Forschung trifft Industrie

Die Fotec macht Forschungsergebnisse im Bereich Additiver Fertigung für die Industrie nutzbar: An Universitäten und Fachhochschulen werden oft neue Ansätze und Verfahren entwickelt. Damit diese auch den Weg in die Industrie finden können, benötigt es forschungsnahe Unternehmen wie die Fotec. Diese machen Forschungsergebnisse und akademische Methoden fit für die Wirtschaft und helfen bei der Umsetzung in die Praxis. Autor: Georg Schöpf / x-technik

Der Umgang mit Pulverwerkstoffen erfordert spezielle Arbeitsschutzmaßnahmen.

Der Umgang mit Pulverwerkstoffen erfordert spezielle Arbeitsschutzmaßnahmen.

DI (FH) Helmut Loibl MSc.
Geschäftsführer Fotec

„Es ist wichtig festzustellen, an welchen Punkten man mit Additiver Fertigung im industriellen Umfeld ansetzen kann. Wir sehen es als unsere Aufgabe als Forschungsunternehmen den Betrieben dabei Hilfestellungen zu geben und den Blick für die Möglichkeiten zu eröffnen. “

Die FOTEC Forschungs- und Technologietransfer GmbH ist das Forschungsunternehmen der Fachhochschule Wiener Neustadt für Wirtschaft und Technik GesmbH. Die Fotec wurde 1998 gegründet und beschäftigt aktuell 35 Mitarbeiter.

Aufgabe des Unternehmens ist es, die technisch-wissenschaftlichen Studiengänge der Fachhochschule Wiener Neustadt bei der Initiierung und Umsetzung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zu unterstützen. Es steht in enger Verbindung mit nationalen und internationalen Auftraggebern, Kooperationspartnern, Universitäten und Hochschulen, Forschungseinrichtungen sowie Förderstellen und stellt somit eine Schnittstelle zwischen Lehre, Wissenschaft und Industrie dar.

Angesiedelt ist die Fotec im Technologie- und Forschungszentrum Wiener Neustadt (tfz Wiener Neustadt), welches sich nur wenige Meter von der Fachhochschule entfernt befindet. Sie betreibt die drei Bereiche Innovative Software Systems, Aerospace Engineering und Engineering Technologies.

Geht es im Bereich Innovative Software Systems im Wesentlichen um Softwareentwicklungen und im Bereich Aerospace Engineering hauptsächlich um die Entwicklung miniaturisierter Antriebssysteme und neuartige Energiespeichersysteme, so steht im Bereich Engineering Technologies das Thema Additive Fertigung im Mittelpunkt.

Bei einem Bauteil für einen Flugzeugmotor konnte eine massive Gewichtseinsparung von 77% realisiert werden.

Bei einem Bauteil für einen Flugzeugmotor konnte eine massive Gewichtseinsparung von 77% realisiert werden.

Dr. Markus Hatzenbichler
Leiter Additive Fertigung Fotec

„Es gilt zu verstehen, dass Additive Fertigung die subtraktiven Verfahren nicht ersetzen wird, sondern eine wertvolle Ergänzung bildet. Da muss noch viel Aufklärungsarbeit in der Industrie erfolgen um Berührungsängste abzubauen.“

Schulterschluss mit Fachhochschule

„Da in allen drei Bereichen eine Angliederung zu den jeweils analogen Studiengängen besteht, wird unser Team regelmäßig um Studierende der Fachhochschule erweitert. So entstanden in der Vergangenheit schon spannende interdisziplinäre Arbeiten aus unterschiedlichen Fachbereichen, wie zum Beispiel eine ‚in situ-Prozessüberwachung‘ für das Laser Beam Melting Verfahren. Ein Thema, das im Hinblick auf konsistente Bauteilqualität aus additiver Fertigung sicher noch an Bedeutung gewinnen wird“, beschreibt Helmut Loibl, Geschäftsführer der Fotec den engen Schulterschluss mit der Fachhochschule.

Erklärtes Ziel der Niederösterreicher ist es, neu gewonnene Erkenntnisse und Know-how aus der Luft- und Raumfahrttechnologie für andere Industriezweige nutzbar zu machen. Dazu zählen sie insbesondere auch die Möglichkeiten und Methoden der Additiven Fertigung. Dabei weist Loibl auch mit Nachdruck darauf hin, dass für die Nutzung generativer Verfahren ein verändertes Denken hinsichtlich Konstruktion und Teileauslegung erforderlich wird. „Wir bieten Unternehmen die Möglichkeit, das erforderliche Know-how nicht allein aufbauen zu müssen, sondern auf die Unterstützung eines Forschungsunternehmens zurückgreifen zu können“, führt er weiter aus.

Aber auch begleitende Themen zur Additiven Fertigung werden seitens Fotec behandelt. „Bei dem ganzen Hype um die generativen Verfahren, die in der Gesellschaft ja gerne unter dem Begriff 3D-Druck in einen Topf geworfen werden, werden so manche Aspekte einfach übersehen“, bemerkt Markus Hatzenbichler, Leiter für Additive Fertigung bei der Fotec. „Was dabei häufig gar nicht berücksichtigt wird, sind die rechtlichen Gesichtspunkte. Das beginnt beim Schutz geistigen Eigentums bei der Verwendung von Modellen, die im Internet kursieren, bis hin zu Haftungsaspekten bei der generativen Herstellung von Ersatzteilen. Da ist noch viel Rechtsbildung notwendig“, geht er ins Detail.

Selektives Laserschmelzen (Laser Beam Melting) ist das Verfahren, welches bei Fotec für Verfahrensentwicklungen herangezogen wird.

