Hochschule Furtwangen Exoskelett: Etablierte und neue Konstruktionsmethoden geschickt kombinieren
Herausforderung „Additive Fertigung“ in der Lehre: Additive Fertigungsverfahren verändern die An- und Herausforderungen beim Produktdesign. Essenziell für ihre erfolgreiche und nachhaltige Etablierung neben traditionellen Verfahren ist die Berücksichtigung ihrer Spezifika bei der Ausbildung junger Ingenieure.
Im Rahmen einer Abschlussarbeit wurde ein Produktentstehungsprozess für hochgradig individualisierte Produkte unter Nutzung von 3D-Scanning, modernen Modellierungsmethoden und Additiver Fertigung erarbeitet. Als konkretes Beispiel diente die Entwicklung eines Unterarm-Exoskeletts.
Im Mittelpunkt des Masterstudienganges Wirtschaftsingenieurwesen – Product Innovation stehen neue Technologien wie die Additive Fertigung und die intelligente Produktion.
Forschung, Lehre und Praxis sollten Hand in Hand miteinander gehen. Haben Sie Interesse an gemeinsamen Abschlussarbeiten oder Projekten? Dann wenden Sie sich gerne an den Studiendekan Hans-Georg Enkler: eha@hs-furtwangen.de
Weitere Infos gibt es unter wpi.hs-furtwangen.de
Additive Fertigungsverfahren scheinen die zahlreichen Restriktionen, die traditionelle Fertigungsmethoden dem Produktdesign bislang auferlegen, mit einem Mal aufzuheben. Völlige Freiheit in der Formgebung, Unabhängigkeit von Werkzeugen, bedarfsgerechte Produktion auf Abruf und viele weitere attraktive Aspekte werben für Additive Fertigungsverfahren.¹ Doch häufig werden klassische Produktdesigns 1:1 übertragen. Additive Fertigungsverfahren erfordern jedoch ein Umdenken.² Ein wichtiger Ansatzpunkt hierfür ist die Ausbildung junger Ingenieure. Ihnen müssen Vor- und Nachteile, Entwicklungsmethoden und -prozesse aus der zerspanenden und der additiven Welt vermittelt werden.
Mit Hilfe eines 3D-Scanners wurde ein Unterarm digital erfasst, über eine Topologieoptimierung ein Designvorschlag erarbeitet und mit einem im Industriedesign etablierten Modellierungswerkzeug in einen Demonstrator umgesetzt.
Prof. Dr.-Ing. Hans-Georg Enkler
Studiendekan des Masterstudienganges Wirtschaftsingenieurwesen – Product Innovation an der Hochschule Furtwangen
„Die Additive Fertigung erfordert neue Denk- und Herangehensweisen.“
Konstruktion und Design
Extrudieren, drehen, verrunden – Regelgeometrien und klassische Werkzeuge in CAD-Umgebungen sind perfekt auf traditionelle Fertigungsverfahren abgestimmt. Sie sind zurecht fest in den Köpfen von Konstrukteuren verankert. Doch sind diese Geometrien wirklich optimal, wenn additive Fertigungsverfahren doch weitaus größere Gestaltungsfreiheit versprechen? Eine Anlehnung an die Natur und ihre teils enorm komplexen Strukturen drängt sich geradezu auf. Werkzeuge aus der Design-, Animations- und Videospielebranche erscheinen plötzlich auch für Ingenieure attraktiv. Ein wichtiges Merkmal dieser Werkzeuge: Designer arbeiten weit weniger mit konkreten Maßen. Sie arbeiten an fließenden Formen, orientieren sich an Aussehen und Ästhetik. Nicht zu Unrecht wachsen diese beiden Entwicklungs-/Designumgebungen – Konstruktion und Design – immer mehr zusammen. Unbedingt sollte in der Ausbildung auch beides berücksichtigt werden. Wie so häufig gibt es jedoch gerade an den Schnittstellen beider Welten noch Hürden zu überwinden.
Die Frage nach dem optimalen Design bringt zwangsläufig auch die Frage mit sich, wie denn überhaupt das optimale Bauteil aussieht. Die Anlehnung an die Natur ist sinnvoll, aber mit konventionellen Verfahren meist nur schwer bis gar nicht realisierbar. Als Beispiel sei die Topologieoptimierung genannt. Deren Resultate liefern Inspiration für die Produktentwicklung. Da sie oft eine komplexe Geometrie hervorbringt, stellt die Umsetzung in ein mit traditionellen Verfahren fertigbares CAD-Modell jedoch eine Herausforderung und ein Entfernen vom Optimum dar. Designer nutzen andere Konstruktionsweisen, arbeiten beispielsweise mit subdivision Surfaces, mit denen einfach und intuitiv weiche Flächen modelliert werden können. Derartige alternative Modellierungsweisen müssen unbedingt ebenfalls in den Köpfen junger Ingenieure verankert werden, zuerst aber vor allem bei den Lehrenden ankommen.
