anwenderreportage

Genera G2: Vernetzte Kompetenz

Als Entwicklungsdienstleister bietet die KTM Technologies GmbH Lösungen für unterschiedliche Branchen und Anwendungen. Additiv gefertigte Auflage-Pads für Orthesen aus einer adaptiven Gitterstruktur, die auf Maschinen der Genera Printer GmbH hergestellt werden, zeigen eindrucksvoll wie sich die Technologie auf weitere Anwendungsfelder übertragen lässt. Von Georg Schöpf, x-technik

Die Additive Fertigung ermöglicht es, Orthesen genau an die Bedürfnisse des Trägers anzupassen – sowohl funktional als auch den Tragekomfort betreffend. Außerdem ist es dadurch möglich, die Orthesen viel schneller bereitzustellen. (Bild: Pohlig)

Die Additive Fertigung ermöglicht es, Orthesen genau an die Bedürfnisse des Trägers anzupassen – sowohl funktional als auch den Tragekomfort betreffend. Außerdem ist es dadurch möglich, die Orthesen viel schneller bereitzustellen. (Bild: Pohlig)

Die G2 und F2-Kombination von Genera

Das System ist auf eine Serienproduktion mit integrierter Automation ausgelegt. Die Fertigungszelle G2 verfügt über einen Bauraum von 384 x 216 x 320 mm (x/y/z) bei einer Belichtungseinheit mit 3.840 x 2.160 4k Bildpunkten. Die Auflösung kann zwischen 40 und 100 µm gewählt werden. Das System erreicht damit eine Belichtungsintensität von bis zu 20 mW/cm² und eine Aufbauleistung von bis zu 3 mm/min. Die Bauplattform mit automatischem Plattformwechsel wird nach dem Baujob in einem Transport-Shuttle abgelegt. In der direkt verknüpfbaren F2 Finisher-Einheit wird dieser Transport-Shuttle übernommen. Die Bauteilreinigung erfolgt noch im Shuttle. Danach wird die Bauplattform zur Nachbelichtung in die Post-Curing Chamber eingelegt. Auch eine Abtrennung von der Bauplattform kann automatisch erfolgen. Somit ist die Kombination aus den beiden Einheiten G2 und F2 perfekt für eine kontinuierliche Teilefertigung geeignet.

Begonnen hat die Geschichte der KTM Technologies GmbH mit der Entwicklung des KTM X-Bow. Dieses, wie eine futuristische Mischung zwischen Formel-1 Boliden und Cabrio anmutende Fahrzeug, ist ein Paradebeispiel für modernen Leichtbau. Es wurden darin sämtliche zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Methoden angewendet, um Rennsporttechnologie in ein straßenverkehrstaugliches Fahrzeug zu integrieren. Die Abteilung bei KTM, die diese Aufgabe stemmte, wurde im Jahre 2008 zur eigenständigen GmbH und als Schwester von KTM und Kiska Teil der Pierer Mobility AG. Ziel ist es, mit KTM Technologies Dienstleistungen sowie Forschungs- und Entwicklungsleistungen für den eigenen Konzern und für externe Kunden anzubieten. Aber auch Eigenentwicklungen stehen auf der Agenda des knapp 120 Mitarbeiter großen Teams. Dabei unterteilen sich die Aufgabenfelder in die Bereiche Konzept und Engineering, Elektrik, Elektronik und Software, Simulation sowie Technologie und Forschung.

„In unserem Tätigkeitsfeld suchen wir immer nach den besten Lösungen und Verfahren, um die Ideen und Entwicklungen unserer Kollegen und Kunden umzusetzen. Seit knapp drei Jahren nutzen wir dazu auch die Möglichkeiten der Additiven Fertigung. Unser Fokus liegt dabei auf dem Kunststoff-3D-Druck. Allerdings haben wir in der Gruppe Zugriff auf die unterschiedlichsten Technologien. Zum einen agieren wir mit der Additiven Fertigung als interner Dienstleister für Komponenten, Prototypen und die Werkzeugherstellung, zum anderen bieten wir unser Know-how auch externen Kunden an. Zeitgleich arbeiten wir intensiv mit Materialherstellern zusammen, um festzustellen, welche Materialien und Prozesse für die Additive Fertigung zur Verfügung stehen und um diese zu qualifizieren“, erzählt Florian Otzmann, Senior Engineer Additive Fertigung bei KTM Technologies.

