gastkommentar

Was jedes Unternehmen wissen muss

ANSICHTEN Die Chancen und Vorteile der Additiven Fertigung sind mittlerweile ebenso zahlreich wie die Anwendungsmöglichkeiten und kaum ein Unternehmen denkt derzeit nicht darüber nach, wie es davon profitieren kann. Dabei stehen meist technische, wirtschaftliche und organisatorische Fragen im Vordergrund, während die nicht weniger bedeutsamen rechtlichen Aspekte oft nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt werden. Dieser Beitrag zeigt, worauf es dabei ankommt und wie sich die additive Fertigung rechtssicher gestalten lässt.

Wer additive Fertigungsverfahren nutzt, muss sein geistiges Eigentum und seine Produktionsdaten vor unbefugten Zugriffen Dritter schützen.

Dr. Andreas Leupold, Rechtsanwalt, Leupold Legal

Wer additive Fertigungsverfahren nutzt, muss sein geistiges Eigentum und seine Produktionsdaten vor unbefugten Zugriffen Dritter schützen. Dr. Andreas Leupold, Rechtsanwalt, Leupold Legal

Zur Person

Dr. Andreas Leupold LL.M. ist Rechtsanwalt in München und berät mit seiner Kanzlei Leupold Legal Unternehmen im IT-Recht, Medienrecht und gewerblichen Rechtsschutz sowie bei der Erstellung und Verhandlung von Lizenzverträgen. Als Industrieanwalt mit über 20 Jahren Erfahrung in der Durchsetzung gewerblicher Schutzrechte ist er Autor zahlreicher Fachbeiträge und des im Frühjahr 2016 im Verlag Franz Vahlen erschienenen Buches 3D-Druck, Additive Fertigung und Rapid Manufacturing.Er wurde 2013 in die Best Lawyers' ® Liste für Informationstechnologie- und Medienrecht München aufgenommen (Copyright 2012 by Woodward/White, Inc., of Aiken, SC) und 2016 von Corporate LiveWire als „Elite IT Lawyer“ ausgezeichnet.

In der Informationstechnologie unterstützt er hauptsächlich mittelständische und börsennotierte Unternehmen, insbesondere in allen rechtlichen Fragestellungen des Cloud Computing, der Auslagerung von IT-Infrastrukturen und Geschäftsprozessen (Outsourcing), bei der Erstellung und Verhandlung von Projektverträgen sowie Service Level Agreements (SLA), bei dem Vertrieb und der Lizenzierung von Software, im IT-Asset Management sowie in Fragen der IT-Sicherheit und des Schutzes personenbezogener Daten.

Aufgrund der langjährigen Prozessvertretung einer der weltweit größten E-Commerce-Plattformen in zahlreichen Gerichtsverfahren und der Prozessvertretung weltweit bekannter Unternehmen aus verschiedenen Branchen verfügt Dr. Andreas Leupold über ein erhebliches Wissen und fundierte Praxiserfahrung bei der strategischen Prozessführung und Durchsetzung der Interessen seiner Mandanten.

Wer selbst additiv fertigt oder seine Produkte additiv fertigen lässt, hat bereits einen wichtigen Schritt zur Digitalisierung seiner Produktion getan. Zugleich eröffnet er damit aber auch Produktpiraten neue Möglichkeiten, es ihm gleichzutun ohne die Entwicklungskosten tragen zu müssen. Das hat einen einfachen Grund: Am Ende des Fertigungsprozesses steht in der Additiven Fertigung zwar nach wie vor ein physisches Werkstück, erzeugt wird es aber aus dem dafür verwendeten 3D-Modell und somit aus Daten, die alle zur Herstellung des Produkts benötigten Informationen enthalten. Werden diese Daten nicht vor dem Zugriff unbefugter Personen geschützt, können sie unbemerkt kopiert und von Wettbewerbern zur Herstellung äußerlich identischer Produkte benutzt werden. Da sich mit technischen Mitteln keine vollständige Sicherheit in der Additiven Fertigung erreichen lässt, sollte jedes Unternehmen zunächst einmal prüfen, ob es beim Vertragsschluss mit Dienstleistern, Lohnfertigern und Zulieferern daran gedacht hat, sich die (ausschließlichen) Nutzungsrechte an den Arbeitsergebnissen einräumen zu lassen. Nur wer über diese Rechte verfügt, kann nämlich auch Trittbrettfahrern wirksam Einhalt gebieten und seine oft mit erheblichem Aufwand erworbene Marktposition verteidigen.

