interview
Velo3D Sapphire: Vorhersagbare und effiziente Produktion
Dirk Rathsack lenkt seit April 2022 als Managing Director Sales & Technical Sales Europa die Vertriebsaktivitäten für den europäischen Markt bei Velo3D. Das Unternehmen hat vor etwa einem Jahr sein neues Technologiezentrum in Augsburg eröffnet, in dem einige Sapphire-Systeme installiert sind und dort zu Test- und Demonstrationszwecken für Kunden betrieben werden.
Dirk Rathsack ist Geschäftsführer bei Velo3D und zeigt sich zufrieden, dass Kunden, die mehrere Sapphire-Drucker betreiben, mit der gleichen Druckdatei identische Teile auf allen Maschinen unabhängig vom Standort herstellen können.
Seit gut einem Jahr besteht nun das Technologiezentrum in Augsburg. Kann man es als Keimzelle für das Europabusiness von Velo3D bezeichnen?
Unser Europa-Technikcenter in Augsburg ist die Drehscheibe für unsere Aktivitäten in Europa. Augsburg ist ein idealer Standort, da sich in seinem Umkreis viele Unternehmen aus dem Technologie- und Fertigungssektor angesiedelt haben. Deshalb ist dies ein idealer Standort für uns. In unserem Technikcenter können sich Kunden aus ganz Europa über unsere additive Fertigungstechnologie informieren und unsere Sapphire-Systeme in Betrieb erleben. Wir führen dort auch Schulungen und andere Veranstaltungen für unsere Kunden und andere Teilnehmer mit Interesse an der Additiven Fertigung von Metall durch. Weiterhin unterstützen wir hier auch unser Hauptquartier bei Themen zur Prozessentwicklung und Materialqualifikation.
Im Gegensatz zu herkömmlichen AM-Anlagen verwenden die Sapphire-Drucker einen proprietären vorsprungstoleranten berührungslosen Recoater, der das Risiko von Teilekollisionen nahezu eliminiert.
Wie ist die Strategie von Velo3D, um den europäischen Markt zu durchdringen?
Unsere Strategie besteht darin, eine verteilte Lieferkette für komplexe fertig bearbeitete Metallteile zu schaffen. Dazu bauen wir ein Partner-Netzwerk von Auftragsfertigern auf, die unsere Technologie nutzen und ihr jeweiliges Fachwissen in die Nach- und Endbearbeitung der komplexen Teile, die von unseren Anlagen kommen, einfließen lassen.
Das Technikcenter in Augsburg spielt dabei eine entscheidende Rolle, indem es unseren zukünftigen Kunden Anwendungswissen vermittelt. Wir bieten ihnen damit die Gelegenheit, unsere Technologie aus erster Hand zu erleben und zu erfahren, wie eine Partnerschaft mit Velo funktioniert. Wir sind der festen Überzeugung, dass unser Lösungsangebot ein Selbstläufer wird, sobald die Interessenten sehen, wie unsere Technologie funktioniert und welche Vorteile es im Vergleich zu den Technologien unserer Marktbegleiter bietet. Durch einen Besuch in unserem Technikcenter können wir die Interessenten von diesen Vorteilen überzeugen. Jeder Bestandteil der Lösung wird vorgestellt, beispielsweise auch die Druckvorbereitung und die Qualitätssicherung der Druckjobs.
Im Technologiezentrum in Augsburg können sich Kunden aus ganz Europa über die additive Fertigungstechnologie von Velo3D informieren und die Sapphire-Systeme in Betrieb erleben.
Die Sapphire-Systeme haben einige Finessen, wodurch sie sich von anderen LPBF-Maschinen unterscheiden. Worin liegt die Abweichung?
Das Sapphire-System unterscheidet sich erheblich von anderen LPBF-Maschinen. Der größte Unterschied besteht darin, dass wir eine vollständig integrierte Lösung und nicht nur einen Drucker anbieten. Mit jedem Sapphire-Drucker erhalten die Kunden alles, was sie brauchen, um eine CAD-Datei in ein gedrucktes Teil zu verwandeln.
Die Lösung umfasst die sogenannte Flow-Druckvorbereitungssoftware, in welche CAD-Dateien importiert werden und dann auf Basis eines automatisierten Analyse-Algorithmus ein Printfile erstellt wird. Dieses Printfile enthält geometrieabhängige Scanning-Strategien, welche durch Velo3D entwickelt und validiert wurden und für das jeweilige CAD-Modell in allen Bereichen ein optimales Ergebnis hinsichtlich mechanischer Eigenschaften und Oberflächengüte liefert.
