anwenderreportage

voxeljet VX1000: Kunst in einem Guss

Wer kennt nicht Skulpturen und Kunstwerke aus Bronze. Ob im öffentlichen Raum oder in Ausstellungen. Die Strassacker Kunstgießerei vollbringt dabei die Umsetzung immer komplexerer und aufwendigerer Kunstwerke. Die Additive Fertigung in Zusammenarbeit mit voxeljet ist dafür seit über 15 Jahren ein wertvolles Hilfsmittel.

Für die beiden Kunstwerke Kinetic Assembly Structure von Peter Mühlhäußer und Infiniala von Sergej Ehret wurden Urformen aus PMMA gedruckt, die danach in Bronze abgegossen wurden.

Für die beiden Kunstwerke Kinetic Assembly Structure von Peter Mühlhäußer und Infiniala von Sergej Ehret wurden Urformen aus PMMA gedruckt, die danach in Bronze abgegossen wurden.

Shortcut

Aufgabenstellung: Erstellung von Positivformen aus PMMA für die Weiterverarbeitung im Kunstguss.
Material: PMMA (Poly-Methyl-Methacrylat) in Verbindung mit Furanbinder.
Lösung: Nahezu rückstandsfrei ausbrennbare Formpositive, die direkt abgegossen werden können.
Nutzen: Umsetzung von Geometrien mit Hinterschneidungen, die sich mit konventionellen Abformmethoden nicht herstellen lassen.

Heiß geht es her, wenn bei der Kunstgießerei Ernst Strassacker GmbH & Co. KG im schwäbischen Süßen das flüssige Metall in die bereitgestellten Formen fließt. Von kleinsten Skulpturen und Grabschmuck, mit dem man sich seit Gründerzeiten beschäftigt, bis zu über 30 Meter hohe Monumentalskulpturen werden in dem 1919 gegründeten Familienunternehmen aus unterschiedlichen Bronzen, Aluminium und Sonderlegierungen gegossen. Als Familienunternehmen legt man großen Wert auf individuelle Projektbetreuung und versucht, den auch noch so ausgefallenen Wünschen der Kunden gerecht zu werden. Namhafte Künstler mit Weltruf zählen ebenso zu den Auftraggebern wie kleine Künstler, die ihre ersten Schritte in der Umsetzung ihrer Skulpturen und Plastiken durch gießtechnische Verfahren machen. „Wir nehmen jedes Projekt ernst und wichtig“, meint dazu Peter Mühlhäußer, Leiter Vertrieb, Marketing und Innovationen in der Manufaktur Strassacker, einem Unternehmensbereich der Kunstgießerei, die sich mit der Betreuung von individuellen Künstlerprojekten beschäftigt. Mühlhäußer ist selbst Künstler und hat als gelernter Marmorbildhauer und Master of Fine Art früher auch bei Strassacker gießen lassen. Schon damals hat er die kompetente und kooperative Arbeit von Strassacker schätzen gelernt.

Im Digitalatelier bei Strassacker stehen modernste Technologien für die digitale Erfassung und Bearbeitung von Kunstobjekten zur Verfügung.

Im Digitalatelier bei Strassacker stehen modernste Technologien für die digitale Erfassung und Bearbeitung von Kunstobjekten zur Verfügung.

Peter Mühlhäußer
Leiter Vertrieb, Marketing und Innovationen in der Manufaktur Strassacker

„Mit den Urformen aus PMMA, die wir bei voxeljet drucken lassen, sind wir in der Lage Geometrien zu gießen, die mit herkömmlichen Abformungsmethoden nicht umsetzbar sind. Dadurch sind unsere Kunden in der Lage, ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen.“

Das Endergebnis im Sinn

„Ein Künstler sieht in erster Linie sein Kunstwerk. Dabei hat er ein Bild im Sinn, wie das Exponat am Ende aussehen soll. Oft gelingt es den Künstlern nur schwer auszudrücken, wie das im Detail aussehen soll. Wie sich das schließlich im Guss umsetzen lässt, damit beschäftigen sich die Künstler meist nicht. Mit unserer Erfahrung und anhand von Beispielen führen wir dann an die Umsetzung heran. Dabei kommen oft Anforderungen zutage, die sich mit konventioneller Gießereitechnik nur mit enormem Aufwand umsetzen lassen“, weiß Mühlhäußer. Dabei mangelt es bei Strassacker beileibe nicht an Möglichkeiten und Erfahrung. So gut wie jede denkbare Gießtechnik, die vom Feinguss bis zum großformatigen Guss für Einzelstücke oder kleine bis mittlere Serien zum Einsatz kommen, ist in den historisch stetig gewachsenen Fertigungshallen verfügbar.

