Das ILK an der TU Dresden untersucht die Fügezonengestaltung für Gewindeeinsätze bei FLM-Technik
Metallische Gewindeeinsätze sind eine etablierte Variante, um lösbare und sichere Verbindungen in Fused-Layer-Modeling (FLM)-Bauteilen zu schaffen. Untersuchungen am ILK der TU Dresden zeigen, dass die Belastbarkeit solcher Gewindeeinsätze signifikant von den Druckparametern sowie der Fügezonengestaltung im FLM-Bauteil beeinflusst wird. Nun ist ein Forschungsprojekt zur Erarbeitung praxisrelevanter Gestaltungsrichtlinien gestartet, um die Auslegung von Fügezonen für Gewindeeinsätze in FLM-Bauteilen zu ermöglichen.
Untersuchungen am ILK der TU Dresden demonstrieren, dass die Tragfähigkeit von Gewindeeinsätzen in FLM-Bauteilen stark von der anisotropen Werkstoffstruktur in der Fügezone abhängig ist, die aus dem schichtweisen Materialaufbau während des FLM-Verfahrens resultiert.
Kontakt Forschungsprojekt AM-Sert
Interessierte Unternehmen richten sich bitte an:
Christian Vogel
+49 351-463-38138
christian.vogel@tu-dresden.de
Eine zentrale Herausforderung bei der industriellen Nutzung von FLM-Komponenten ist die Verbindung mit anderen Bauteilen und/oder Baugruppen. Hierfür stehen die klassischen Fügetechniken (z.B. Kleben, Schweißen oder Schrauben) zur Verfügung, wie sie auch bei spritzgegossenen Kunststoffkomponenten oder Faser-Kunststoff-Verbundbauteilen Anwendung finden. Um lösbare, sichere, langzeitstabile und für die Wiederholmontage geeignete Verbindungen mit FLM-Bauteilen zu ermöglichen, hat sich zudem die Verwendung von metallischen Gewindeeinsätzen als sogenannte extrinsische Schnittstelle etabliert.
Abbildung 1: Stehend vs. liegend: Die Druckrichtung der Prüfkörper (rechts) zeigt einen signifikanten Einfluss auf die Verbindungsfestigkeiten (links).
Christian Vogel
Bereichsleiter Generative Technologien am ILK der TU Dresden
„Additive FLM-Bauteile können durch die Kombination mit metallischen Gewindeeinsätzen weit mehr als nur Prototypen sein. Hier setzen wir an und erarbeiten Gestaltungsrichtlinien zur anforderungsgerechten Auslegung der entsprechenden Fügestellen, um so das Einsatzspektrum von additiven FLM-Bauteilen für Leichtbauanwendungen zu erweitern.“
Gestaltung der Fügezone bestimmt Tragfähigkeit
Zur Integration von metallischen Gewindeeinsätzen in Kunststoffbauteile existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Technologien, wobei die Gestaltung der Fügezone die Tragfähigkeit der Verbindung stark beeinflusst. Für die Einbringung von Gewindeeinsätzen mittels Ultraschall in thermoplastische Bauteile existieren beispielsweise bereits Konstruktionsrichtlinien zur Gestaltung der Aufnahmebohrung, da diese maßgeblich zur Verankerungsfestigkeit der Gewindeeinsätze beiträgt. So kann ein Untermaß der Bohrung zu Spannungen und Rissen im Kunststoff führen, wohingegen ein Übermaß die maximalen Auszugskräfte und Überdrehmomente reduziert. Jedoch lassen sich derartige Gestaltungsrichtlinien nicht direkt auf additiv gefertigte FLM-Bauteile übertragen, da sie die inhomogene Werkstoffstruktur und den anisotropen Aufbau in der Fügezone nicht berücksichtigen.
Abbildung 2: Exemplarische Versagensbilder im Auszugstest: links stehend und rechts liegende Probekörper. Die Versagensart der Prüfkörper gibt Einblick in ihren inneren Strukturaufbau und unterstreicht dessen Einfluss auf die Tragfähigkeit.