Die Randbedingungen für die AM-gerechte Modellanpassung sind bei unserer Lösung wesentlich weniger restriktiv als bei anderen LPBF-Systemen, bei denen ein erforderliches Redesign für die Additive Fertigung (DFAM) oft die Leistung des zuvor mühsam optimierten Bauteils negativ beeinträchtigen kann.
Die Sapphire-Drucker führen die im Printfile hinterlegten Instruktionen (z.B. Leistung, Scanning-Geschwindigkeit, Anpassung des Fokuspunktdurchmessers…) aus und überwachen dabei die wichtigsten Prozessvariablen mit einer umfangreichen Onboard-Sensorik in jeder Schicht. Die dabei entstehenden Daten werden von unserer Qualitätssicherungs- und Validierungssoftware Assure erfasst, analysiert und visualisiert. Die Daten von Assure können den Bediener dann auf etwaige Probleme hinweisen bzw. einen fehlerfreien Druckjob über einen automatisch generierten Build-Report bestätigen.
Flow, Sapphire und Assure sind also die drei Kernkomponenten unserer AM-Lösung und liefern in ihrem Zusammenspiel ein bisher unerreichtes Maß an Qualität und Konsistenz, welches nicht nur von Druckjob zu Druckjob, sondern auch von Maschine zu Maschine gewährleistet wird.
Die standardmäßigen Sapphire-Maschinen bieten eine zylindrische Kammer mit 315 mm Durchmesser und 400 mm Höhe und sind jetzt mit dem Sapphire 1MZ in einer Konfiguration mit 1.000 mm Höhe für größere Teile erhältlich. Die Systeme Sapphire XC und Sapphire XC 1MZ bieten einen Bauraum von 600 mm Durchmesser und einer Höhe von 550 bzw. 1.000 mm.
Was ist Ihrer Meinung nach der stärkste Differenziator?
Die oben genannte, maschinenübergreifende Wiederholbarkeit ist das herausragende Unterscheidungsmerkmal unserer Lösung. Es ermöglicht den Anwendern ihre Fertigungsprozessketten zu skalieren. Kunden, die mehrere Sapphire-Drucker betreiben, können mit der gleichen Druckdatei identische Teile auf allen Maschinen unabhängig vom Standort herstellen. Es spielt dabei keine Rolle, ob eine Anlage beim Endkunden vertikal integriert oder bei einem unserer Partner im Lohnfertiger-Netzwerk betrieben wird. Die Lieferkette bleibt flexibel und kann den Teilebedarf zu jeder Zeit decken. Die Grundlage für diese Vorgehensweise liefert die automatische On-Board-Kalibrierung der Sapphire-Systeme, die unabhängig vom Qualifikationsniveau der Bediener/Techniker/FSEs erfolgt.
Die Metall-Laser-Pulverbettschmelzdrucker Sapphire XC und Sapphire XC 1MZ im Produktionsmaßstab verfügen über die gleiche fortschrittliche Funktionalität wie die gesamte Sapphire-Familie.
Wird das im Markt wahrgenommen?
Ich glaube nicht, dass dies bereits überall so wahrgenommen wird, aber der Markt beginnt, die einzigartigen Vorteile unserer Lösung zu verstehen. Unsere neu gewonnenen Kunden in Europa haben sich für uns entschieden, weil wir in der Lage sind, ein hohes Maß an Qualität und ihre Wiederholbarkeit sicherzustellen.
Im LPBF-Verfahren gibt es scheinbar Grenzen hinsichtlich Baugröße und Geschwindigkeit, die immer wieder als physikalische Limits beschrieben werden. Wie begegnet man bei Velo3D diesen Grenzen?
Ein großes Fertigungsvolumen wird nur durch die Entwicklung größerer Drucker erreicht. Mit den Druckern Sapphire XC und Sapphire XC 1MZ von Velo3D können unsere Kunden größere Druckvolumina realisieren. Der Sapphire XC 1MZ ist eines der volumenstärksten Systeme eines großen LPBF-Anbieters.
Der Sapphire XC sorgt auch für höhere Druckgeschwindigkeiten, da er den Durchsatz um 400 % erhöht. Die Skalierbarkeit des Bauraums und der Anzahl der im Prozess verwendeten Laser ohne Einbußen bei der Druckfähigkeit oder Qualität wird allerdings nur gewährleistet, wenn die Kalibrierung und Überwachung der wichtigsten Prozessvariablen beispielsweise der Optikeinheit(en), der Schutzgasstrom usw. ebenfalls skalierbar ist. Wie bereits erwähnt, ist dies der Punkt, bei dem unsere Lösung besonders überzeugen kann, da wir die Qualität des Kalibrierungsergebnisses durch automatisierte On-Board-Metrologie realisieren können und so von potenziellen Nutzer-Fehlern entkoppeln.
Wo geht im Bereich LPBF generell die Reise hin?
