voxeljet: Immer mehr Materialien gehen ins Netz(werk)

Vor gut einem Jahr starteten die voxeljet AG, das Fraunhofer IPA und die Universität Bayreuth das HSS Material Network. Ein interdisziplinäres und kollaboratives Netzwerk, dessen Ziel es ist, Wissen aus den Bereichen Polymerpulver, HSS-Anlagentechnik und HSS-Prozesstechnik zu generieren, auszutauschen und zu vertiefen, um so gemeinsam die Qualifizierung neuer Polymere für das innovative additive Fertigungsverfahren High Speed Sintering (HSS) zu beschleunigen.

Zugprüfstab aus HDPE: HDPE ist ein Polyethylen mit hoher Dichte und sehr guter Beständigkeit gegenüber Chemikalien und Fetten. (Bild: Fraunhofer IPA/Universität Bayreuth)

Zugprüfstab aus HDPE: HDPE ist ein Polyethylen mit hoher Dichte und sehr guter Beständigkeit gegenüber Chemikalien und Fetten. (Bild: Fraunhofer IPA/Universität Bayreuth)

Im Fokus der Hauptinitiatoren steht das Bestreben, das Portfolio an Materialien für das High Speed Sintering (HSS) zu vergrößern und Unternehmen eine flexible Outsourcing-Option zur Materialentwicklung und -qualifizierung, ohne eigenen Hardwareinvest, anzubieten. Innerhalb nur eines Jahres konnten bereits eine Vielzahl spannender Materialien für das HSS-Verfahren getestet und qualifiziert werden. Wie schön wäre es, wenn sich gängige Polymere, nach dem Plug-&-play-Prinzip, einfach auf einer HSS-Anlage verarbeiten lassen könnten. Die Realität ist jedoch eine andere: Sollen Qualitätsansprüche wie Toleranzen und Reproduzierbarkeit gewährleistet sein, gilt es sowohl das Material als auch die HSS-Anlage perfekt aufeinander abzustimmen.

Ein im HSS-Verfahren gedruckter Bauteil aus Iglidur. (Bild: Fraunhofer IPA/Universität Bayreuth)

Ein im HSS-Verfahren gedruckter Bauteil aus Iglidur. (Bild: Fraunhofer IPA/Universität Bayreuth)

Das HSS-Verfahren

Beim HSS wird eine Schicht Polymerpulver auf eine beheizte Bauplattform aufgetragen und die Bereiche des Bauteils anschließend mit einer IR (Infrarot)-Strahlung absorbierenden Tinte benetzt. Mittels über IR-Strahlung eingebrachter Energie verschmelzen die bedruckten Bereiche des Pulvers. Unbedrucktes Pulver verbleibt lose und nimmt eine stützende Funktion ein, sodass Stützstrukturen nicht mitgedruckt werden müssen. Diese Schritte wiederholen sich, bis der Aufbau des Bauteiles abgeschlossen ist. Das Portfolio an HSS-Anlagen umfasst zurzeit zwei Systeme: Die Open Source VX200 HSS, die eine flexible Parametrisierung des Fertigungsprozesses erlaubt und somit eine Harmonisierung von Material und HSS-Anlage ermöglicht, und die VX1000 HSS, eine auf die Serienproduktion von Polymerbauteilen ausgelegte, hochproduktive additive Fertigungsanlage, die sich aktuell in der Betaphase befindet.

Der Großteil heute verfügbarer Polymere ist für die Spritzgussverarbeitung optimiert. Damit lassen sich hohe Stückzahlen zu geringen Kosten fertigen. Jedoch bedarf es hierfür Werkzeuge, die in ihrer Herstellung nicht nur zeit-, sondern auch kostenintensiv sind. Die Additive Fertigung arbeitet werkzeuglos und besitzt eine hohe geometrisch-konstruktive Freiheit. Daher lohnt sie sich besonders für Prototypen, kleine Stückzahlen und komplexe Bauteilstrukturen wie bspw. bei Leichtbaubauteilen.

Aber auch als Produktionsmedium für höhere Stückzahlen gewinnt die Additive Fertigung zunehmend an Bedeutung. Dafür bedarf es aber auch neuer Materialen, deren Qualifizierung sich für viele Unternehmen als Herausforderung darstellt. Oft fehlen der Zugang und die Ressourcen, um in die Materialforschung und Prozessoptimierung einzutauchen. Um diese Lücke zu schließen, wurde das HSS Material Network ins Leben gerufen.