Je nach Aufgabenstellung wird auf die jeweils am besten geeignete Technologie zurückgegriffen. Dabei spielen sowohl das zu vergießende Material wie auch die Komplexität der zu erschaffenden Skulptur eine entscheidende Rolle.

„Im Kunstguss haben wir es oft mit Geometrien zu tun, die viele Hinterschneidungen, Durchbrüche oder Kavitäten haben, die sich mit gängigen Abformungsmethoden nicht realisieren lassen. Bei herkömmlicher Abformung wird von einem Urmodell, das der Künstler in irgendeinem anderen Werkstoff, z. B. Ton oder Holz, herstellt, häufig mit Silikon eine Negativform erstellt. In diese wird dann Wachs gegossen. Wir sagen dazu, dass ein Wachsrohling gezogen wird. Dieses Wachsmodell wird dann mit Angüssen, Steigern und Entlüftungen aus Wachs ergänzt. Dieses Gussmodell wird mit Keramikschlicker überzogen, besandet und danach gebrannt. So entsteht die eigentliche Gießform, die nach Ausschmelzen des Wachses für den Metallguss verwendet wird“, geht Mühlhäußer ins Detail.

Da man bei Strassacker schon immer offen für Innovationen war, hat man schon früh das Thema 3D-Druck evaluiert und damit begonnen, Urformen für kleinere Exponate über Wachsdruck, Photopolymerdruck und Lasersintern zu erstellen. Mit Eintritt von Peter Mühlhäußer ins Unternehmen im Jahre 2016 wurde das Thema intensiviert und die Modellaufbereitung über digitale Verfahren weiter etabliert. Diese Veränderung führte dazu, dass die Möglichkeiten, Modelle umzusetzen, enorm stiegen. Gleichzeitig wuchsen damit aber auch die Anforderungen, in der Formerstellung neue Wege zu gehen.

Beim Metallguss geht es heiß her. Mit über 900 °C fließt die geschmolzene Bronze in die Form.

Beim Metallguss geht es heiß her. Mit über 900 °C fließt die geschmolzene Bronze in die Form.

Die Kinetic Assembly Structure von Peter Mühlhäußer musste für den Guss in drei Teile aufgetrennt werden. Diese wurden in PMMA gedruckt, mit den erforderlichen Angüssen versehen und im Keramikmantel gegossen. Anschließend wurden die drei Elemente zusammengeschweißt.

Die Kinetic Assembly Structure von Peter Mühlhäußer musste für den Guss in drei Teile aufgetrennt werden. Diese wurden in PMMA gedruckt, mit den erforderlichen Angüssen versehen und im Keramikmantel gegossen. Anschließend wurden die drei Elemente zusammengeschweißt.

Nach dem Strahlen erkennt man die relativ glatte Oberflächenstruktur des PMMA-Teils

Nach dem Strahlen erkennt man die relativ glatte Oberflächenstruktur des PMMA-Teils

Das mit Wachs imprägnierte Modell wird mit Angüssen und Entlüftungen versehen.

Das mit Wachs imprägnierte Modell wird mit Angüssen und Entlüftungen versehen.

Ein Überzug aus Keramikschlicker und Sand bettet das Wachsmodell ein. Durch Ausschmelzen entsteht eine gießfähige Hohlform, die in Sand eingebettet wird, um die Form zu stützen.

Ein Überzug aus Keramikschlicker und Sand bettet das Wachsmodell ein. Durch Ausschmelzen entsteht eine gießfähige Hohlform, die in Sand eingebettet wird, um die Form zu stützen.

