interview
DMG MORI LASERTEC 30 SLM: Fokusthema Additive Fertigung
DMG MORI hat im Februar 50,1 Prozent der Realizer GmbH übernommen und stärkt damit die eigene Kompetenz in der Additiven Fertigung. Das Unternehmen hat damit beide wesentliche Verfahren für die generative Fertigung von Metallteilen in ihrem Produktportfolio. Wo man in naher Zukunft Schwerpunkte setzern wird, verrät Patrick Diederich, Geschäftsführer der Sauer GmbH, die im Konzern den Bereich Additive Fertigung repräsentiert.
Die Potenziale der SLM-Technologie sind immens. Viele Branchen haben dies bis dato jedoch noch nicht umgesetzt. Die Additive Fertigung ist für uns eines der Fokusthemen der Zukunft. Patrick Diederich, Geschäftsführer der Sauer GmbH
Anwendungsbeispiel Turbinengehäuse (Aerospace)
• Material: Inconel / Bronze
• Abmessung: ø 190 mm × 80 mm
• Laserauftragschweißen: 375 Min.
• Fräsbearbeitungen: 35 Min.
Herr Diederich, im Februar hat DMG MORI eine Mehrheitsbeteiligung an der Realizer GmbH bekanntgegeben und auch die Technologie ins eigene Portfolio integriert. Was waren die Beweggründe, ins Pulverbettverfahren einzusteigen?
Mit der Mehrheitsbeteiligung an der Realizer GmbH stärkt der Konzern seine Zukunftstechnologien im Bereich Additive Manufacturing. Mit dem selektiven Laserschmelzen bündelt DMG MORI die wichtigsten generativen Fertigungsverfahren für metallische Werkstoffe unter einem Dach. Wir verfügen bereits über umfassendes Know-how im Bereich des Laserauftragsschweißens mit der Pulverdüse (Laser Metal Deposition). Mit der Einbindung der Realizer-Produkte erschließen wir uns den Zugang zum Selective Laser Melting (SLM). Hierbei wird das pulverförmige Material Schicht für Schicht aufgetragen und per Laser geschmolzen. Dies ist eine ideale Ergänzung unserer Hightech-Maschinen im Bereich der Advanced Technologies.
Mit der neuen LASERTEC 30 SLM unterstreichen DMG MORI und die Sauer GmbH ihre Position als weltweit erster Komplettanbieter in der Additiven Fertigung bei Hybrid- und selektiven Laserschmelzmaschinen.
In der LASERTEC 30 SLM wurde die SLM 300i von Realizer im Design an den DMG MORI Look angepasst. Wurden auch technische Anpassungen vorgenommen, und welche?
Der technische Reifegrad der SLM 300i war bereits auf einem sehr hohen Niveau, sodass wir nur wenige technische Modifikationen an der Maschine vorgenommen haben. Unserem First Quality Standard folgend haben wir zunächst umfangreiche Tests an der Maschine vorgenommen. Zeitgleich erfolgten die Dokumentation der Ergebnisse, die Erstellung eines Servicekonzeptes sowie der Aufbau einer qualifizierten Anwendungsunterstützung. Der letzte Schritt beinhaltete die Integration der Maschine in die eigene Zuliefererkette.
Die LASERTEC 30 SLM verfügt über ein Pulverbett mit einem Bauvolumen von 300 × 300 × 300 mm.
Wird künftig die Maschinensteuerung der LASERTEC 30 SLM an den DMG MORI Standard angepasst? Stichwort: Industriesteuerung. Integration in CELOS® etc.?
Die Steuerung basiert auf einer maßgeschneiderten Industrielösung, die von Realizer speziell für die Pulverbettmaschinen entwickelt wurde. Die Integration in CELOS® wird in einem 2. Schritt erfolgen.
Mit der LASERTEC 65 3D hat DMG MORI das generative Laseraufbauverfahren in eine vollwertige 5-Achs-Fräsmaschine integriert.
