gastkommentar

Simulationswerkzeuge für die Additive Fertigung

Simulationswerkzeuge eignen sich in vielfältiger Art und Weise zur Unterstützung der Entwicklung und des Einsatzes additiver Fertigungsverfahren. So können Simulationsmodelle auf Mikro- bis Millimeterskalen zukünftig aufwändige Versuchsreihen zur Prozessauslegung und -optimierung unterstützen. Simulationsmodelle auf Zentimeterskalen, sogenannte Aufbauprozessmodelle, ermöglichen darüber hinaus die Vorhersage und Verbesserung der nach dem Bauprozess vorliegenden Eigenschaften. Dipl.-Phys. Johannes Weirather, Abteilungsleiter am iwb der TU München und DI Christian Seidel, Abteilungsleiter beim Fraunhofer IGCV in Augsburg berichten in ihrem Gastkommentar über die Eigenheiten der Verfahrenstechniken und über die diesbezüglichen Forschungsergebnisse am AMLab in Augsburg.

DI Christian Seidel, Abteilungsleiter beim Fraunhofer IGCV in Augsburg, Co-Leiter AMLab Augsburg.

DI Christian Seidel, Abteilungsleiter beim Fraunhofer IGCV in Augsburg, Co-Leiter AMLab Augsburg.

Die Additive Fertigung eröffnet dem Anwender eine zuvor nie dagewesene Formgebungsfreiheit. Es kommt allerdings auch verfahrensbedingt zum Verzug der aufzubauenden Bauteile. Beim pulverbettbasierten additiven Fertigungsverfahren Laserstrahlschmelzen, das zur Herstellung metallischer Bauteile weitverbreitet ist, liegen die Ursachen hierfür im lokalen Energieeintrag mittels Laser, der Temperaturgradienten im Bauteil und damit Verformungen zur Folge hat, die mitunter über der Streckgrenze des Werkstoffes liegen. Dieser Verzug verursacht einen Mehraufwand bei der Nachbearbeitung additiv aufgebauter Körper, der z. B. im Rahmen einer spanenden Fertigung zur Erzeugung von Form- und Lagetoleranzen entsteht.

Im Entwicklungs- und Produktionsprozess sind daher heute häufig mehrere Fertigungsiterationen (Testfertigungen, Ausschussproduktionen) notwendig, in denen die Bauteilgeometrie dem prozessbedingten Verzug entsprechend vordeformiert wird, um diesen auf ein tolerierbares Maß zu reduzieren.

Ansätze zur partikelbasierten Simulation des Schmelzbades beim Laserstrahlschmelzen. Rot hinterlegte Bereiche veranschaulichen den Bereich des Laserstrahls. a) Temperaturverteilung im Schmelzbad (Mittelschnitt), b) 3D-Ansicht der Schmelzbadoberfläche, c) qualitative Temperaturverteilung im Festmaterial.

Ansätze zur partikelbasierten Simulation des Schmelzbades beim Laserstrahlschmelzen. Rot hinterlegte Bereiche veranschaulichen den Bereich des Laserstrahls. a) Temperaturverteilung im Schmelzbad (Mittelschnitt), b) 3D-Ansicht der Schmelzbadoberfläche, c) qualitative Temperaturverteilung im Festmaterial.

Finite-Elemente-Methode-Simulationstool

Am AMLab in Augsburg (www.amlab.de) beschäftigt sich eine Forschergruppe des Instituts für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb) der Technischen Universität München mit der simulativen Abbildung und Kompensation dieser Verzugseffekte. Dafür wurde ein thermomechanisches Finite-Elemente-Methode-Simulationstool entwickelt, das den Wärmestrom während des Fertigungsprozesses berechnet, resultierende Verformungen sowie Eigenspannungen auf Bauteilebene bestimmt und zur Prozessauslegung eingesetzt werden kann. Für die Geometrieerzeugung innerhalb dieses Aufbauprozessmodells können sowohl CAD-Daten als auch Anlagendaten, sog. CLI-Daten, verwendet werden. Aus diesen Daten wird ein schichtweises Netz erzeugt, welches den additiven Aufbauprozess wiedergibt.

Dipl.-Phys. Johannes Weirather, Abteilungsleiter am iwb der TU München, Co-Leiter AMLab Augsburg.

Dipl.-Phys. Johannes Weirather, Abteilungsleiter am iwb der TU München, Co-Leiter AMLab Augsburg.

Berechnete Von-Mises Eigenspannungen eines Quaderquerschnittes (Aufbauprozessmodell).

Berechnete Von-Mises Eigenspannungen eines Quaderquerschnittes (Aufbauprozessmodell).

Temperaturfeldberechnung für optimierte Geometrie

Das Simulationstool berechnet die eingebrachte Energiemenge und bringt es dem realen Prozess entsprechend schichtweise auf das Modell auf. Die Abkühlkurven werden bestimmt und in einer nachfolgenden mechanischen Berechnung als Last beaufschlagt. Neben der Bestimmung von Eigenspannungen und Verformungen lassen sich die Informationen der Temperaturfeldberechnung auch dazu nutzen, die für den Bauprozess kritischen Bereiche zu identifizieren, in denen es zu Wärmestaus kommt. Zum Erhalt einer maßhaltigeren Geometrie können die berechneten Verformungen programmintern genutzt werden, um die Geometrie anzupassen und einen erneuten Simulationslauf zu starten. Ein Eingreifen des Anwenders ist hierbei nicht notwendig, lediglich die Anzahl der gewünschten Iterationen muss vorgegeben werden. Die hinsichtlich eines minimierten Verzugs optimierte Geometrie wird am Ende im STL-Format zur Weiterleitung an die additive Fertigungsanlage ausgegeben.

Wärmestaus beim Bauprozess von Wabenstrukturen, Thermografieaufnahme des Bauprozesses (links), Temperaturfeldberechnung in der Aufbauprozesssimulation (rechts).

Wärmestaus beim Bauprozess von Wabenstrukturen, Thermografieaufnahme des Bauprozesses (links), Temperaturfeldberechnung in der Aufbauprozesssimulation (rechts).

Parallelberechnung dank moderner Grafikkarten

Zur Vorhersage der resultierenden Schmelzbadgeometrie beim Laserstrahlschmelzen auf Mikro- und Millimeterskalen wird am AMLab in Augsburg gegenwärtig in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Aerodynamik und Strömungsmechanik der Technischen Universität München an einem „netzfreien“ Ansatz geforscht, welcher auf der Smoothed Particle Hydrodynamics Methode (SPH) basiert. Ziel des Vorhabens ist es, die Rechenzeit gegenüber konventionellen Computational-Fluid-Dynamic-Lösern (CFD) signifikant zu senken. Hierzu nutzt man auch die Möglichkeiten zur Parallelisierbarkeit der Berechnung, die moderne Grafikkarten bereitstellen.

Das nachfolgende Bild zeigt erste exemplarische Ergebnisse der partikelbasierten Schmelzbadsimulation, die zur Vertiefung des Prozessverständnisses und zur Prozessoptimierung verwendet werden kann.

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