Um Gitterstrukturen in bestehende Geometrien zu integrieren, ist es erforderlich, das Gitter der Geometriekontur folgen zu lassen. Eine Kernaufgabenstellung, die bei  KTM Technologies in der Abteilung für Strukturoptimierung erfolgreich gelöst wurde. (Bild: KTM Technologies)

Um Gitterstrukturen in bestehende Geometrien zu integrieren, ist es erforderlich, das Gitter der Geometriekontur folgen zu lassen. Eine Kernaufgabenstellung, die bei KTM Technologies in der Abteilung für Strukturoptimierung erfolgreich gelöst wurde. (Bild: KTM Technologies)

Shortcut

Aufgabenstellung: Erstellung von Auflage-Pads für Orthesen in Gitterstruktur.
Material: Speziell entwickeltes, dauerelastisches Photopolymer.
Lösung: Adaptive Gitterstrukturen, die mit einem Genera G2 3D-Drucker im DLP-Verfahren gefertigt werden.
Nutzen: Schnelle Herstellung individuell angepasster Auflage Pads. Vermeidung von Schweißbildung durch Hinterlüftung. Erhöhter Tragekomfort.

Interdisziplinäres Arbeiten

Die besondere Stärke der Ingenieure bei der Salzburger Technologieschmiede liegt im Zusammenwirken unterschiedlicher Aspekte in der Produktentwicklung, erklärt Otzmann: „Wir haben eben nicht nur die Kompetenz im Produktdesign, sondern sind mit unseren Werkzeugen und Lösungen, insbesondere auch mit unserer hauseigenen Simulationslösung in der Lage, ein Produkt von Grund auf entlang eines Anforderungsprofils zu entwickeln. Das beinhaltet auch die Optimierung hinsichtlich Funktion und Gewicht sowie die Kombination unterschiedlichster Fertigungstechnologien. Das gibt uns die Möglichkeit, unser Know-how auf unterschiedlichste Problemstellungen hin anzuwenden und auch auf weitere Anwendungsfelder zu übertragen. “

Klar erkennbar wird diese Kompetenz in einem Projekt zusammen mit der Pohlig GmbH, die Spezialist im Bereich der Kinderorthopädietechnik ist. Den Einstieg in dieses Projekt erlaubte eine Konzeptstudie zum Thema Nutzung von Gitterstrukturen zur Minimierung von Druckstellen. Grundlage dieser Konzeptstudie war eine AR-Brille (AR: Augmented Reality). Bei der vorliegenden Brille bestand die Schwierigkeit darin, dass einige Komponenten der Brille bei langer Nutzung sehr warm wurden. Das führte dazu, dass auch die Auflagepolster, die direkten Hautkontakt hatten, mit der Zeit immer wärmer wurden und neben unangenehmem Schwitzen auch zu beträchtlichen Hautirritationen führten.

Die Idee war, diese Komponenten durch Pads zu ersetzen, die aus einer Gitterstruktur bestehen, die eine gute Hinterlüftung ermöglichen und so keinen Wärmestau mehr verursachen können.

Die Maschinen von Genera sind so aufgebaut, dass sie eine kontinuierliche Teileproduktion ermöglichen, weil Prozessbereich, Reinigung und Curing über eine Automationslösung verknüpft werden können. (Bild: Genera)

Die Maschinen von Genera sind so aufgebaut, dass sie eine kontinuierliche Teileproduktion ermöglichen, weil Prozessbereich, Reinigung und Curing über eine Automationslösung verknüpft werden können. (Bild: Genera)

Zusammen mit Genera werden neue Werkstoffe entwickelt, die genau auf die jeweiligen Anforderungen in der Anwendung abgestimmt sind. (Bild: Genera)

