anwenderreportage

Nikon SLM Solutions SLM 280: ForgeBrid® – Der Schmiede-SLM-Hybrid

Als renommiertes Unternehmen im Freiformschmieden erweitert die Rosswag GmbH ihr Portfolio um die Additive Fertigung. Mit zwei SLM 280 Maschinen von SLM Solutions werden dabei neue Wege in der Herstellung von Turbinenlaufrädern und Werkzeugkomponenten gegangen. Autor: Georg Schöpf / x-technik

Bei ForgeBrid®-Teilen werden komplexe Geometrien mittels SLM Verfahren auf eine geschmiedete Trägerkomponente aufgebracht.

Bei ForgeBrid®-Teilen werden komplexe Geometrien mittels SLM Verfahren auf eine geschmiedete Trägerkomponente aufgebracht.

Dr. Sven Donisi
Geschäftsführer der Rosswag GmbH

„Aus der Kombination traditionsreicher Technologien wie dem Schmieden in Verbindung mit modernen Fertigungsverfahren können völlig neuartige, innovative Konzepte entstehen.

Was hat Freiformschmieden mit Additiver Fertigung zu tun? „Viel“, meint Sven Donisi, Geschäftsführer der Rosswag GmbH, der größten Freiformschmiede Süddeutschlands. „Beide Prozesse bringen einen Ausgangsstoff in eine neue Form, ohne dabei Material wegzunehmen. Beim Schmieden kann man neue Strukturen und neue Gefügebedingungen schaffen, wie sie mit zerspanenden Verfahren nicht möglich sind. So ist das auch bei vielen additiven Verfahren und insbesondere beim Selektiven Laserschmelzen von Metallpulvern. Und schließlich kann man die beiden Technologien kombinieren“, so der Geschäftsführer weiter. Er bezieht sich damit auf eine Technologie, wie sie so bislang wohl einzigartig ist.

Aber von Anfang an: Die Rosswag GmbH ist ein Familienbetrieb im süddeutschen Pfinztal bei Karlsruhe. Gegründet wurde das Unternehmen 1911 von Alfred Roßwag, dem Ururgroßvater des heutigen Geschäftsführers, der die Geschicke des Unternehmens mit zwei weiteren Familienmitgliedern gemeinsam lenkt. Im Studium entschloss sich Donisi zur Spezialisierung auf Strömungslehre. „Ich wollte die Anliegen und Anforderungen unserer Kunden verstehen. Ein wesentliches Geschäftsfeld ist für uns die Energiebranche. Dort haben wir es ständig mit Turbinen sowie strömenden Flüssigkeiten und Gasen zu tun. Das ist schon eine ganz eigene Welt“, bemerkt er schmunzelnd.

Dieser Weitblick ist es auch, der dafür sorgt, dass man sich bei Rosswag seit jeher mit neuen Technologien beschäftigt. „Wir versuchen, möglichst viel Wertschöpfung im Hause zu erzielen. Darum bieten wir neben dem Schmieden auch die Endbearbeitung für viele Teile mit an. Ob es das Fertigdrehen von gewalzten Ringen auf unserer großen Vertikaldrehmaschine ist oder eine 5-Achs Simultanbearbeitung, wir nutzen unser Werkstoff-Know-how bis in das Finish der Teile“, meint Gregor Graf, Leiter Engineering bei Rosswag. So wurde bereits 2013 damit begonnen das Thema Additive Fertigung in die Überlegungen miteinzubeziehen. Zunächst wurden erste Erfahrungen unter Nutzung eines Dienstleisters gesammelt, um 2014 schließlich in eine eigene Maschine zu investieren.

Das Schmiedeteil entsteht in der hauseigenen Freiformschmiede durch Auspressen eines Kernloches.

Das Schmiedeteil entsteht in der hauseigenen Freiformschmiede durch Auspressen eines Kernloches.

Gregor Graf
M.Sc., Leiter Engineering der Rosswag GmbH

„Wir helfen unseren Kunden anhand konkreter Praxisbeispiele die Möglichkeiten der Additiven Fertigung zu erkennen und damit auch Potenziale in deren eigenen Unternehmen zu identifizieren.

Flexibilität im Vordergrund

„Für uns stand Flexibilität an oberster Stelle bei der Maschinenauswahl. Wer einen Großteil seines Know-how-Vorsprunges im Material hat, der muss auch wenn es um die Additive Fertigung geht über ein Maschinekonzept verfügen, das mit dem Materialthema offen umgeht. Wir haben uns damals auch deshalb für SLM Solutions entschieden, weil bei der Steuerung der Maschine die größte Parameterbandbreite zu finden war, die adaptiert werden kann. Unser Ziel war von vornherein, in der Materialqualifizierung eigene Wege zu gehen“, erläutert der Geschäftsführer den Entscheidungsprozess.

Mit einer SLM 280 begann man zunächst anhand von Standardwerkstoffen eigene Teile zu fertigen. Im Stahlbereich wurden 1.4404 und 1.2709 getestet. Im Titanbereich legte man Ti6Al4V zugrunde und im Aluminiumumfeld wurde AlSi10Mg evaluiert. Schließlich ergänzte man das Spektrum noch um IN 718. „Mir war es wichtig, dass die Mitarbeiter den Umgang mit der Technologie mit einem breiten Materialspektrum kennenlernen. Das hilft, die Anforderungen anderer Werkstoffe besser zu verstehen und mit einem offenen Blick an die Parameterwahl heranzugehen. Unser Ziel ist es, in der Herstellung von komplexen Teilen einen Hybridfertigungsansatz zu etablieren. Das heißt für uns konkret, auf einen geschmiedeten Grundkörper zusätzliche Strukturen additiv aufzubringen und somit bisher nicht realisierbare Materialkombinationen umzusetzen oder aber auch additiv gefertigte Strukturen aus demselben Material aufzubauen, aus dem der Schmiedegrundkörper besteht“, geht Donisi ins Detail. Für dieses Verfahren wurde der Begriff ForgeBrid® ins Leben gerufen, eine Wortkombination aus Forging und Hybrid.