Die VX200 HSS ist mit einem Open-Source-System ausgestattet, dass eine flexible Parametrisierung des Fertigungsprozesses erlaubt. (Bild: Fraunhofer IPA/Universität Bayreuth)

Die VX200 HSS ist mit einem Open-Source-System ausgestattet, dass eine flexible Parametrisierung des Fertigungsprozesses erlaubt. (Bild: Fraunhofer IPA/Universität Bayreuth)

Brücken bauen und Wissen fließen lassen

Hier kommen nun die Fraunhofer-Projektgruppe Prozessinnovation des Fraunhofer IPA und der Lehrstuhl Umweltgerechte Produktionstechnik der Universität Bayreuth, beide geleitet von Prof. Dr.-Ing. Frank Döpper, ins Spiel. Die Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkte des Fraunhofer IPA liegen insbesondere auf organisatorischen und technologischen Aufgabenstellungen aus der Produktion, während sich die Universität Bayreuth vor allem auf Grundlagenforschung fokussiert. Einen gemeinsamen Schwerpunkt der beiden eng kooperierenden Forschungseinrichtungen bildet die Industrialisierung der Additiven Fertigung. Durch diese Kooperation ergibt sich eine optimale Symbiose zwischen anwendungsnaher und grundlegender Forschung, mit der eine große Bandbreite an Forschungs- und Entwicklungsfragen der Industrie beantwortet werden können.

Im Zentrum dieser Kooperation steht der Campus Additive.Innovationen (CA.I), ein inter- und transdisziplinärer Think Tank an der Universität Bayreuth, in welchem Forschende unterschiedlichster Disziplinen, wie bspw. Werkstofftechnik, Produktionstechnik und Chemie, zusammenarbeiten und Unternehmen beraten. Im Netzwerk des CA.I befinden sich verschiedenste additive Fertigungsanlagen, unter anderem auch eine VX200 HSS von voxeljet.

Jan Kemnitzer, Gruppenleiter an der Fraunhofer-Projektgruppe Prozessinnovation des Fraunhofer IPA, ist Hauptansprechpartner, wenn es um Materialqualifizierung für das HSS geht. „Die Materialqualifizierung führen wir anhand einer von uns entwickelten individuell adaptierbaren mehrstufigen Methode durch, die all unsere über Jahre aufgebaute Kompetenz – aus Grundlagen und anwendungsnaher Forschung – vereint. Zu Beginn steht stets eine Analyse des Pulvers anhand ausgewählter Eigenschaften wie z. B. Fließfähigkeit, Schmelz- und Rekristallationsverhalten. Diese und eine erste Analyse der Prozessfähigkeit in der HSS-Anlage ermöglichen uns, bereits zu diesem frühen Zeitpunkt, eine valide Aussage zu treffen, ob das Material für das HSS geeignet ist oder welche spezifischen Anpassungen am Pulver notwendig sind.“

Im Rahmen eines Proof of Concept werden anschließend aus dem Material konkrete Bauteile gefertigt, anhand denen auch ein Ziehen von Rückschlüssen über realisierbare Bauteileigenschaften möglich ist. Danach geht es, wenn gewünscht, in die mehrstufige Vollqualifizierung. In dieser werden alle relevanten Prozessparameter bestimmt und anhand von definierten Benchmark-Bauteilen validiert, um die anwendungsspezifischen Bauteileigenschaften zu erzielen und eine hohe Prozessstabilität sowie Reproduzierbarkeit zu gewährleisten. Die im engen Austausch mit dem Kunden generierten Daten und Parameter werden diesem anschließend zur Verfügung gestellt.