Johanna Tesfu
Manager On-demand-printing bei voxeljet

„3D-Druck wird oft mit hochtechnologischen Anwendungen in Verbindung gebracht. In der Arbeit mit Strassacker können wir zeigen, dass unsere Technologie viel mehr kann und damit auch außergewöhnliche Kunstobjekte umgesetzt werden können.“

Gewachsene Kooperation

Bereits vor etwa 15 Jahren begann die Zusammenarbeit mit dem Dienstleistungszentrum von voxeljet. „Eines unserer ersten Projekte war eine einfache Form für eine Figur, um festzustellen, ob die Technologie hält, was sie verspricht“, erinnert sich Johanna Tesfu, die bei voxeljet als Manager On-demand-printing in der weltweiten Projektbetreuung tätig ist. Seitdem wurden zahlreiche Projekte gemeinsam umgesetzt. Schon seit Beginn der Zusammenarbeit werden Positivformen aus PMMA (Polymethylmethacrylat) erstellt, die teilweise bereits mit den erforderlichen Angüssen versehen gedruckt werden und bei Strassacker nur noch den letzten Schliff bekommen, um dann wie bereits beschrieben mit Keramikschlicker und Sand benetzt zu werden. Oder es wird nur die eigentliche Skulptur gedruckt und in der Gießerei um die erforderlichen Zusätze ergänzt. Eine weitere Möglichkeit, die seit 2019 genutzt wird, ist, die Negativformen direkt aus Sand zu drucken. Diese erfordern dann nur mehr wenig Vorbereitung für den Guss. „Wir erhalten durch die Zusammenarbeit mit voxeljet maximale Freiheit in der Vorbereitung des Gusses. Das ermöglicht es uns, den Künstlern, die bei uns gießen lassen, immer bessere Ergebnisse zu liefern. Außerdem können wir dadurch sehr aufwendige und scheinbar unmögliche Projekte umsetzen“, freut sich Mühlhäußer.

Nach dem Guss wird der Gussrohling von den Formresten befreit. danach werden die Gießkanäle abgetrennt.

Nach dem Guss wird der Gussrohling von den Formresten befreit. danach werden die Gießkanäle abgetrennt.

Die Kinetic Assembly Structure ist nach dem Zusammenfügen der drei gegossenen Elemente fast einen Meter hoch.

Die Kinetic Assembly Structure ist nach dem Zusammenfügen der drei gegossenen Elemente fast einen Meter hoch.

Die Infiniala-Skulptur von Sergej Ehret ist in Wirklichkeit ein Hocker. Mit herkömmlichen Abgussmethoden wäre er nicht herstellbar.

Die Infiniala-Skulptur von Sergej Ehret ist in Wirklichkeit ein Hocker. Mit herkömmlichen Abgussmethoden wäre er nicht herstellbar.

Eingehüllt in Keramik und besandet ist die Form gießfertig. Sie muss zuvor nur noch in Sand eingebettet werden.

Eingehüllt in Keramik und besandet ist die Form gießfertig. Sie muss zuvor nur noch in Sand eingebettet werden.

Infos zum Anwender

Als kompetenter Partner für Bildhauer, Architekten, Unternehmen und öffentliche Auftraggeber sichert sich Strassacker durch höchste Qualität, jahrzehntelange Erfahrung und die stetige Ausbildung von Kunsthandwerkern in traditionellen Kunsthandwerkstechniken sowie neuen Technologien auch langfristig die Bedeutung als Kunstgießerei für höchste Ansprüche der zeitgenössischen Kunst. 1919 beschloss Ernst Strassacker, gelernter Ziseleur und Galvanotechniker, sich mit einer Buchstaben- und Grabschmuckproduktion selbstständig zu machen und ließ die „Kunstgewerblichen Werkstätten und Bronzegießerei“ in seinem Wohnort Süßen in Baden-Württemberg (D) eintragen.

Die Firma wuchs und machte sich bald auch bei Bildhauern einen Namen, die in Schwaben ihre Arbeiten fertigen ließen. Ernst Strassacker erhielt mehrere Aufträge für Monumentalskulpturen, zum Beispiel für die Weltausstellung in Paris 1937. Die Familie Strassacker arbeitete beharrlich am Ausbau des Unternehmens. Die wachsende Nachfrage an Mahnmalen, Denkmalen und Kunst am Bau verhalfen dem Kunstguss zur Blüte. Heute arbeiten bei Strassacker 330 Gussspezialisten auf 10.000 m² Produktionsfläche.

