Formel 1 goes Additive
Hört man den Namen Sauber, entsteht sofort ein Bild von Rennwägen und der Klang von Formel 1-Boliden ertönt im Ohr. Dass die Sauber Engineering AG, das Schwesterunternehmen der Sauber Motorsport AG, im Bereich der Additiven Fertigung ähnliche Spitzenleistungen vollbringt, ist dagegen kaum jemandem bekannt. Am Standort in Hinwil (CH) entsteht additive Hochtechnologie in Spitzenqualität. Von Georg Schöpf, x-technik
Additive Serienfertigung von Komponenten für die Druckindustrie. Die Komponenten haben ein Reengineering erfahren und übertreffen die Ursprungskomponente in Leistung und Widerstandsfähigkeit.
Christoph Hansen
COO Sauber Engineering AG
„Unser wesentlicher Mehrwert besteht darin, dass wir unsere Kunden im Projekt von der Konzeptionsphase bis zum fertigen Teil mit innovativen Vorschlägen und viel AM-Kompetenz zum optimalen Teil begleiten.“
„Es ist manchmal etwas mühsam, im Kundengespräch den Fokus vom Motorsport wegzulenken“, eröffnet Christoph Hansen, COO der Sauber Engineering AG, macht aber kein Hehl daraus, dass die Königsklasse des Motorsports sehr wohl Einfluss auf sein Unternehmen hat. So ist es das erklärte Ziel der Hightech-Schmiede, Formel 1-Technologie für die Industrie verfügbar zu machen.
Bereits seit den 90er Jahren werden bei Sauber Motorsport Außenhautmodelle für den Windkanal generativ gefertigt. Im Laufe der Jahre kamen Technologien hinzu, die es ermöglichten, Formteile für die Carbonteileherstellung und auch Strukturbauteile additiv zu fertigen. Seit 2010 bietet das Unternehmen Fertigungsdienstleistungen auch für externe Kunden aus der Industrie an. „2016 wurde der strategische Schritt unternommen, die Engineering-Dienstleistungen und den Bereich Aerodynamics in gesonderte Bereiche im Unternehmen zu überführen, um flexibler auf die Anforderungen aus dem Markt reagieren zu können. Seit Mitte dieses Jahres kamen diese beiden Geschäftsbereiche dann zusammen und wurden in ein eigenes Unternehmen ausgegliedert. So gibt es jetzt neben der Sauber Motorsport AG auch die Sauber Engineering AG“, erklärt Hansen.
Ursprünglich war der Motorsport wesentlicher Anwendungsbereich für den 3D-Druck. Windkanalmodelle und Fahrzeugelemente bestimmten das Tagesgeschäft.
Den idealen Prozess finden
Als Engineeringdienstleister mit einer enormen Bandbreite an Fertigungsverfahren ist Sauber Engineering in der Lage, auf nahezu jede Anforderung aus dem Markt zu reagieren. „Unser Ansatz baut auf der Strategie auf, das Anwendungsszenario unserer Kunden bis ins Detail zu verstehen, intelligente Lösungen zu finden und diese mithilfe ausgefeilter Engineering-Technologien umzusetzen und zu optimieren. Am Ende des Prozesses steht dann die Fertigung der Komponenten in der jeweils am besten geeigneten Technologie“, präzisiert der COO. Neben additiven Produktionsmaschinen in den Technologien SLS, LPBF und SLA stehen Zerspanungsmaschinen und Anlagen für die Nachbearbeitung ebenso zur Verfügung wie ein hochqualifiziertes manuelles Finish.
„Wir sind in der Lage, mit unseren Fertigungsmethoden Bauteile in HiPAC, das ist carbonfaserverstärktes PA12, verschiedenen SLA-Werkstoffen und in den Werkstoffen AlSi10Mg, Ti64, Edelstahl 1.4404 und Scalmalloy herzustellen. Damit decken wir für unseren internen Kunden Sauber Motorsport sowie für unsere externen Kunden ein Materialspektrum ab, das kaum Wünsche offenlässt“, so Hansen weiter. Sogar eine thermische Nachbehandlung mittels heißisostatischem Pressen können die Schweizer anbieten und sichern somit beste Rahmenbedingungen auch für hochbelastete Teile mit speziellen Dichtigkeits- und Qualitätsanforderungen.
