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Was additive Fertigung wirklich kann

Wenn das Gespräch auf die additive Fertigung oder den 3D-Druck kommt, dann herrschen unterschiedliche Meinungen vor. Die Bandbreite reicht von den Skeptikern, die die Technologie für unausgereift und irrelevant halten bis zu jenen, die denken dass damit innerhalb weniger Jahre sämtliche konventionelle Herstellungsverfahren abgelöst werden. Wie so oft liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Autor: Georg Schöpf / x-technik

Die Möglichkeit, einbaufertige Teile schnell und einfach herzustellen, eröffnet sowohl im Rapid Prototyping als auch im Rapid Manufacturing neue Möglichkeiten, Durchlaufzeiten zu reduzieren. (Bild: 3D Systems)

Die Möglichkeit, einbaufertige Teile schnell und einfach herzustellen, eröffnet sowohl im Rapid Prototyping als auch im Rapid Manufacturing neue Möglichkeiten, Durchlaufzeiten zu reduzieren. (Bild: 3D Systems)

Seit einigen Jahren erleben additive Fertigungsverfahren – im Allgemeinen auch gerne als 3D-Druck bezeichnet – einen wahren Boom. Ausgelöst wurde dieser wohl durch das RepRap-Projekt von Adrian Bowyer, einem britischen Ingenieur und Mathematiker, der einen 3D-Drucker baute, der nach dem FDM-Verfahren (Fused Deposition Modeling) arbeitet und anschließend die Baupläne im Rahmen der GNU General Public License der Allgemeinheit zu Verfügung stellte. Seine Konstruktion war so ausgelegt, dass sie für jeden bau- und nutzbar sein sollte. Ziel war es, durch Replikation eine möglichst weite Verbreitung zu erzielen. Aus diesem Projekt sind eine schiere Unmenge von Geräten und Varianten hervorgegangen, die das Thema additive Fertigung ins Licht der Allgemeinheit gerückt hat.

Hybridmaschinen, in denen durch Pulverlaserauftragsschweißen Geometrien hinzugefügt und anschließend zerspanend nachbearbeitet werden können, erlauben einen höheren Komplexitätsgrad ohne Einbußen in der Genauigkeit.

Hybridmaschinen, in denen durch Pulverlaserauftragsschweißen Geometrien hinzugefügt und anschließend zerspanend nachbearbeitet werden können, erlauben einen höheren Komplexitätsgrad ohne Einbußen in der Genauigkeit.

Eigentlich nicht so neu

Dabei ist die Idee alles Andere als neu. Bereits 1984 entwickelte der Amerikaner Chuck Hull mit einem Stereolithografiegerät die erste brauchbare Maschine mit der man Werkstücke durch Hinzufügen von Material erstellen konnte. In den darauffolgenden Jahren ist eine Vielzahl von Verfahren hinzugekommen. Diese unterscheiden sich sowohl in der Technologie, wie die Bauteile entstehen, als auch in den Materialien, die verarbeitet werden können. Allen Verfahren gemeinsam ist, dass die Werkstücke zunächst in digitaler Form vorliegen müssen. Dieses wird dann über eine slicing-Software in die einzelnen Modellschichten zerlegt, wie sie im Anschluss vom Fertigungsgerät aufgebaut werden sollen.

Je nach Verfahren müssen für Überhänge, Auskragungen oder besonders feine Strukturen Stützgeometrien – manchmal auch Supportgeometrie genannt – angefügt werden. Diese müssen nach dem Herstellungsprozess wieder entfernt werden. Diese Stützgeometrien können entweder aus dem gleichen Material bestehen, wie das eigentliche Bauteil, oder aber aus einem speziellen Supportmaterial, das sich leicht entfernen lässt.