Zusammen mit Genera werden neue Werkstoffe entwickelt, die genau auf die jeweiligen Anforderungen in der Anwendung abgestimmt sind. (Bild: Genera)

Florian Otzmann
Senior Engineer, Additive Fertigung bei der KTM Technologies GmbH

„Die Kombination aus professionellen Systemlösungen und wissenschaftlich fundierter Materialentwicklung ermöglicht uns die Erschließung neuer Anwendungsfelder und den Aufbau wertvoller Partnerschaften.“

Neugestaltung von Geometrien

„Vordergründig könnte man denken, dass man dazu ja lediglich eine bestehende Gitterstruktur mit einem Volumen verschneiden muss. Das führt aber dazu, dass man an vielen Stellen offene Enden des Gitters bekommt, die man dann manuell an die umgebenden Geometrien anbinden müsste. Das ist nicht praktikabel und liefert auch Unregelmäßigkeiten im mechanischen Verhalten des Bauteils. Zudem hätte man so kaum die Möglichkeit die mechanischen Eigenschaften der Gitterstruktur gezielt zu engineeren.“ David Marschall, Gruppenleiter der Strukturoptimierung bei KTM Technologies, hat sich mit dieser Problemstellung bereits in der Vergangenheit intensiv auseinandergesetzt. Die so entstandene Lösung ermöglicht es dem Ingenieur eine Gitterstruktur anhand von vorgegebenen Randbedingungen wie Steifigkeit, Lastorientierung und Flexibilität in eine bestehende Geometrie nahtlos zu integrieren. Zudem ist es möglich, die Eigenschaften jeder einzelnen Zelle in der erstellten Gitterstruktur exakt zu definieren.

„Das hat schließlich dazu geführt, dass wir anhand eines Scans der ursprünglichen Komponenten in Verbindung mit der Neugestaltung in Gitterbauweise eine definierte Geometrie zur Verfügung hatten, die wir exakt auf unsere Anforderungen anpassen konnten. Allerdings hat sich herausgestellt, dass wir mit den bestehenden Verfahren und Materialien, die wir im Hause haben, nicht in der Lage waren, die Teile in zufriedenstellender Qualität herzustellen. Die Materialien hatten entweder hinsichtlich Hautverträglichkeit oder aber Beständigkeit und Haltbarkeit Einschränkungen“, erinnert sich Otzmann.

Die Gitterstruktur in den Auflagepads ermöglicht eine Hinterlüftung, die Schweißbildung verhindert. Dadurch entsteht ein angenehmes Hautgefühl. (Bild: Pohlig)

Die Gitterstruktur in den Auflagepads ermöglicht eine Hinterlüftung, die Schweißbildung verhindert. Dadurch entsteht ein angenehmes Hautgefühl. (Bild: Pohlig)

Auflagepads in Orthesen dienen dazu, den Tragekomfort zu erhöhen und Druckstellen zu verhindern. Dazu müssen sie die richtige Kombination aus Flexibilität und Stabilität aufweisen. (Bild: Pohlig)

Auflagepads in Orthesen dienen dazu, den Tragekomfort zu erhöhen und Druckstellen zu verhindern. Dazu müssen sie die richtige Kombination aus Flexibilität und Stabilität aufweisen. (Bild: Pohlig)

Christian Kienzle
Geschäftsführer der Pohlig GmbH

„Die Additive Fertigung ermöglicht uns in der Orthopädietechnik unseren Patienten individuelle Lösungen innerhalb kürzester Zeit zur Verfügung zu stellen.“

Angepasste Materialien im Einsatz

Deshalb wurde nach einem Lösungspartner gesucht, der die Anforderungslücken schließen konnte. Dieser wurde schließlich in der Kooperation mit dem Wiener Druckerhersteller Genera und dem gemeinsamen Materialentwicklungspartner BASF gefunden. „Mit unserer Labormaschine sind wir in der Lage, unterschiedlichste Materialien sehr schnell und lösungsorientiert zu qualifizieren. Damit ist es uns möglich, auch in kurzen Iterationszyklen auf Änderungen und Anpassungswünsche einzugehen“, erklärt Klaus Stadlmann, Geschäftsführer der Genera Printer GmbH. So wurden entsprechend dem Anforderungsprofil von KTM Technologies Auflage-Pads aus einem neu entwickelten Material hergestellt und im Juli 2019 die ersten Pads auf der Genera G2–Maschine beim Druckerhersteller aufgebaut.

