Neuartiges Verfahren für hohes Bauvolumen

3D-Druck-Verfahren erweisen sich momentan für den Formenbau im Bauwesen vor allem wegen der geringen Auftragungsraten noch als unwirtschaftlich. Das Institut für Fertigungstechnik und das Institut für Tragwerksentwurf der TU Graz entwickelten deshalb gemeinsam mit The Art Factory GmbH und Unterstützung der SFG ein vollkommen neuartiges 3D-Druck-Verfahren für den Formenbau auf der Basis von Salzhydraten.

Erstmalig hergestellte Gussform aus Wellstruktur (im mittleren Bereich) und Schichtenstruktur (im oberen und unteren Bereich) durch Variation der Prozessparameter im Druckprozess. Höhe ca. 10cm

Erstmalig hergestellte Gussform aus Wellstruktur (im mittleren Bereich) und Schichtenstruktur (im oberen und unteren Bereich) durch Variation der Prozessparameter im Druckprozess. Höhe ca. 10cm

DI Dr.tech. Markus Brillinger
Senior Researcher, Pro2Future GmbH

„Der Einsatz der Additiven Fertigung in Schulen trägt bei den Schülern zur Entwicklung eines ausgeprägten räumlichen Vorstellungsvermögens bei (Denken in 3D).“

Konventionell erfolgt die Herstellung von Schalungen im Bauwesen durch die Montage von Holzplatten zu einer Gussform. Um diesen Prozess schneller und flexibler zu gestalten, bieten sich additive Fertigungsverfahren zur Gussformherstellung an. Speziell Polymere erscheinen für diesen Einsatz naheliegend. Der Nachteil liegt jedoch darin, dass derartige Verfahren in größeren Dimensionen, wie es im Bauwesen üblich ist, aufgrund der geringen Materialauftragungsrate nicht wirtschaftlich sind. Eine Alternative könnte das vom Institut für Fertigungstechnik sowie dem Institut für Tragwerksentwurf der TU Graz gemeinsam mit The Art Factory GmbH auf der Basis von Salzhydraten entwickelten AM-Verfahren darstellen.

Eine unterkühlte Lösung aus einem Gel-Wärmekissen wird auf eine ebene Fläche ausgeleert. – Ein Salzhydrat-Stalagmit entsteht. Potenzial für hohes Materialauftragungsvolumen.

Eine unterkühlte Lösung aus einem Gel-Wärmekissen wird auf eine ebene Fläche ausgeleert. – Ein Salzhydrat-Stalagmit entsteht. Potenzial für hohes Materialauftragungsvolumen.

Bahnbrechendes Material

Als Salzhydrate werden Salze bezeichnet, die im kristallinen Zustand (i.d.R. bei Raumtemperatur) Wassermoleküle in definierten Anteilen an die Kristallstruktur gebunden haben (Kristallwasser). Beim Erwärmen und Erreichen der Lösungstemperatur lösen sich diese Salze im eigenen Kristallwasser auf (Lösung). Viele Salzhydrate besitzen die Eigenschaft, dass die Lösungstemperatur beim Erwärmen von der Kristallisationstemperatur beim Abkühlen (erstarren) abweicht. Die Lösung kann um eine bestimmte Temperatur unter die Lösungstemperatur abgekühlt werden, ohne zu erstarren (unterkühlte Flüssigkeit). Wird die Kristallisationsreaktion der unterkühlten Flüssigkeit getriggert, kristallisiert diese mit einer hohen Geschwindigkeit aus. Diese Eigenschaft wird in dem nun folgenden 3D-Druck-Verfahren für Natriumacetat-Trihydrat genutzt. Das Salzhydrat Natriumacetat-Trihydrat (Anm.: viele kennen es von den damit befüllten Taschenwärmekissen) zeichnet sich im Gegensatz zu anderen Salzhydraten durch eine geringe Lösungstemperatur (58° C), keine Toxizität, einen relativ neutralen pH-Wert als Lösung (7,5) und eine komplette Wiederverwertbarkeit bei gleichzeitig niedrigen Beschaffungskosten aus. Diese Wiederverwertbarkeit ergibt sich dadurch, dass das kristallisierte Salzhydrat durch Schmelzen wieder in Lösung gebracht und somit erneut verwendet werden kann.

Ausguss Beton: Oberflächlich ausgehärteter Beton in der Gussform. Kein Auflösen der Salzhydrat-Form ersichtlich.

Ausguss Beton: Oberflächlich ausgehärteter Beton in der Gussform. Kein Auflösen der Salzhydrat-Form ersichtlich.

Neuartiges Verfahren

Zu Beginn werden Natriumacetat-Trihydrat und Wasser gemischt (43 % Wasser, 57 % Natriumacetat-Trihydrat). Ein Erhitzen bewirkt den Übergang in eine Lösung. Im Anschluss wird die Lösung mit einer Pumpe zu einer im Druckkopf integrierten Düse befördert. Unmittelbar vor dem Austritt aus der Düse erfolgt eine Abkühlung der Lösung auf etwa der Kristallisationstemperatur. Die anschließend aus der Düse beförderte Flüssigkeit unterkühlt und kristallisiert beim Auftreffen auf der Bauplattform rasch aus. Die Auftragsraten können dabei, je nach Düse, bei mehr als 1 kg pro Stunde liegen. Besonders hervorzuheben ist die signifikant unterschiedliche Oberflächenstruktur, welche durch geringfügige Modifikation der Prozessparameter während des Applizierens erzeugt werden kann. Ebenso ermöglicht die Technologie prozessbedingt eine „Selbstheilung“ fehlerhafter Strukturen. Der Druckprozess befindet sich momentan etwa auf TRL 4/5. (Anm.: TRL steht für Technology Readiness Level, auf Deutsch Technologie-Reifegrad, und gibt auf einer Skala von 1 bis 9 an, wie weit eine Technologie entwickelt ist). Das Verfahren wurde 2017 zum Patent angemeldet.

Entformt: Well- und Schichtenstruktur der Salzhydrat-Gussform wird an Betonobjekt übertragen und ist nach Entformung dauerhaft als Abbild an der Betonoberfläche abgebildet.

Entformt: Well- und Schichtenstruktur der Salzhydrat-Gussform wird an Betonobjekt übertragen und ist nach Entformung dauerhaft als Abbild an der Betonoberfläche abgebildet.

Lehre und Ausbildung

Die Ungiftigkeit des Materials und auch die niedrigen Materialkosten sowie dessen Wiederverwendbarkeit qualifiziert dieses Verfahren besonders für die Lehre und Ausbildung. Der Einsatz der Additiven Fertigung in Schulen trägt bei den Schülern zur Entwicklung eines ausgeprägten räumlichen Vorstellungsvermögens bei (Denken in 3D). Ebenfalls ist der Einsatz in der Ausbildung denkbar, um kreative Produktideen rasch zu veranschaulichen. Für Studierende der Architektur erschließt sich dieses Verfahren beispielsweise als Möglichkeit, um digital gestaltete Strukturelemente von Gebäuden modellhaft auf ihr geometrisches Zusammenwirken hin zu untersuchen.

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