Arburg Freeformer: Standard-Kunststoffgranulate für die Additive Fertigung?
Als Hersteller von Kunststoffspritzgießmaschinen verfügt Arburg über ein großes Maß an Erfahrung in der industriellen Kunstsoffverarbeitung. Auch für den Arburg-Freeformer kommen Standard-Kunststoffgranulate zum Einsatz. Ob dieses Werkstoffkonzept auch bei anderen Herstellern von Maschinen für die Additiven Fertigung künftig eine Rolle spielen wird, bleibt zu beobachten. Wir haben Heinz Gaub, Geschäftsführer Technik bei Arburg, nach seiner Einschätzung gefragt. Das Interview führte Georg Schöpf / x-technik
Heinz Gaub, Geschäftsführer Technik bei Arburg
Herr Gaub, die Firma Arburg nimmt als klassischer Maschinenbauer eine gewisse Sonderstellung im Bereich der Additiven Fertigung von Kunststoff-Bauteilen ein. Was macht Ihr System so anders?
Der Freeformer ist für die industrielle Additive Fertigung im prozessstabilen Dauerbetrieb konzipiert. Für die Plastifiziereinheit und den servoelektrisch angetriebenen Bauteilträger verwenden wir z. B. ähnliche Komponenten wie in unseren Allrounder-Spritzgießmaschinen. Ein Alleinstellungsmerkmal und großer Vorteil des Arburg Kunststoff-Freiformens ist, dass sich mit unserem offenen System qualifizierte Standard-Kunststoffgranulate zu Prototypen und Funktionsbauteilen aus Originalmaterial verarbeiten lassen. Der Kunststoff wird zunächst ähnlich wie beim Spritzgießen in einem Plastifizierzylinder aufgeschmolzen und einzelne Tropfen über die Düse der starren Austragseinheit mittels hochfrequenter Piezotechnik auf einen beweglichen Bauteilträger aufgetragen, sodass jeder Tropfen auf die vorher berechnete Stelle gesetzt wird. Mit dieser „spritzgießnahen“ Maschine können z. B. unsere bestehenden Kunden ihr Know-how und ihr Spektrum an Materialien in der Kunststoffverarbeitung einbringen und ausbauen und so die Wertschöpfung in ihrem Unternehmen erhöhen.
Seit kurzem sind für den Freeformer zwei Software-Updates für Maschine und Datenaufbereitung verfügbar.
Sie verwenden Standardgranulate in Ihren Maschinen. Ist das die Zukunft im Bereich der Extrusionsverfahren? Also auch für FDM?
Auf qualifizierte Standardmaterialien im eigenen Betrieb zurückgreifen zu können, ist für unsere Kunden kostengünstig, bietet ihnen Flexibilität und Aufbau von Know-how. Entsprechend hoch ist die Nachfrage im Markt. Zudem ist die Möglichkeit interessant, funktionsfähige Bau- und Ersatzteile werkzeuglos sehr kurzfristig und schnell in kleinen Stückzahlen herzustellen oder – kombiniert mit Spritzgießen – Großserienteile zu individualisieren. Andere Anbieter werden darauf sicher früher oder später reagieren wollen und müssen, falls das mit ihren Verfahren überhaupt machbar ist. Und falls sie ihr Geschäftsmodell umstellen wollen – denn viele Mitbewerber verkaufen für ihre Maschinen auch das Verbrauchsmaterial und machen erst damit ihren Profit.
Arburg setzt für das Arburg Kunststoff Freiformen AKF Standard Kunststoffgranulate ein.
Welche Kunststoffe sind für industrielle additive Fertigungsverfahren wie AKF Stand heute wirklich nutzbar?
Jedes Standardmaterial wird zunächst von unseren Experten qualifiziert. Dazu gehört die Auswahl eines geeigneten Bauteilträgers, das detaillierte Anfertigen von Materialprofilen sowie gegebenenfalls eine Anpassung der Maschinentechnik. Das Ergebnis dieser Entwicklungsarbeit ist aktuell für die Standardkunststoffe ABS, PA12, PC, TPU und ein spezielles Stützmaterial verfügbar. Angefragt werden vielfältige, spritzgießtypische Materialien, darunter Hochtemperaturkunststoffe, amorphe oder teilkristalline Werkstoffe wie z. B. PA6. Daran arbeiten wir derzeit.