Zu komplex für herkömmliche Verfahren

Anschaulich werden diese erweiterten Möglichkeiten bei den beiden Projekten Infiniala und Kinetic Assembly Structure. Beide Projekte zeichnen sich durch hohe Komplexität aus und haben Geometrien, die sich mit herkömmlichen Abgussverfahren nicht realisieren lassen. „In beiden Fällen wurde das Modell bei uns auf einer voxeljet VX1000 in PMMA unter Verwendung eines Reaktivbinders gedruckt. Die Kinetic Assembly Structure wurde dazu in Unterkomponenten zerlegt, weil die Skulptur auch im Guss nur sehr schwer in einem Stück gießbar gewesen wäre. Die PMMA-Teile wurden dann in einem Wachsbad getränkt, um eine möglichst glatte Oberfläche zu erzielen“, erklärt Tesfu und ergänzt: „Im Kunstguss kommt das häufig vor, dass die Objekte nicht in einem Stück gegossen werden, sondern in Teilkomponenten, die nachher zusammengefügt werden.“ Mühlhäußer bestätigt: „Handelt es sich um große, komplexe Geometrien mit feinen Strukturen, dann ist immer zu berücksichtigen, dass die Schmelze alle Hohlräume erreichen muss. Das erfordert ein ausgeklügeltes System an Angüssen, Steigern und Entlüftungen, damit sich die Schmelze gut verteilt. Manchmal allerdings würden die Fließwege zu lang werden. Dann muss man die Skulptur unterteilen und Teilelemente separat gießen, die dann später verschweißt werden.“

Nach dem Guß müssen Bronzeskulpturen von Angüssen, Gießkanälen und Steigern befreit werden. Das geschieht in Handarbeit.

Nach dem Guß müssen Bronzeskulpturen von Angüssen, Gießkanälen und Steigern befreit werden. Das geschieht in Handarbeit.

Einschlüsse und Blasenlöcher werden zugeschweißt. Diese lassen sich beim Guss nie ganz vermeiden.

Einschlüsse und Blasenlöcher werden zugeschweißt. Diese lassen sich beim Guss nie ganz vermeiden.

Viel handwerkliches Geschick erforderlich

Kunstguss bleibt aber auch unter Zuhilfenahme von 3D-Drucktechniken für die Formerstellung ein Handwerk, das viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl in der Umsetzung braucht. Die meisten Skulpturen erfordern nämlich ein hohes Maß an händischer Nachbearbeitung. Das beginnt beim Entfernen der Gussform, die ja nach dem gesamten Gussvorbereitungsprozess eine widerstandsfähige Keramik ist oder zumindest aus Gips besteht. Nach einer aufwendigen Reinigung müssen die Angüsse entfernt und eventuell entstandene Blasenlöcher, die sich nie ganz vermeiden lassen, mittels Schweißen geschlossen werden. Danach werden skulpturale Details herausgearbeitet, das sogenannte Ziselieren. Häufig wird die Oberfläche zumindest teilweise poliert und meist auch einer Patinierung unterzogen. Ebenso ist es möglich, dass die Oberfläche weiter veredelt wird, wie zum Beispiel beim Bambi-Fernsehpreis, der bei Strassacker hergestellt und nach der Politur hochglanzvergoldet wird.

„Für uns ist die Nutzung des 3D-Drucks eine hervorragende Möglichkeit, unser Portfolio zu erweitern. So haben wir unser Digitalatelier, einen Teilbereich unseres Ateliers Strassacker, weiter ausgebaut. Damit haben Künstler die Möglichkeit, ihre kreativen Fähigkeiten unter Anleitung unserer Experten weiter auszubauen. Dazu stehen neben fünf 3D-Druckverfahren auch Scanner und Zerspanungsmaschinen zur Verfügung. Das alles in Verbindung mit über 100 Jahren Gusserfahrung ist fast schon eine Garantie für eine erfolgreiche Umsetzung eines Kunstgusses“, fasst Mühlhäußer stolz zusammen.

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