Der beim Auspressen entstandene Butzen kann zu Metallpulver verdüst werden. Das ermöglicht ein Aufbauen der zusätzlichen Geometrien aus demselben Material, aus dem die Trägerkomponente besteht.

Der beim Auspressen entstandene Butzen kann zu Metallpulver verdüst werden. Das ermöglicht ein Aufbauen der zusätzlichen Geometrien aus demselben Material, aus dem die Trägerkomponente besteht.

Herstellung spezieller Metallpulver

Um letzteres zu realisieren, arbeitet man mit der BluePower Casting Systems GmbH, einem nahegelegenen Hersteller von Metallverdüsungsanlagen, zusammen. Speziell in der Herstellung von Turbinenrädern mit komplexen Innengeometrien eröffnet dies bislang ungeahnte Möglichkeiten. Bislang bestand keine Möglichkeit, derartige Turbinenräder aus ein und demselben Werkstoff herzustellen. Wie bahnbrechend diese Entwicklung ist, zeigt sich darin, dass das Rosswag-Konzept sogar zu einer Patenterteilung geführt hat.

Der Maschinenpark bei Rosswag wurde mittlerweile um eine weitere SLM 280 erweitert. Die neue Maschine, die Ende 2016 in Betrieb genommen wurden, ist mit einem Dual-Laser und der verbesserten Prozessgasführung ausgestattet. Auch die bestehende Single-Laser Maschine wurde durch das verbesserte, baugleiche Modell wie die neue Maschine ersetzt.

Das Fertigungszentrum mit zwei SLM 280 Dual-Laser-Maschinen erlaubt die Herstellung von Komponenten bis zu einer Größe von etwa 280 x 280 x 350 mm.

Das Fertigungszentrum mit zwei SLM 280 Dual-Laser-Maschinen erlaubt die Herstellung von Komponenten bis zu einer Größe von etwa 280 x 280 x 350 mm.

Auf Pressen mit bis zu 3.500 t Presskraft werden die glühenden Rohlinge mit viel Erfahrung in Form gebracht.

Auf Pressen mit bis zu 3.500 t Presskraft werden die glühenden Rohlinge mit viel Erfahrung in Form gebracht.

Infos zum Anwender

Die 1911 gegründete Rosswag GmbH ist die größte Freiformschmiede Süddeutschlands und beschäftigt heute über 200 Mitarbeiter. Der Bereich Additive Fertigung wird unter der Division Rosswag Engineering geführt und bietet die gesamte Bandbreite von der Ingenieursdienstleistung über die Additive Fertigung bis zur Nachbearbeitung und Qualitätssicherung an.

Möglichkeiten ausloten

„Wir haben gerade erst begonnen, die Möglichkeiten der Technologie auszuloten. Wir arbeiten daran, unterschiedliche Themenfelder zu erschließen. Die Mitarbeiter müssen die Gelegenheit haben, die Technologie zu beherrschen. Das erfordert, dass sie Gelegenheit bekommen, auch einmal Dinge auszuprobieren, die nicht auf den ersten Blick wirtschaftlichen Nutzen bringen“, weiß Graf und ergänzt: „Erkenntnisgewinn ist in diesem Bereich der Schlüssel für zukünftigen Erfolg. So ist auch das Konzept der Hybridfertigung entstanden. Wir sind damit in der Lage, Turbinenräder mit ganz außergewöhnlichen Eigenschaften zu entwickeln. Bislang konnte man beispielsweise ins Temperaturmanagement von thermischen Turbinenrädern, wie Turboladern oder ähnlichem, nur eingeschränkt eingreifen. Mit unserer Technologie sind wir in der Lage, ganz andere Leistungswerte zur Verfügung zu stellen, indem wir effizienter kühlen können, eine bessere Dauerschwingfestigkeit bieten und auch die Masseverhältnisse besser steuern können.“

Graf weist auch ausdrücklich darauf hin, dass für die Aufgaben im Hause Rosswag die Kompetenz im Materialbereich essentiell ist. „In unserem Betätigungsfeld steht und fällt die Bauteilgüte mit der Gefügequalität. Darum betreiben wir auch erheblichen Aufwand in der Qualifizierung des Materials und in der Qualitätssicherung. Das geht von der Metallpulverprüfung über den Zugversuch bis zum Schliffbild“, schildert er das zur Verfügung stehende Leistungsspektrum.

Für Rosswag stellt die Kombination aus offenem Materialkonzept und umfangreichen Möglichkeiten in der Prozessabstimmung, wie sie von SLM Solutions geboten wird, einen wesentlichen Erfolgsfaktor dar. Die Qualifizierung eigener Werkstoffe und darauf abgestimmtes Prozess-Know-how steht für die Schmiedespezialisten ganz oben auf der Prioritätenliste. Weiß man doch bei Rosswag ganz genau: Der Erfolg liegt nicht in der Maschine allein, sondern im Verständnis des Gesamtprozesses.

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