Ich denke, die größte Veränderung, die wir im kommenden Jahr erleben werden, ist die zunehmende Verbreitung von LPBF in neuen Branchen außerhalb der Luft- und Raumfahrt- sowie der Rüstungsindustrie. In Branchen wie der Öl- und Gasindustrie, der Halbleiterindustrie und dem Werkzeugbau für die Automobilindustrie und in anderen Industriezweigen sind wir bereits auf einem guten Weg.
Ich erwarte, dass auch weiterhin größere und schnellere Drucker auf den Markt kommen werden, um den aktuellen Stand der Technik weiter herauszufordern. Mit der Sapphire XC können die Produktionskosten um bis zu 75 % gesenkt werden. Dies wird kostensensiblen Branchen helfen, da es eine Fertigung in großem Maßstab ermöglicht. Damit können LPBF-Verfahren neue Märkte erschließen, die Teile benötigen, die größer sind als die, die heute produziert werden können.
Wir müssen auch bedenken, dass jede dieser Branchen spezifische Anforderungen und Normen hat, die erfüllt werden müssen, um die Zertifizierung von Teilen in einer Serienproduktionsumgebung zu ermöglichen. Eine wiederholbare und skalierbare Fertigungslösung ist hier der wichtigste Aspekt. Ein System-OEM ist in gewissem Maße mit dafür verantwortlich, dies durch die Zusammenarbeit mit Kunden und den jeweiligen Zulassungsorganen voranzutreiben.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen im Metall-AM-Markt im Moment?
Die größte Herausforderung besteht darin, die Vorurteile zu überwinden, die durch ältere Metall-3D-Drucklösungen entstanden sind. Die Branche hat viele Versprechungen gemacht, beispielsweise, dass man jede beliebige Geometrie ohne Stützstruktur drucken kann. Da dies nicht gelungen ist, steht man der Technologie oft skeptisch gegenüber. Obwohl LPBF-Systeme wie unsere Sapphire viele dieser Probleme überwunden haben, herrscht immer noch der Eindruck vor, dass die Additive Fertigung von Metall mehr verspricht, als in der Praxis realisiert werden kann.
Velo3D hat im Bereich angepasste Scanning-Strategien Pionierarbeit geleistet. Worin liegen die wesentlichen Vorteile?
Schon zu Beginn unserer Lösungsfindung und Produktdefinition haben wir erkannt, dass es darauf ankommt, geometriespezifische Scanning-Strategien zu entwickeln. Bei Printfiles, die mit Hilfe von älteren Systemen unserer Marktbegleiter erstellt wurden, wird häufig eine „Einheitslösung“ verwendet, die hinreichend gut funktioniert, aber bei zunehmender Teilekomplexität auch viele Einschränkungen mit sich bringt.
Velo3D hat für alle Arten von geometrischen Merkmalen optimierte Scanning-Strategien entwickelt und validiert. Diese werden in unsere Flow-Preprint-Software implementiert, die automatisch die richtige Strategie für ein bestimmtes geometrisches Merkmal auf dem CAD-Modell auswählt und anwendet. Damit hängt dieser Prozess nicht von der Qualifikation des Bedieners/Anwenders/Ingenieurs ab. Wir können dadurch komplexere Formen mit höherer Qualität herstellen.
Und nicht zuletzt erweitern wir ständig unsere Datenbank auf Basis der Herausforderungen, auf die wir in unserem Netzwerk stoßen. Im Umkehrschluss hat dann auch jeder Partner in unserem Netzwerk Zugang zu den neu implementierten Lösungen.
Mit ein und demselben Production-File überall auf der Welt das gleiche Ergebnis zu erzielen, das wäre wünschenswert und würde manches Ersatzteilproblem lösen. Gelingt das mit den Sapphire-Maschinen wirklich?
Ja. Das funktioniert! Das ist auch der Hauptgrund, warum unsere Kunden immer wieder auf unsere Sapphire-Anlagen zurückgreifen, wenn es um besonders komplexe Bauteilgeometrien geht. Wir arbeiten derzeit an einer Fallstudie, die zeigt, wie einer unserer Kunden identische Teile, in Bezug auf Leistung und Abmessungen, auf sechs verschiedenen Druckern mit weltweit verteilten Standorten gedruckt hat.
Auf diese Fallstudie kann man gespannt sein. Was sind die nächsten Schritte bei Velo3D? Was bringt das neue Jahr?
Im kommenden Jahr werden wir eine wesentlich stärkere Verbreitung in Europa erleben. Wir konnten in den USA eine hohe Akzeptanz erreichen und beginnen nun, dies in Europa zu wiederholen, zunächst bei einigen besonders innovativen Kunden in unseren Schlüsselbranchen.
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