstoffexpertise, einem integrierten Qualitätssicherungssystem, definierten Übergabepunkten in der Entwicklung und die Reproduzierbarkeit eines Druckdurchlaufs. Diese Anforderungen können von branchenfremden AM-Anbietern kaum bedient werden.
Schon in der frühen Entwicklungsphase eines Neuprodukts unterstützt Otto Fuchs in der Produkt- und Prozessauslegung die funktions- und versagensgerechte Auslegung des Bauteils bei gleichzeitiger Berücksichtigung fertigungstechnischer Randbedingungen, hier am Beispiel eines Radträgers für den Rennsport.
Werkstoffexpertise notwendig
Der Hintergrund: Gerade bei Einzelstücken für die Luft- und Raumfahrttechnik ist das Qualitätsniveau des Produkts ein Leistungskriterium. Aufgrund hoher Sicherheitsanforderungen sind die lückenlose Dokumentation des Fertigungsprozesses, aber auch der Werkstoffeigenschaften vom Eingangsmaterial über alle Bearbeitungsprozesse hinweg bis hin zum für die Montage freigegebenen Bauteil eindeutig definiert. Dies betrifft auch die Oberflächen- und die Wärmebehandlung sowie Pulvercharakterisierung, Prozessüberwachung und Bauteilprüfungen.
Versuchsreihen von Otto Fuchs zeigen, dass die Werkstoffexpertise des Herstellers (primär Aluminium, Titan, Nickel, Magnesium und Kupfer, in unterschiedlichsten Legierungen) aus den etablierten Fertigungsverfahren dafür eine belastbare Basis bietet. Sie kann direkt auf das SLM-Verfahren übertragen werden. Die Otto Fuchs-Gruppe richtet daher jetzt ihre SLM-Fertigung mit identischen Qualitätsansprüchen auf eine Qualifizierung gemäß dem National Areospace and Defence Contractors Accreditation Program (NADCAP) aus.
Die Expertise zum Werkstoff löst aber ebenso wenig wie die Qualitätssicherung die Herausforderung, AM-Einzelstücke wirtschaftlich zu fertigen: Hier sind neben dem zeitaufwendigen Druckverfahren die Prozessoptimierung durch Prozesssimulation sowie die nur bedingt automatisierbare Designoptimierung mit einzukalkulieren. Ziel müssen daher komplexe Produkte mit geringer Nachbearbeitung sein. Dann wird der Aufwand durch Kostenvorteile aufgrund der Einsparungen in der weiteren Prozesskette wieder ausgeglichen. Das bedeutet eine Weiterentwicklung des Komponenten-Zulieferers hin zum frühzeitig in die Entwicklung eingebundenen Systemlieferanten einbaufertiger Units.
Für die dokumentierte Qualitätssicherung, zum Beispiel nach den Anforderungen der IATF oder der NADCAP, werden die beim AM mitgedruckten Proben durch Otto Fuchs sowohl zerstörenden wie nicht-zerstörenden Prüfungen unterzogen.
Reproduzierbarkeit absichern
Eine weitere Herausforderung ergibt sich aus der Frage, wie reproduzierbar AM-Produkte sind. Dafür ist eine dezidierte Dokumentation notwendig. Otto Fuchs hat dafür in enger Anlehnung an die etablierten Verfahren spezielle Konstruktionsrichtlinien und Prozessbeschreibungen entwickelt. Sie sind fester Bestandteil des Qualitätsmanagements und werden mit jedem AM-Entwicklungs- und Produktionsvorgang fortgeschrieben. Hinzu kommt eine lückenlose Dokumentation mit Rückverfolgbarkeit aller relevanten Daten. Das gewährleistet auch bei Einzelstückfertigung mit versetzter Wiederholungsrate dieselben Qualitätseigenschaften wie bei der Erstabnahme.
Fazit
AM im Verfahren SLM ist bei Otto Fuchs eine zielführende Ergänzung der etablierten Umformverfahren für anspruchsvolle und leichte, zugleich stark belastbare Halbfertig- und Fertigprodukte. Entscheidend ist dabei neben der Werkstoffexpertise aber die Integration des AM in die bestehenden Qualitätsmanagementprozesse. Zudem ist die Entwicklung innovativer Produktlösungen mit definierter Zielstellung notwendig, da beim AM die Messgrößen Ausführungsqualität, Zeit und Wirtschaftlichkeit direkt voneinander abhängen. Die AM-Experten von Otto Fuchs bilden daher vor Projektstart gemeinsam mit dem Kunden die entscheidenden Prozessschritte Engineering, Manufacturing und Quality Control mit projektspezifischen Leistungsmerkmalen auf einer Zielsetzungsmatrix ab. Diese Festlegungen schützen vor ineffizientem Ressourceneinsatz – speziell Material und Zeit – und zahlen damit wieder auf die entscheidenden Vorteile des AM als Fertigungsverfahren ein, nämlich die effiziente und wirtschaftliche Herstellung hochwertiger Einzelstücke und Kleinstserien aus Leichtmetall-Legierungen, vor allem Titan.
formnext Halle 12.0, Stand D84
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