Vergleichsweise einfach und schnell sind modifizierte Materialien einsatzbereit, z. B. ein PC mit bestimmtem Farbzusatz oder einem Flammschutz. Dazu wird die Maßhaltigkeit der Bauteilgeometrie gemessen und Parameter wie Temperatur, Tropfenaustrag oder Schichthöhe exakt an die spezifischen Eigenschaften der Materialvariante angepasst. Einige unserer Kunden qualifizieren mit großem Erfolg ihre eigenen Materialien und behalten das Know-how bewusst im Unternehmen.
Welche Be- oder Einschränkungen gibt es – und wo kommen diese am stärksten zum Tragen?
Die Verarbeitung von gefüllten Materialien und die Einbringung von Langfasern ist eine interessante Aufgabe. Hier ist derzeit die Bohrung in der Düse der begrenzende Faktor. Bei teilkristallinen Materialien gilt es vor allem, das Thema Verzug in den Griff zu bekommen, während für die Verarbeitung von Hochtemperaturwerkstoffen wie PEEK die Beheizung des Bauraums angepasst werden muss. Das sind alles Themen, mit denen wir uns beschäftigen. Das Potenzial des Freeformers ist Stand heute erst ansatzweise erschlossen.
Wird man in Zukunft ganz neue Kunststoffrezepturen benötigen, die für diese Verfahren geeignet sind?
Im Vergleich zum Spritzgießen steckt die additive Fertigung noch in den Kinderschuhen. Es ist durchaus möglich, dass Werkstoffe entwickelt werden, die sich z. B. hinsichtlich Kristallisations- oder Abkühlverhalten auf die Anforderungen in der additiven Fertigung anpassen lassen. Denkbar ist auch, in Zukunft für solche Aufgaben eigene Materialspezialisten bei Arburg zu beschäftigen. Im Moment ist das aber noch kein Thema für uns.
Ist die Verwendung von Sekundärkunststoffen denkbar – Stichwort: Recyclingkunststoff?
Denkbar ist die Verwendung sehr wohl, aber – anders als beim Spritzgießen – wirtschaftlich betrachtet nicht relevant. Beim Spritzgießen fallen Angüsse und weiterer Ausschuss an, der Materialdurchsatz ist hoch, z. B. bei der Produktion von Verpackungsartikeln. Entsprechend groß sind das Potenzial zur Kostensenkung und das Interesse, sortenreines und unverschmutztes Material wiederzuverwenden.
In der Additiven Fertigung hingegen spielt das Thema Recycling wegen minimaler Stückzahlen und geringem Materialverbrauch eine eher untergeordnete Rolle. Interessanter sind Werkstoffe, die biologisch abbaubar sind – z. B. für Implantate, die sich mit der Zeit im Körper des Patienten auflösen.
Wie sind die Bestrebungen von Arburg hinsichtlich neuer, zusätzlicher Materialien?
Das im Spritzgießbereich vorhandene Materialspektrum ist außerordentlich groß. Wir sind intensiv dabei, für den Freeformer weitere Kunststoffgranulate zu qualifizieren, damit die Prozesse mit möglichst vielen Materialien stabil und reproduzierbar laufen.
Was sind aus Ihrer Sicht die wesentlichen Herausforderungen an die Materiallieferanten?
Weil wir auf Standardmaterialien zugreifen können, haben wir keine besonderen Anforderungen an Materiallieferanten. Um qualitativ hochwertige Bauteile zu produzieren, besteht die Herausforderung vor allem in der fertigungsgerechten Konstruktion, z. B. bezüglich des richtigen Schichtaufbaus.
Seit kurzem sind für den Freeformer zwei Software-Updates für Maschine und Datenaufbereitung verfügbar. Daraus resultiert zum einen eine verbesserte Funktionalität und Prozesssicherheit beim Freiformen – zum anderen lässt sich bei der Datenaufbereitung automatisch eine Stützstruktur erzeugen. Das Ergebnis kann im integrierten 3D-Viewer dargestellt werden.
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