Im Laufe des letzten Jahres konnten das Fraunhofer IPA und die Universität Bayreuth bereits mehrere Polymerpulver unterschiedlicher Hersteller testen und qualifizieren. Anforderungen und Projektziele waren dabei kundenindividuell. Darunter:

Im Netzwerk des CA.I befinden sich verschiedenste additive Fertigungsanlagen, unter anderem auch eine VX200 HSS von voxeljet. (Bild: voxeljet AG)

Im Netzwerk des CA.I befinden sich verschiedenste additive Fertigungsanlagen, unter anderem auch eine VX200 HSS von voxeljet. (Bild: voxeljet AG)

DiaPow HDPE HX 10 der Diamond Plastics GmbH

HDPE ist ein Polyethylen mit hoher Dichte und sehr guter Beständigkeit gegenüber Chemikalien und Fetten. Das Material wird für die Produktion von Behältern, Flaschen und Leitungen in der Lebensmittel- und Verpackungs- sowie der Chemieindustrie genutzt. Aus Sicht der Forschung zeigten sich verschiedene Vorteile bei der Verarbeitung des Materials mittels HSS im Vergleich zum Lasersintern (LS). Das Prozessfenster von HDPE ist bei der Verarbeitung im LS sehr klein und des Weiteren ist eine hohe Laserleistung notwendig, um die Pulverpartikel aufzuschmelzen. Durch den punktuellen bzw. linienweisen Energieeintrag mittels Laser werden die mechanischen Eigenschaften des HDPE durch die hohe thermische Belastung negativ beeinflusst. Es kommt zu einer Versprödung des Materials. Aufgrund des flächigen Energieeintrags beim HSS und dem damit zeitlich gesehen deutlich längeren Energieeintrag pro Flächeneinheit sind deutlich geringere Maximaltemperaturen realisierbar. Dies führt zu einer geringeren thermischen Belastung des Materials, wodurch die bewährten mechanischen Eigenschaften erhalten bleiben. Besonders bemerkenswert: Bei der Verarbeitung mittels HSS konnte eine hohe Flexibilität erzielt werden, die sich bspw. im LS nur schwer realisieren lässt.

iglidur® i3 PL der igus GmbH

Das Material iglidur i3 ist ein von der igus GmbH speziell für die Fertigung von Gleitanwendungen und Zahnrädern entwickeltes Polymerpulver für die additiven Verfahren des Powder Bed Fusion (PBF), wozu das LS und das HSS zählen. Die Besonderheit von iglidur i3 PL ist die Additivierung des Pulvers mit Festschmierstoffen, wodurch die daraus gefertigten Bauteile eine Verschleißfestigkeit erreichen, die um Faktor 3 bis 30 besser ist als bei anderen am Markt verfügbaren Polymerpulvern. Das HSS hat dank seiner Open-Source Konzeption die Möglichkeit, Bauteileigenschaften prozessseitig gezielt einzustellen. Die vom Fraunhofer IPA und der Universität Bayreuth im Rahmen eines Proof of Concept im HSS gefertigten Gleitlager und Zahnräder weisen sehr gute tribologische und mechanische Eigenschaften auf, die eine weitere Optimierung des Polymerpulvers spezifisch für den HSS-Prozess sowie eine Vollqualifizierung durchaus interessant machen.

PET vom Hersteller Sabic

PET kommt durch seine gute Beständigkeit gegen Chemikalien und Fette vor allem als Verpackungsmaterial in der Lebensmittelindustrie zum Einsatz. Hervorzuheben sind des Weiteren die guten mechanischen Eigenschaften von PET im Vergleich zu anderen für das PBF verfügbare Materialien. Im Rahmen eines Proof of Concepts wurden vom Fraunhofer IPA und der Universität Bayreuth erfolgreich erste Bauteile gefertigt, deren mechanisch Eigenschaften teilweise deutlich denen aus Polyamid 12 (PA 12) – dem Standardmaterial für HSS – gefertigten übertreffen. Die Ergebnisse der Zusammenarbeit mit Sabic wurden daher auch im Rahmen einer wissenschaftlichen Veröffentlichung „Evaluation of polyethylene terephthalate powder in High Speed Sintering“ frei zugänglich gemacht.

Ein Schlusswort

Für alle, die also ihre gewünschten Materialien für das HSS qualifizieren möchten, ist das HSS Material Network eine attraktive Option, um Know-how aufzubauen und neue Marktmöglichkeiten zu erschließen. Egal ob Materialhersteller, OEM oder Anwender der Additiven Fertigung – sie alle profitieren vom HSS Material Network. Bleibt abzuwarten, welche weiteren Materialien zukünftig ins Netz(werk) gehen werden.

formnext: Halle 12.1, E11

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