© Symbol-Grafiken: www.colourbox.de

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Geistiges Eigentum schützen

Zu den wichtigsten gewerblichen Schutzrechten, die sich ein Unternehmen sichern muss, gehören zweifellos Patente und Gebrauchsmuster, die allerdings nur für technische Erfindungen erteilt werden und somit keinen Schutz vor einer Übernahme der äußeren Form eines Produkts bieten. Das kann durch andere Schutzrechte wie insbesondere das Urheberrecht am 3D-Modell bzw. der äußeren Gestaltung des Produkts, die Eintragung einer dreidimensionalen Marke im Markenregister und/oder den Schutz des Produktdesigns erreicht werden. Ein nicht unerheblicher Vorteil des Urheberrechtsschutzes liegt sicherlich drin, dass er keine Eintragung in einem amtlichen Register erfordert, und anders als Patente keine weiteren Kosten verursacht. Da die Urheberrechte aber immer beim Schöpfer des Werkes entstehen, liegen sie nicht selten (auch) bei freien Mitarbeitern oder Zulieferern, die das Produkt (mit-)gestaltet haben. Will der Auftraggeber darüber frei verfügen und Dritten die Verwendung eines urheberrechtlich geschützten 3D-Modells untersagen können, so muss er von dessen Urheber(n), jedenfalls dann, wenn es sich bei diesen nicht um eigene Arbeitnehmer handelt, also erst einmal das Recht erwerben, das 3D-Modell in der Produktion einzusetzen.

Erfüllt die dreidimensionale Form nicht die vergleichsweise geringen Anforderungen an die Urheberrechtsschutzfähigkeit, so muss sie aber dennoch nicht schutzlos bleiben. In Betracht kommt nämlich auch die unter Nichtjuristen meist weniger bekannte Eintragung einer dreidimensionalen (Form-)Marke, die ihrem Inhaber das ausschließliche Recht gewährt, die Marke im geschäftlichen Verkehr zu benutzen. In das amtliche Markenregister werden aber nur solche dreidimensionalen Kennzeichen eingetragen, deren Form sich hinreichend von anderen Formen solcher Waren unterscheidet, für die die Marke benutzt werden soll.

Der Schutz des Produktdesigns [auch als „(Geschmacks-)Muster“ bezeichnet] entsteht ebenfalls durch Eintragung in das dafür geführte amtliche Register. Allerdings wird vom Amt nicht geprüft, ob das Design neu ist und sich in seinem Gesamteindruck von anderen, bereits bekannten Designs unterscheidet, also „Eigenart“ hat. Um eine Kollision mit ähnlichen Designs von Wettbewerbern und eine spätere Löschung des eingetragenen Designs zu vermeiden, sollte daher vor der Anmeldung zur Eintragung eines Designs immer erst geprüft werden, ob diese Schutzvoraussetzungen vorliegen.

Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen vorbeugen

Nicht alles, was nicht von Wettbewerbern genutzt werden soll, ist urheberrechtlich, durch eine Marke oder ein eingetragenes Design bzw. Muster geschützt. Oft geht es einfach nur darum, das additive Konstruktions-Know-how, das in ein 3D-Modell eingeflossen ist oder neue, (noch) nicht patentierte Erfindungen vor dem Zugriff Dritter zu schützen. Gefahr droht hier nicht nur durch das Eindringen Dritter in das Firmen IT-Netz, sondern auch durch das Abhören der Druckgeräusche aus denen sich ermitteln lässt, welches Produkt gerade hergestellt wird und wie es nachgebaut werden kann. Darüber hinaus muss immer auch damit gerechnet werden, dass unzufriedene Mitarbeiter Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse entwenden, um sie entweder selbst auszuwerten oder Wettbewerbern zu überlassen. Neben der bislang nur als Entwurf vorliegenden EU-Richtlinie über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen gibt hier auch das bereits geltende nationale Recht in einigen Mitgliedstaaten eine Handhabe, gegen Betriebsspionage vorzugehen. Unabhängig hiervon ist für die IT-Sicherheit in der digitalen Produktion ebenso zu sorgen wie für die sichere Datenübertragung von und zu Dienstleistern. Werden Produktionsdaten in der Cloud gespeichert, muss deren sichere Aufbewahrung und Verarbeitung mit dem Cloud Service Provider vertraglich geregelt werden.