Die Industrie fordert ständig schnellere, größere und günstigere Maschinen für die Metall-Additive Fertigung. Wo sehen Sie die wesentlichen Entwicklungspotentiale und Trends?
Multi-Laser-Anwendungen oder größere Baufelder gehören zu den Entwicklungsthemen, um eine noch höhere Produktivität zu erreichen. Auch Automatisierungslösungen stehen im Fokus. Hierfür ist speziell die Prozessverkettung maßgeblicher Bestandteil, die sowohl hardware- als auch softwareseitig durchgängig abzubilden ist. Dabei darf man jedoch nicht das sichere Pulvermanagement vernachlässigen. Mit dem Pulvermodul haben wir hier eine intelligente und flexible Lösung gefunden.
Die Kombination des Laserauftragsschweißens mit der spanenden Bearbeitung auf einer Maschine ermöglicht völlig neue Anwendungs- sowie Geometriemöglichkeiten.
Welche Klientel möchten Sie mit der LASERTEC Additive Manufacturing-Baureihe konkret ansprechen? Welche Branchen stehen im Fokus?
Die LASERTEC 65 3D Hybrid ist eher für größere Teile mit einem größeren Bauraum geeignet. Die Kombination des Laserauftragsschweißens mit der spanenden Bearbeitung auf einer Maschine erschließt hier völlig neue Anwendungs- sowie Geometriemöglichkeiten. Unter anderem ermöglicht die eingesetzte Pulverdüsen-Technologie das gezielte Aufbauen von additiven Features auf bestehende Grundkörper oder Halbfertigerzeugnisse bis hin zu Multi-Material Anwendungen. Insbesondere große Bauteile lassen sich mit dieser Hybridlösung kostengünstig herstellen. Der flexible Wechsel zwischen Laser- und Fräsbearbeitung ermöglicht zudem die direkte Bearbeitung von Bauteilsegmenten. Das betrifft vor allem Branchen wie Aerospace und Medizintechnik, in denen hochkomplexe und hochpräzise Bauteile gefertigt werden.
Durch die Erweiterung unseres Produktportfolios sprechen wir jetzt auch Kunden an, die kleinere, filigrane Bauteile herstellen möchten. Durch unser intelligentes Pulvermodulkonzept, welches einen schnellen Werkstoffwechsel unter zwei Stunden ermöglicht, eignet sich die LASERTEC 30 SLM vor allem für Kunden, die die Maschine flexibel einsetzen möchten. So können Bauteile aus unterschiedlichen Werkstoffen innerhalb kürzester Zeit auf derselben Maschine aufgebaut werden.
Maßgeblich ist es aber, dass DMG MORI als Werkzeugmaschinenhersteller die gesamte Prozesskette inklusive der nachgelagerten Bearbeitung der Bauteile im Fokus hat und damit als Vorreiter eine durchgängige Lösung anbietet.
Beim Laseraufbauverfahren mittels Metallpulverdüse können unterschiedliche Materialien kombiniert werden.
Viele Hersteller suchen sich ihre Vorzeigekunden im Bereich Automotive und Aerospace. Welchen Stellenwert hat für Sie als Werkzeugmaschinenhersteller im Bereich der AF der allgemeine Maschinenbau? Ist da Aufholbedarf?
Die Potenziale der SLM-Technologie sind immens. Viele Branchen haben dies bis dato jedoch noch nicht umgesetzt. Die additive Fertigung ist für uns eines der Fokusthemen der Zukunft. So haben wir bereits konzernweit angefangen, die ersten Bauteile umzukonstruieren, um so in unseren Maschinen die vielfältigen Möglichkeiten der Technologie auszunutzen. In naher Zukunft werden immer mehr SLM-Bauteile integriert, welche wir auf unseren eigenen Maschinen produzieren. Damit wollen wir natürlich auch Impulse für andere Industriezweige setzen und ein Umdenken in Richtung additiver Fertigung bewirken.