Prof. Dr.-Ing. Niels Modler
Professur für Funktionsintegrativen Leichtbau am ILK der TU Dresden
„Der Leichtbau kann durch bionische Verstärkungsstrukturen, Multi-Material-Design und maßgeschneiderte Faserverbundtechnologien von der Additiven Fertigung enorm profitieren. Durch die Entwicklung dafür angepasster Verbindungslösungen erweitern wir den Gestaltungsspielraum von hybriden Leichtbaustrukturen um ein Vielfaches.“
Anisotropie von FLM-Bauteilen zeigt Wirkung
Erste Untersuchungen am ILK demonstrieren, dass die Tragfähigkeit von Gewindeeinsätzen in FLM-Bauteilen stark von der anisotropen Werkstoffstruktur in der Fügezone abhängig ist, die aus dem schichtweisen Materialaufbau während des FLM-Verfahrens resultiert. Insbesondere die Wahl der Druckparameter sowie die Gestaltung der Fügezone zeigten einen signifikanten Einfluss auf die erzielbaren Verbindungsfestigkeiten. So wurden u. a. die Druckrichtung (stehend, liegend; siehe Abbildung 1 sowie der Nenndurchmesser der Aufnahmebohrung untersucht. Die Prüfkörper wurden im FLM-Verfahren gefertigt und anschließend mit metallischen Gewindeeinsätzen im Warmeinbettverfahren bestückt.
Aus den Untersuchungen lässt sich ableiten, dass Prüfkörper stehend (grün) signifikant höhere Auszugskräfte erzielen als Prüfkörper liegend (blau). Auch die Geometrie der Fügezone zeigt Wirkung – die durchschnittliche Auszugkraft für Prüfkörper mit einer kleineren Aufnahmebohrung liegt deutlich über der Auszugkraft bei Prüfkörpern mit größerer Aufnahmebohrung. Diese Unterschiede in der Tragfähigkeit ließen sich auch im Versagensverhalten beobachten. Durch das Ausziehen des Inserts kommt es zu einem Spannungsanstieg im oberen Bereich eines liegend orientierten Prüfkörpers (siehe Abbildung 2 rechts). Infolgedessen spaltet sich der Prüfkörper kopfseitig auf. Die interlaminare Festigkeit zwischen den Druckschichten wird durch die induzierten Spannungen überschritten, wodurch sich die Lagen im Bereich des geringsten Querschnitts der Probe voneinander lösen. Bei den Prüfkörpern, welche stehend gedruckt wurden, kam es nicht zu einem makroskopisch sichtbaren interlaminaren Versagen (siehe Abbildung 2 links). In diesem Fall wurde der Gewindeeinsatz mit den ihn umgebenden Wandlinien aus dem Prüfkörper gezogen.
Die Untersuchungen zeigen, dass die verfahrensbedingt anisotropen Eigenschaften im FLM-Verfahren hergestellter Bauteile einen signifikanten Einfluss auf die Tragfähigkeit von eingebetteten Gewindeeinsätzen haben. Daher ist es notwendig in Anlehnung an die Gestaltungsrichtlinien DVS 2240 und 2216 für Insertverbindungen, wissenschaftlich fundierte Gestaltungsgrundlagen für additiv hergestellte Bauteile zu schaffen. Dabei sind neben konstruktiven Restriktionen auch die mechanischen Kennwerte für die Auslegung von Fügeverbindungen für verschiedene additive Konstruktionsmaterialien erforderlich.
Forschungsprojekt AM-Sert gestartet
Vor diesem Hintergrund ist am Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK) ein Forschungsprojekt in Kooperation mit dem Kunststoff-Zentrum Würzburg (SKZ) gestartet, um ein umfangreiches Verständnis bei der nachträglichen Integration von Gewindeinserts in FLM-Bauteilen zu erarbeiten. Dabei sollen insbesondere die Auswirkungen von prozesstechnischen und geometrischen Einflussfaktoren auf die Verbindungseigenschaften untersucht werden. Das hohe Potenzial von Gewindeeinsätzen in FLM-Bauteilen wird zudem durch die Erarbeitung praxisrelevanter Gestaltungsrichtlinien herausgestellt und befähigt so Anwender und Konstrukteure zur anforderungsgerechten Auslegung derartiger Verbindungssysteme.
Das Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik der TU Dresden
Am ILK werden umfangreiche Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiet des ressourcenschonenden Leichtbaus in Multi-Material-Design durchgeführt. So stützen sich die ILK-Wissenschaftler auch bei der Entwicklung von innovativen Verbindungssystemen auf langjährige Erfahrung in der Konstruktion, Auslegung und Fertigung komplexer Strukturen aus verschiedenen Werkstoffen (wie etwa Faser-Kunststoff-Verbunden) und berücksichtigen dabei die gesamte Entwicklungskette – Material, Konstruktion, Simulation, Fertigung, Prototyp, Test, Qualitätssicherung sowie Kosten und Nachhaltigkeit. Für die Entwicklung und Umsetzung anforderungsgerechter Verbindungssysteme mit Gewindeeinsätzen in FLM-Bauteilen ist das am ILK vorhandene tiefgreifende Werkstoff- und Strukturverständnis gekoppelt mit dem vorhandenen Fertigungs- und Prozesswissen somit ein idealer Ausgangspunkt.
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