Selbst komplexeste Geometrien sind mit additiven Verfahren herstellbar. Das bietet eine bislang ungeahnte Designfreiheit. (Bild: rsc engineering/concept Laser)

Selbst komplexeste Geometrien sind mit additiven Verfahren herstellbar. Das bietet eine bislang ungeahnte Designfreiheit. (Bild: rsc engineering/concept Laser)

Doch nicht so einfach wie man glaubt

Angesichts der Vielzahl an Verfahren und Materialien wird schnell klar, dass nicht jedes Verfahren für sämtliche Anwendungen geeignet ist. Bei oberflächlicher Betrachtung scheint es, als wären mit den Technologien der additiven Fertigung der Herstellung von Bauteilen aus unterschiedlichsten Werkstoffen keine Grenzen mehr gesetzt. Bei genauerer Betrachtung stellt man jedoch fest, dass in der Auswahl des geeigneten Fertigungsverfahrens sehr wohl unterschieden werden muss, welchen Zweck das fertige Bauteil erfüllen soll. Möchte man beispielsweise eine Designstudie oder ein Ansichtsmodell erstellen, oder aber zielt man darauf ab, Funktionsbauteile herzustellen?

Die Verfahren der additiven Fertigung wurden lange Zeit ausschließlich im Bereich der Designstudien und des Rapid Prototypings eingesetzt. Mit der Entwicklung neuer, leistungsfähigerer Maschinen, mit denen ein wesentlich breiteres Spektrum an Werkstoffen verarbeitet werden können, ist jedoch auch die Möglichkeit des Rapid Manufacturings hinzugekommen, also die schnelle Herstellung von Gebrauchsteilen.

Nach derzeitigem Stand ist allerdings klar, dass die Bauleistungen der verfügbaren Anlagen und Geräte, bis auf wenige Ausnahmen, bestenfalls für Kleinserien und Einzelstücke geeignet sind.

Auch in der strukturmechanischen Beurteilung von Bauteilen geben vollfarbige Modelle Aufschluss über Verbesserungspotenziale. (Bild: Mcor)

Auch in der strukturmechanischen Beurteilung von Bauteilen geben vollfarbige Modelle Aufschluss über Verbesserungspotenziale. (Bild: Mcor)

Neue Herausforderungen

Auf jeden Fall wird erkennbar, dass durch die neuen Verfahren auch ganz neue Herausforderungen im Produktentwicklungsprozess entstehen. Viele Dinge, die Fertigungstechnisch bislang unmöglich schienen, werden plötzlich realisierbar. Sei es im Bereich des Leichtbaus, in der Kombination verschiedener, neuartiger Werkstoffe oder aber im Bereich der Individualisierung von Produkten in der Medizintechnik oder des Verbrauchsgütermarktes.

In der Entwicklung erlebt der Konstrukteur eine völlig neue Gestaltungsfreiheit, die aber auch mit neu zu schaffenden Richtlinien einhergehen, wie mit den neuen Fertigungsverfahren umzugehen sein wird. In der Betrachtung von Materialeigenschaften bestimmter Werkstoffe kommt eine Vielzahl von Parametern hinzu, die zusätzlich auch die innere Struktur des Werkstoffgefüges betreffen.

Ein ganz neues Feld in diesem Zusammenhang ist die Entwicklung organischer Bauteilstrukturen, beispielsweise anhand von Topologieoptimierungen. So scheint es, dass schon in der Ausbildung von Konstrukteuren angesetzt werden muss, damit die neuen Fertigungsverfahren in der Produktentwicklung Fuß fassen können. Umso mehr ist es zu begrüßen, dass bereits heute in den weiterführenden Schulen, Fachhochschulen und Universitäten dem Thema additive Fertigung große Beachtung geschenkt wird.

Auch in bestehenden Fertigungsprozessen ist eine kritische Prüfung angebracht. Oftmals können bestehende Bauteile durch die neuen Verfahren leichter, robuster oder funktionsoptimiert hergestellt werden. Bei der Herstellung einzelner Bauteile ist ebenso häufig eine schnellere Fertigstellung möglich, da umfangreiche Programmierarbeiten oder die Herstellung von Formteilen entfällt.

Jedoch ist auch zu beachten, dass die neuen Fertigungsverfahren weitere Faktoren mit sich bringen die beachtet werden wollen. So ist häufig eine Nachbearbeitung der Oberfläche erforderlich. Anschluss- und Flanschflächen müssen oftmals maßgenau nachbearbeitet werden und nicht zuletzt ist bei bestimmten Verfahren eine thermische Nachbehandlung erforderlich um die gewünschten Materialeigenschaften zu erzielen.

So wünschenswert die neugewonnenen geometrischen Möglichkeiten auch sind, so entstehen dadurch, beispielsweise beim Spannen eines additiv gefertigten Bauteils mit organischen Strukturen, ganz neue Herausforderungen.

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