Produkthaftung vermeiden

Wie jedes industrielle Herstellungsverfahren birgt auch die Additive Fertigung das Risiko der Erzeugung fehlerhafter Produkte und dadurch verursachter Schäden beim Endverbraucher. Industrielle 3D-Drucker sind komplexe technische Anlagen, die Umgebungseinflüssen ausgesetzt sein können, die sich auf die Qualität der damit gefertigten Produkte auswirken können. Die möglichen Fehlerquellen sind dabei zahlreich und lassen sich oft nicht leicht ermitteln. Sie reichen von der fehlerhaften Konstruktion und Fehlern bei der Erstellung der Druckvorlage sowie der Auswahl ungeeigneten Materials über Fehler bei der Aufstellung der Anlage und Druckerdefekte sowie Temperaturschwankungen im Bauraum bis zur fehlerhaften Nachbearbeitung oder Lagerung eigentlich einwandfreier Werkstücke. Kommt es dadurch zu Personen- oder Sachschäden bei Verbrauchern, muss der Hersteller Ersatz leisten. Die Frage wer „Hersteller“ ist, lässt sich aber häufig nicht ohne weiteres beantworten. Hält etwa ein herkömmlich gefertigtes sicherheitsrelevantes Bauteil in einem Kraftfahrzeug der Belastung nicht stand, so bereitet die Ermittlung des dafür Haftenden in der Regel keine allzu großen Schwierigkeiten. In der Additiven Fertigung gibt es aber komplexe Lieferketten und vielfältige Vertragsbeziehungen, die zu einer Verschiebung der Haftungsrisiken führen können, wenn diese nicht rechtzeitig erkannt und vertraglich geregelt werden. Verantwortlicher „Hersteller" ist nach der Europäischen Produkthaftungsrichtlinie nicht nur der Hersteller des Endprodukts, sondern auch eines Grundstoffs oder eines Teilprodukts sowie jede Person, die sich als Hersteller ausgibt, indem sie ihren Namen, ihre Marke oder ein anderes Erkennungszeichen auf dem Produkt anbringt. Schadensersatzpflichtig kann sich daher auch der Lieferant fehlerhafter Rohstoffe machen und gleiches kann auch für den Dienstleister gelten, auf den die Additive Fertigung ausgelagert wurde.

Unternehmen, die über eine eigene Additive Fertigung verfügen, sollten zur Begrenzung der daraus resultierenden Produkthaftungsrisiken den gesamten Herstellungsprozess vom Eingang der Rohstoffe bis zur Endkontrolle des fertigen Erzeugnisses möglichst lückenlos dokumentieren, um im Schadensfall die Fehlerursache(n) eingrenzen zu können.

Verträge mit Dienstleistern und Zulieferern prüfen

Wird die Additive Fertigung auf Dienstleister ausgelagert, so sind diese sorgfältig auszuwählen und zu überwachen. Zur eigenen Entlastung sollten Auftraggeber in jedem Fall eine Qualitätssicherungsvereinbarung mit dem Auftragnehmer schließen, die genau regelt, welche Sorgfaltspflichten dieser einzuhalten hat und es dem Auftraggeber im Falle eines Verstoßes ermöglicht, den Auftragnehmer in Regress zu nehmen. Da Zuliefererverträge diesen Anforderungen oft nicht gerecht werden, sollte vor einer Auslagerung der Produktion stets geprüft werden, wie die Verantwortlichkeiten im Innenverhältnis zwischen Auftraggeber und Zulieferer unter Berücksichtigung der eingesetzten Verfahren und Prozesse geregelt werden müssen. Für die additive Fertigung bestimmter Produkte wie etwa Arzneimittel und Medizinprodukte oder Flugzeugbauteile gelten zudem besondere gesetzliche Anforderungen, die sich auch in den Verträgen mit allen daran beteiligten Lieferanten niederschlagen müssen.

© Bigrep GmbH

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Rechtliche Aspekte von Anfang an berücksichtigen

Wer noch vor der Einführung der Additiven Fertigung in die Produktion steht oder erwägt, einen Dienstleister damit zu beauftragen, sollte in seine Planung auch die rechtliche Absicherung einbeziehen. Dabei geht es nicht nur darum, nicht gegen geltende Gesetze oder Richtlinien zu verstoßen, sondern auch und vor allem darum, die mit der Anwendung neuer Verfahren stets verbundenen Risiken zu ermitteln und sodann aktiv zu minimieren. Wird sie richtig eingesetzt, ist die Vertragsgestaltung mit Dienstleistern, Lieferanten und Zulieferern ein wirksames Werkzeug zur Absicherung des eigenen Geschäftsmodells.

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