Serientaugliche Technologie
Dabei beschränkt sich die Fertigung aber nicht auf Prototypenteile und Einzelstücke. Auch richtige Serienanwendungen kommen aus der Hightech-Schmiede in Hinwil. „Wir haben Komponenten in der Fertigung, von denen wir mehrere Tausend Stück im Jahr produzieren. Unser Mehrwert liegt darin, dass wir unsere Kunden dabei unterstützen, ihre Produkte zur Serienreife zu entwickeln und dann auch eine Serienproduktion anbieten können, die sich mit konventionellen Fertigungsmethoden nicht realisieren lässt. Dabei legen wir Wert darauf, stets die beste Lösung anzubieten. Das kann auch schon mal dazu führen, dass wir ein Bauteil komplett neu designen und in einem anderen Werkstoff herstellen.“
Konkret wird das an einem Beispiel eines Bauteils aus der Druckindustrie, bei dem ein Kunststoffteil durch ein neu entwickeltes Pendant aus Metall ersetzt wurde, das sich durch verbesserte Funktionalität und geringere Störungsanfälligkeit auszeichnet. Dass bei Sauber Fertigung im großen Stil betrieben wird, ist allein daran zu erkennen, dass die sechs Kunststoff-Lasersinteranlagen, sieben Stereolithografiemaschinen und vier LPBF-Anlagen mit insgesamt acht Fertigungseinheiten nahezu rund um die Uhr betrieben werden. Eine clevere Prozesssteuerung und Fertigungsplanung hilft dabei, Stillstandzeiten zu minimieren. Das Bedienpersonal wurde dafür teilweise sogar zum Servicetechniker weitergebildet, um Anlagen selbst servicieren zu können.
Rekordverdächtige Komponenten
Neben der direkten Additiven Fertigung kann Sauber Engineering auch Teile aus Carbonfaser anbieten. In diesem Falle dient die Additive Fertigung im Wesentlichen zur Erstellung der Formwerkzeuge. Sogar Hybridbauteile aus Metall-/Kunststoffverbund kann man von den AM-Experten bekommen. Die Leistung geht dabei bis hin zur Zertifizierung von Teilen und Prozessen. Man legt diesen hohen Qualitätsmaßstab aber nicht nur bei den zu fertigenden Komponenten an, sondern auch bei sich selbst. Das hat zur ISO 9001-Zertifizierung durch den TÜV-Süd und zeitgleich zur TÜV AM-Zertifizierung geführt.
All diese Leistungen werden von den unterschiedlichsten Industrien genutzt. Sowohl der allgemeine Maschinen- und Anlagenbau als auch die Konsumgüterindustrie nutzen die Leistungsfähigkeit des Schweizer Unternehmens. Aber auch der Spitzensport profitiert von den Möglichkeiten des Full-Service-Providers. So werden im hauseigenen Windkanal, der mit bis zu 80 m/s Wind und Fahrbahngeschwindigkeit nahezu jeden Strömungszustand bei Fahrzeugen abbilden kann, nicht nur Autos, sondern auch Radsportkomponenten optimiert, wie bei der Ausrüstung des Ironman-Triathleten Patrick Langer. Komponenten seines Fahrrades wurden aerodynamisch und gewichtstechnisch optimiert und haben so zum Weltrekord 2018 beigetragen.
Betrachtet man die Komponenten und Teile, die die Fertigung in Hinwil verlassen, erkennt man schnell, dass hier Profis am Werk waren und der Anspruch in die Realität überführt wurde, Formel 1-Technologie für die Serienfertigung verfügbar zu machen.
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