Selektives Laserschmelzen (Laser Beam Melting) ist das Verfahren, welches bei Fotec für Verfahrensentwicklungen herangezogen wird.

Industriekooperationen

Zu diesem Zweck geht die Fotec auch regelmäßig Kooperationen mit Industrieunternehmen und anderen Forschungseinrichtungen ein. Aktuellstes Vorhaben ist die Mitwirkung der Wiener Neustädter Ideenschmiede am „AddManu.at“ Projekt. Bei diesem Leitprojekt handelt es sich um ein nationales Forschungsnetzwerk mit internationalem Beirat zur Etablierung der Additiven Fertigung in der österreichischen Wirtschaft. Es werden jene vier Verfahren betrachtet, die aus der Sicht der Netzwerkpartner das größte Potenzial für die industrielle Nutzung und das größte Entwicklungspotenzial bieten. Diese Verfahren sind im Detail lithographie-, laser-, extrusions- und binderbasierend. Aufbauend auf langjährigen Erfahrungen und intensiven Recherchen werden im Projekt jene Problemstellungen behandelt, die Hürden für die weitere Entwicklung und/oder wirtschaftliche Anwendung darstellen oder ein hohes Innovationspotenzial aufweisen.

Der große Vorteil additiver Verfahren liegt darin, dass nur die für das Bauteil erforderliche Materialmenge gebraucht wird. Im Vergleich zu zerspanenden Verfahren entsteht deutlich weniger Abfall.

Der große Vorteil additiver Verfahren liegt darin, dass nur die für das Bauteil erforderliche Materialmenge gebraucht wird. Im Vergleich zu zerspanenden Verfahren entsteht deutlich weniger Abfall.

Mehrdimensionale Entwicklung

Die F&E-Aktivitäten werden im „AddManu.at“ Projekt in die Bereiche Werkstoffentwicklung, Design und Auslegung, prozessspezifische und anwendungstechnische Aspekte gegliedert, und dies jeweils für Metalle sowie für Nichtmetalle. Übergeordnete Themen wie die Systemintegration werden in einem eigenen Arbeitspaket abgehandelt.

Ein wesentlicher Aspekt des Projektes ist dabei die Entwicklung neuer Werkstoffe und hybrider Werkstoffsysteme. Denn auch bei additiv hergestellten Bauteilen sind stets die Gebrauchs- und Verarbeitungseigenschaften ein erhebliches Qualitätsmerkmal. Diese werden in der Regel hauptsächlich durch die eingesetzten Materialien bestimmt. Verbesserungen in diesem Bereich werden ebenso angestrebt, wie Erkenntnisse über die Materialeigenschaften hinsichtlich strukturmechanischer Belastbarkeit, thermischen und chemischen Eigenschaften, insbesondere im Vergleich zu herkömmlich verarbeiteten Werkstoffen.

Kreativität im Vordergrund

Das Innovationspotenzial der Additiven Fertigung wird nach Ansicht der Projektpartner von AddManu.at primär von der Kreativität der Designer bzw. der Nutzung modernster Auslegungssoftware in Richtung Leichtbau bzw. Materialeffizienz bestimmt. Durch Kopplung der Methoden der Topologie- und Gestaltoptimierung mit den spezifischen Eigenheiten der Additiven Fertigung, sowie Ergänzungen hin zu extrem filigranen Gitterstrukturen, sollen neuartige Lösungen entstehen und neue Anwendungsbereiche erschlossen werden. Umso wichtiger erscheint es ihnen, dass hinsichtlich der Nutzung generativer Methoden Konstruktionsrichtlinien und Arbeitsmodelle entwickelt werden, die dem industriellen Anwender klare Hilfestellungen geben. „Funktionsgerechtes und fertigungsgerechtes Konstruieren unter Berücksichtigung der Möglichkeiten Additiver Fertigung ist der Schlüssel für einen wirtschaftlichen Einsatz dieser Technologien“, hebt Loibl hervor.

Konkrete Industrieprojekte

Forschung wird bei Fotec aber nicht nur im theoretischen Raum betrieben. Meist sind es ganz konkrete Industrieprojekte, die als Triebfeder für Entwicklungen fungieren. „Wir haben einen starken Bezug zur Raumfahrtindustrie“, so Loibl. „Viele unserer Aufgabenstellungen kommen aus diesem Bereich und zielen meist in Richtung Gewichtseinsparungen oder Miniaturisierung von Komponenten“, führt der Geschäftsführer weiter aus. „Am Beispiel eines Bauteils für einen Flugzeugmotor konnten wir zeigen, dass durch entsprechendes Re-engineering in Verbindung mit Additiver Fertigung, massive Gewichtseinsparungen möglich waren, ohne Einbußen bei der Festigkeit in Kauf nehmen zu müssen“, ergänzt Hatzenbichler.

Dass die Additive Fertigung durch gemeinsame Initiativen aus Wirtschaft und Lehre schneller den Weg in die produktive Nutzung finden kann, dafür aber noch einiges an Bewusstseinsbildung und Know-how-Aufbau in der Industrie erforderlich ist, darüber ist man sich bei Fotec einig. Abschließend fasst Loibl zusammen: „Damit die Additive Fertigung in der Industrie ihren Platz finden kann, gilt es ein klares Bild der Möglichkeiten aufzuzeichnen – insbesondere wie additive Verfahren ergänzend zu bestehenden Bearbeitungsverfahren in die Wertschöpfungskette eingebaut werden können. Nicht zuletzt ist es wichtig, das Bewusstsein in der Industrie zu schärfen, in welchen Bereichen die neuen Verfahren Sinn machen. In der Entwicklung sollte das Hauptaugenmerk darauf gelegt werden, mit den neuen Möglichkeiten Lücken in der industriellen Produktion zu schließen.“

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