„Die neuen Pads haben alle Anforderungen bestens erfüllt. Die Gitterstrukturen wurden perfekt umgesetzt. Minimale Auflageflächen, präzise definierte Gitterzellen und eine perfekte Konvektion verhindern den Wärmefluss von der AR-Brille zur Haut. Dadurch besteht optimaler Tragekomfort und Hautirritationen werden vermieden“, bestätigt Otzmann.

„Durch Martin Schöppl, den zweiten Geschäftsführer von Genera, entstand dann der Kontakt zu uns“, erzählt Christian Kienzle, Geschäftsführer der Pohlig GmbH. „Dieser erkannte die Möglichkeit, dass in der Zusammenarbeit mit den Ingenieuren von KTM Technologies und unseren Produktentwicklern in Kombination mit den Fertigungslösungen von Genera ein Mehrwert für unsere Orthopädietechniklösungen entstehen kann. “

Infos zum Anwender

Die KTM Technologies GmbH mit Sitz in Anif bei Salzburg ist als Teil der Pierer Mobility AG Dienstleister für Technologieentwicklung, Auslegung, Prozess- und Bauteilentwicklung für die Unternehmen der Gruppe aber auch externe Kunden bekannt. Die Aufgabenfelder des knapp 120 Mitarbeiter großen Teams unterteilen sich in die Bereiche Konzept und Engineering, Elektrik, Elektronik und Software, Simulation sowie Technologie und Forschung.

Mehrwert für den Patienten

„Bislang werden Auflage-Pads für Orthesen aus Silikon gegossen. Das funktioniert zwar gut, hat aber den Nachteil, dass diese Pads, die dazu dienen Druckstellen zu vermeiden, eine größere Auflagefläche benötigen, was zu Schwitzen und Hautirritation führt – also ganz ähnlich wie bei der AR-Brille. Zunächst war unsere Intention, einfach nur für die Messe etwas Neues, Ausgefallenes zu kreieren. Es hat sich aber herausgestellt, dass die additiv gefertigten Auflage-Pads noch weitere Vorteile mit sich bringen“, geht Kienzle ins Detail und erklärt: „Die Funktion und Wirksamkeit einer Orthese gewinnt durch eine genaue Anpassung an den Patienten, was eine Individualisierung erfordert. Für gegossene Silikonpads müsste dafür allerdings immer eine eigene Form erstellt werden, sodass man zwangsläufig versucht mit möglichst vielen ähnlichen oder gleichen Teilen zurechtzukommen. “

„Wir können nun viel individueller arbeiten und Speziallösungen für unsere Patienten anbieten. Zudem lassen sich additiv gefertigte Pads in gleichbleibender Qualität unbegrenzt reproduzieren. Aktuell ist es so, dass wir zunächst die erforderliche Geometrie abnehmen, die Orthese in Printtechnik erstellen und anschließend am Patienten anpassen, was eben auch die Anbringung entsprechender Auflage-Pads erfordert. Werden nun sowohl die Orthese als auch die individualisierten Auflage-Pads additiv hergestellt, können die Patienten, die ja aus ganz Deutschland kommen, ihre Orthese in Zukunft direkt nach dem Aufenthalt bei uns mit nach Hause nehmen“, prognostiziert Kienzle und fasst zusammen: „Es ist schon erstaunlich, welche Mehrwerte entstehen können, wenn sich Unternehmen aus verschiedenen Themenfeldern und Branchen zu einer Kooperation zusammenschließen. Binnen kürzester Zeit können solche Synergien neue Wege eröffnen und Innovationen antreiben. Die additiv hergestellten Orthesenkomponenten in Zusammenarbeit mit KTM Technologies und Genera sind hierfür das beste Beispiel. “

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