In welche Richtung gehen die Entwicklungsbestrebungen seitens DMG MORI im Bereich Additiver Fertigung? Zielt es mehr in Richtung Maschinentechnologie oder eher in Richtung Prozessintegration?
Beide Themen dürfen nicht einzeln betrachtet werden. Nur das Zusammenspiel beider Disziplinen bringt den größten Kundennutzen.
Wie sehen Sie die Bestrebungen, Additive Fertigungsmaschinen in die konventionelle Serienfertigung zu integrieren? Gibt es seitens DMG MORI diesbezüglich Konzepte?
Um die additive Fertigung fest in der Produktion zu etablieren, ist die Integration in bestehende Produktionssysteme bzw. Prozessketten essentiell – besonders, wenn der Schritt von der Prototypen- und Kleinserienfertigung zur Serienfertigung gelingen soll.
Aus diesem Grund legen wir besonderen Wert auf die Verknüpfung und Automatisierung der Prozesskette. Mit dem Hybridkonzept unserer LASERTEC 65 3D haben wir exklusiv in Zusammenarbeit mit Siemens NX auch direkt eine ganzheitliche CAD/CAM Lösung entwickelt und werden diese Thematik nun auch für das Pulverbett vorantreiben. Zudem bietet DMG MORI natürlich auch vielfache Möglichkeiten zur spanenden Nachbearbeitung und Automatisierung.
Bei Maschinen im Pulverbettverfahren sind nach heutigem Stand noch relativ viele manuelle Tätigkeiten erforderlich. Wird es aus Ihrer Sicht mittelfristig möglich sein, Pulverbettanlagen in eine automatisierte Fertigung zu integrieren?
Schon heute hat das Thema Automatisierung bei der Produktentwicklung einen maßgeblichen Einfluss. Mittelfristig werden die SLM-Maschinen vollautomatisiert in den Produktionsprozess eingebunden werden. Deshalb spielt das Thema eine gewichtige Rolle bei der Entwicklung zukünftiger Pulverbettmaschinen-Konzepte.
In der Industrie ist der Wunsch erkennbar, Technologien zu kombinieren, um dadurch Rüstzeiten zu sparen. Mit der LASERTEC 65 3D hybrid haben sie da ja durchaus eine Vorreiterrolle eingenommen. Sehen Sie Hybridisierung auch mit Pulverbettkonzepten als zielführend? Wird in diese Richtung entwickelt?
Die Vorteile wie bei der Pulverdüse sind unseres Erachtens im Pulverbett nicht gegeben. Der Fokus sollte vielmehr auf der Verkettung der Prozesse liegen, als sie in einer Maschine zu kombinieren.
Welche Strategie verfolgen Sie im Hinblick auf die Nebendisziplinen wie Auspacken, Abtrennen von der Bauplattform, Supportentfernung und thermischer Nachbehandlung?
Wir wollen unseren Kunden ganzheitliche Lösungen für die Herstellung von additiven Bauteilen bieten. Dazu gehört natürlich auch die Flexibilität in der Nachbearbeitung. Der Kunde soll dabei zwischen manuellen und automatisierten Lösungen wählen können. Die LASERTEC 30 SLM bietet jedoch auch die Möglichkeit, das Bauteil im Bauraum auszupacken. Damit entfällt die Notwendigkeit einer separaten Auspackstation.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen in der Additiven Fertigung von Metallteilen in der nahen Zukunft?
Für die Etablierung als gängiges Fertigungsverfahren bei der Serienfertigung spielt natürlich auch die Wirtschaftlichkeit eine wichtige Rolle. Ganz entscheidend ist es, das Bewusstsein für die Möglichkeiten der additiven Fertigung zu schärfen. Dies fängt bei der Konstruktion von Bauteilen an und zieht sich durch den gesamten Produktlebenszyklus. Nur so kann man das riesige Potential ausschöpfen.
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