anwenderreportage

ARBURGadditive Freeformer 3X-300: Fliegende Kunststofftropfen

Um die wirtschaftliche Nutzung von AM-Maschinen für bestimmte Branchen zu qualifizieren, braucht es Anwender mit Insiderwissen. Im Rahmen einer Technologiepartnerschaft stellen Arburgadditive und Haratech die Weichen, um den Freeformer fit für die Luftfahrtindustrie zu machen.

Der Freeformer 300-3X hat einen Bauraum von 234 x 134 x 230 mm und bis zu drei Austragseinheiten für Multimaterialanwendungen.

Der Freeformer 300-3X hat einen Bauraum von 234 x 134 x 230 mm und bis zu drei Austragseinheiten für Multimaterialanwendungen.

Ing. Manfred Haiberger
Geschäftsführer der Haratech GmbH

„Der Freeformer von Arburg ist eine solide gebaute Maschine, bei der man merkt, dass erfahrene Maschinenbauer mit Extrusionskompetenz am Werk sind.“

Möchte man ein technologisches Verfahren für die Luftfahrtindustrie zertifizieren, so sucht man sich am besten jemanden, der in der Branche gut unterwegs ist. Speziell, wenn es um ein additives Fertigungsverfahren geht. Als langjähriger Lieferant von luftfahrtzugelassenen Komponenten ist die Haratech GmbH aus Linz (A) ein solcher Kandidat. Seit einigen Jahren fertigt man bei Haratech Teile aus Polyetherimid (PEI) für die Luftfahrtindustrie mittels FDM-Verfahren. „In der Luftfahrtindustrie hat man es mit überschaubaren Losgrößen zu tun. Darum ist die Additive Fertigung für diesen Bereich eigentlich ideal. Allerdings benötigt es schon eine gewisse Ausdauer, bis man sich in dieser stark reglementierten Branche mit 3D-gedruckten Teilen positionieren kann“, weiß Manfred Haiberger, Geschäftsführer bei Haratech. PEI wird deshalb gerne in der Luftfahrtindustrie sowie im Fahrzeugbau für den öffentlichen Personenverkehr verwendet, weil es inhärent flammwidrig ist und dabei nur eine geringe Rauchentwicklung aufweist. Der Kunststoffhersteller Sabic vertreibt unter dem Handelsnamen Ultem unterschiedliche PEI-Typen. Bereits unverstärkt bietet Ultem eine hohe Festigkeit, die durch Zugabe von Carbon- oder Glasfasern noch weiter gesteigert werden kann. Konkret kommen Ultem-Teile in der Luftfahrt im Interieurbereich und bei Lüftungskomponenten zum Einsatz. „Ultem ist ein ziemlich spannender Werkstoff. Seine mechanischen und physikalischen Eigenschaften machen ihn zur ersten Wahl bei Bauteilen, die hohen Anforderungen entsprechen müssen. Normalerweise wird Ultem mittels Spritzgießen verarbeitet, aber auch im FDM-Verfahren kann man damit sehr gute Ergebnisse erzielen. Allerdings ist der Filamentwerkstoff im Vergleich zu Standardgranulaten sieben- bis achtmal teurer“, so Haiberger.

Die Druckergebnisse im Vergleich: Links im AKF-Verfahren hergestelltes Luftfahrtbauteil und rechts das selbe Teil mit FDM produziert. Die Maßstabilität liegt im AKF-Verfahren bei ± 0,1 mm im Vergleich zu ± 0,3 mm bei FDM.

Die Druckergebnisse im Vergleich: Links im AKF-Verfahren hergestelltes Luftfahrtbauteil und rechts das selbe Teil mit FDM produziert. Die Maßstabilität liegt im AKF-Verfahren bei ± 0,1 mm im Vergleich zu ± 0,3 mm bei FDM.

Dr.-Ing. Michael Salinas
Manager Prototyping Center bei der Arburgadditive GmbH + Co KG

„Für uns ist die Technologiepartnerschaft mit Haratech deshalb besonders wertvoll, weil deren Erfahrung mit unterschiedlichen AM-Verfahren die Weiterentwicklung unseres Freeformers mit konkreten Anforderungen aus dem Markt beschleunigt.“

Materialwunsch Standardgranulat

Um auch in der Additiven Fertigung auf das Granulat zurückgreifen zu können, machte sich der Geschäftsführer auf die Suche nach einer geeigneten AM-Lösung, die dieser Anforderung gerecht wird. „Den Freeformer haben wir schon länger auf dem Schirm, zumal wir auch eine Spritzgießmaschine von Arburg betreiben. Der Maschinenbau des Freeformers ist solide und auch die Plastifizierung entsprechend ausgereift. Das ist schon ein großer Vorteil, wenn der Maschinenhersteller auf Jahrzehnte an Erfahrung zurückgreifen kann“, meint Haiberger, der mit seinem Unternehmen in diesem Jahr auch bereits sein 20-jähriges Bestehen feiert und weiß, dass zuverlässige Maschinenqualität entscheidend ist, um wirtschaftlich arbeiten zu können.