B. Eng. Leonard Sporleder
Student an der Hochschule Furtwangen
„Schon im Studium praxisnah mitforschen zu können, motiviert ungemein.“
Und was heißt das für die Lehre?
Es zeigt sich, dass Studierende sehr gerne eine Eigenkonstruktion additiv fertigen lassen, wenn sie denn die Möglichkeit dazu haben. Dabei werden jedoch häufig anfallende Kosten, benötigte Zeit, Qualität etc. ignoriert. Bei vielen der Konstruktionen wäre ein traditionelles Fertigungsverfahren besser gewesen. Die Additive Fertigung übt offenbar einen enormen (und positiven) Reiz aus, Neues zu erkunden. „Dies muss adressiert und unterstützt werden. Jedoch muss den Studierenden vermittelt werden, wann es schneller, einfacher, kostengünstiger, genauer etc. ist, ganz klassisch ein Blech zu biegen oder ein Teil zu fräsen. Es muss vermittelt werden, wann Additive Verfahren sinnvoll sind und wann eher nicht“, betont Prof. Dr.-Ing. Hans-Georg Enkler, Studiendekan des Masterstudienganges Wirtschaftsingenieurwesen – Product Innovation an der Hochschule Furtwangen. „Weiterhin sollte die Ausbildung vor allem auch Ausprobieren heißen – um von Chancen und Risiken nicht nur gehört, sondern sie auch praktisch erlebt zu haben. Additive Fertigungsverfahren entwickeln sich rasant weiter, so dass teils noch gar keine geeigneten Herangehensweisen oder Fertigungsparameter bekannt sind. Wenn darauf geachtet wird, dass die Studierenden gezielt und methodisch vorgehen, kann auch die Grundlage für den Umgang mit künftigen, vielleicht noch gar nicht absehbaren Verfahren gelegt werden.“
Theorie in Innovationsprojekt anwenden
Im noch jungen Masterstudiengang Wirtschaftsingenieurwesen – Product Innovation der Hochschule Furtwangen werden klassische Vorlesungen und ein Innovationsprojekt miteinander verwoben. Es hat sich als wertvoll erwiesen, dass Studierende neben ihren Vorlesungen die dort erlernte Theorie direkt in einem ein Jahr laufenden Innovationsprojekt anwenden. Anhand einer umfassenden Aufgabenstellung steht es den Studierenden weitgehend frei, wie sie das vorgegebene Ziel erreichen. Dieses umfasst stets die Entwicklung eines konkreten Demonstrators/Prototyps. In einem studentischen Projekt ist es wichtig, dass Lehrende gewisse Freiheiten lassen, Experimentierfreude unterstützen, auch andere Ansätze als die klassischen fördern. Natürlich erweisen sich nicht alle beschrittenen Wege im Nachhinein als erfolg-, aber stets lehrreich – sowohl für Studierende als auch Lehrende.
Einige Aspekte, die im Masterstudiengang beleuchtet werden: Die Additive Fertigung ist prädestiniert für Leichtbau, denn es kann (zumindest annähernd) die optimale Bauteilgestalt gefertigt werden. Leicht heißt aber auch speziell. Junge Ingenieure sollten daher damit konfrontiert werden, dass Lastfälle genau bekannt sein müssen – ansonsten ist ein Bauteil vielleicht leicht, aber es versagt in der Praxis bei den nie vermeidbaren Streuungen von Last, Geometrie etc. Daher wird dies gemeinsam diskutiert und Entwürfe kritisch hinterfragt. Wie von selbst ergeben sich dann weitere Fragen: Wie verhalten sich die Materialien bei kritischen Lasten? Wie kann mit begrenztem Bauraum umgegangen werden? Welche Verbindungstechniken eignen sich? Diese Eigendynamik sollte von Lehrenden aufgegriffen, in sinnvollen Bahnen gelenkt und unterstützt werden.
Entwicklung eines Unterarm-Exoskeletts
Im Rahmen einer Abschlussarbeit im Bachelorstudiengang Wirtschaftsingenieurwesen – Product Engineering wurde ein Produktentstehungsprozess für hochgradig individualisierte Produkte unter Nutzung von 3D-Scanning, modernen Modellierungsmethoden und Additiver Fertigung erarbeitet. Als konkretes Beispiel diente die Entwicklung eines Unterarm-Exoskeletts. Mit Hilfe eines 3D-Scanners wurde ein Unterarm digital erfasst, über eine Topologieoptimierung ein Designvorschlag erarbeitet und mit einem im Industriedesign etablierten Modellierungswerkzeug in einen Demonstrator umgesetzt. Dieser wurde anschließend mittels Additiver Fertigung hergestellt. Im Vordergrund standen ein möglichst rasch durchlaufbarer Prozess sowie die Lösung von Herausforderungen an den Schnittstellen der einzelnen Technologien. Der Prozess wird nun in einer Folgearbeit auf individuelle Bauteile für den Ausbau im Caravaning-Bereich übertragen.
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