Zur Technologiepartnerschaft kam es schließlich durch Gespräche bei den Arburg Technologie-Tagen 2022 in Loßburg (D). Dort betreibt Arburg ein eigenes Technikum, in dem Materialien qualifiziert und Anwendungen evaluiert werden, jedoch war es auch für die Arburg-Geschäftsführung spannend, in Haratech einen Technologiepartner zu gewinnen, der in der Luftfahrtindustrie mit 3D-gedruckten Polymerteilen Erfahrung hat. „Wir haben auch in Österreich in Inzersdorf ein eigenes Technologiezentrum, in dem Schulungen, Beratungen und Serviceleistungen erbracht werden und auch ein Freeformer steht. Allerdings liegt dort der Fokus eher beim Spritzgießen. So ist für uns die Kooperation mit Haratech, wo Ende Januar dieses Jahres ein Freeformer 300-3X in Betrieb genommen wurde, nicht nur inhaltlich wertvoll. Wir haben dadurch quasi auch einen erweiterten Showroom in einem Umfeld, wo es viel um Additive Fertigung geht und damit der anwendungstechnische Bezug ideal gegeben ist“, erklärt Dr. Victor Roman, Geschäftsführer von Arburgadditive.

Bei Haratech hat man für die Evaluierung von AM-Verfahren ein Benchmarkbauteil, das neben Schnappverbindungen auch graduierte Übergänge und schmale Stege hat. Der Freeformer hat die Aufgabe bestens gemeistert.

Bei Haratech hat man für die Evaluierung von AM-Verfahren ein Benchmarkbauteil, das neben Schnappverbindungen auch graduierte Übergänge und schmale Stege hat. Der Freeformer hat die Aufgabe bestens gemeistert.

Speziell für Hart-Weichkombinationen ist der Freeformer bestens geeignet, weil formschlüssige Übergänge perfekt umgesetzt werden können.

Speziell für Hart-Weichkombinationen ist der Freeformer bestens geeignet, weil formschlüssige Übergänge perfekt umgesetzt werden können.

Über die 3DZ-Kalkulationsplattform von Haratech wird man künftig auch Teile anfragen können, die im AKF-Verfahren hergestellt werden.

Über die 3DZ-Kalkulationsplattform von Haratech wird man künftig auch Teile anfragen können, die im AKF-Verfahren hergestellt werden.

Infos zum Anwender

Die Haratech GmbH wurde vor fast genau 20 Jahren gegründet. Das Hauptaugenmerk des Linzer Unternehmens liegt auf der Entwicklung und Fertigung von Polymerbauteilen. Dabei kommen sowohl unterschiedliche AM-Verfahren als auch Vakuumguss, Spritzgießen und Zerspanung zum Einsatz. Auf über 1.000 m² Betriebsfläche entstehen mit 22 Mitarbeitern Komponenten und Bauteile für unterschiedlichste Industriezweige. Noch in diesem Jahr wird die Fertigung um einen weiteren Produktionsstandort außerhalb von Linz erweitert, in dem zusätzliche Fertigungs- und Nachbearbeitungssysteme für SLS-Technologie sowie Teile aus der bestehenden Fertigung untergebracht sein werden.

Ultem als Leitwerkstoff für die Luftfahrt

Seit der Inbetriebnahme des Freeformers bei Haratech werden dort im Wesentlichen Teile aus Ultem hergestellt. „Für uns ist der erste Schritt, den Freeformer für Luftfahrtanwendungen zu qualifizieren. Da ist es naheliegend, das Material zu verwenden, das wir auf diesem Gebiet hauptsächlich einsetzen. Die Ergebnisse zeigen schon jetzt, nach wenigen Wochen, klar erkennbare Vorteile. Beispielsweise ist die Maßstabilität der Ultem-Teile beim Arburg Kunststoff-Freiformen mit ± 0,1 mm eindeutig besser als bei den FDM-Teilen, bei denen wir in einem Bereich von ± 0,3 mm liegen“, bemerkt Haiberger. Als nächsten Schritt wird man Polycarbonat-Teile qualifizieren. Auch dieser Werkstoff wird in der Luftfahrtindustrie häufig eingesetzt. Meist für nicht sichtbare Teile, wie Winkelverbinder oder Ähnliches. Der Geschäftsführer ist sich sicher, dass gerade bei solchen Teilen, die in Losgrößen bis zu 200 Stück zu fertigen sind, das AKF-Verfahren durchaus das Potenzial hat, eine Alternative zum Spritzgießen oder Fräsen zu werden.

„Für uns ist die Zusammenarbeit mit Haratech wirklich lohnend, weil wir in Manfred Haiberger und seinem Team einen Entwicklungspartner gefunden haben, der viel Know-how aus der praktischen Anwendung der Additiven Fertigung mitbringt und vor allem die Additive Fertigung von Kunststoffteilen für die Luftfahrt beherrscht“, ergänzt Dr.-Ing. Michael Salinas, Manager Prototyping Center bei Arburgadditive und direkter Ansprechpartner von Haiberger. Dabei schätzt Haiberger besonders den regen Austausch mit den Anwendungstechnikern bei Arburg und bemerkt: „Für mich ist die offene Kommunikation ein klarer Ausdruck für eine echte Technologiepartnerschaft. Wir profitieren bei unseren Bestrebungen, den Freeformer für Luftfahrtanwendungen zu qualifizieren, davon, dass uns die Arburg-Techniker alles offenlegen, was wir für unsere Arbeit brauchen. Im Gegenzug geben wir direktes Feedback, wo wir uns noch Ergänzungen oder Anpassungen wünschen, liefern aber gleichzeitig auch konkrete Vorschläge mit, wie diese aussehen könnten.“ „Das Bemerkenswerte an dieser Partnerschaft ist, dass Haratech die Anwendungen im direkten Vergleich beurteilen kann und auch die Erfahrung mitbringt, wie die Additive Fertigung in konventionelle Fertigungsumgebungen passt. Also genau die Schnittstelle, die wir benötigen, um unseren Freeformer noch besser zu machen. Das geht los beim Thema Supportstrukturen bis hin zu den Anforderungen für Serienanwendungen“, fasst Salinas die Kooperation zusammen.

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