Xometry: Kritiker verstehen den Mehrwert einfach nicht

Digitale Produktionsplattformen und Cloud Manufacturing – ein Wissenschaftler erklärt die Bedeutung für die Zukunft der Produktion: Der Begriff des Cloud Manufacturing sagt den meisten Menschen im verarbeitenden Gewerbe kaum etwas. Dennoch nutzen immer mehr Unternehmen diese Technologie über den Gebrauch digitaler Produktionsplattformen – und sie sind damit hochzufrieden. Robert Henzel untersucht diese innovative Art der Auftragsvermittlung.
Von Dmitry Kafidov, Xometry Europe

Die Plattform Xometry verfügt über eine breite Materialauswahl für die verfügbaren 3D-Druckverfahren.

Die Plattform Xometry verfügt über eine breite Materialauswahl für die verfügbaren 3D-Druckverfahren.

Der Stuttgarter Wirtschaftswissenschaftler ist sicher, dass die Branche mit dem weiteren Wachstum der Plattformen eine fundamentale Veränderung durchmachen wird. Der Trend werde die Effizienz in der Produktion deutlich steigern. Das größte Hindernis für einen echten Durchbruch macht er derzeit in den Köpfen vieler Unternehmer aus: „Wir müssen die Bedenken gegen diese Technologie zerstreuen. Die meisten Kritiker verstehen einfach noch nicht, welchen Mehrwert sie daraus ziehen können“, sagt Henzel.

Dmitry Kafidov ist Geschäftsführer bei Xometry Europe, deren Datenbank bereits mehr als 2.500 Lieferanten umfasst.

Dmitry Kafidov ist Geschäftsführer bei Xometry Europe, deren Datenbank bereits mehr als 2.500 Lieferanten umfasst.

Digitale Auftragsvergabe

Hinter dem Begriff Cloud Manufacturing steckt ein Bereich der sogenannten Plattform-Ökonomie. Diese bringt auf digitalen Marktplätzen Angebot und Nachfrage zusammen. Im Handel sind solche Plattformen längst üblich. Die Industrie tut sich damit noch schwerer, stellt Robert Henzel fest. „Dabei könnte das verarbeitende Gewerbe riesige Vorteile aus der Entwicklung ziehen“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler. Hinter den Plattformen stehen digitale Abläufe statt handelnder Menschen. Komplexe Algorithmen sorgen dafür, dass ein Auftrag automatisch an den geeigneten Produzenten vergeben wird. Also an den verarbeitenden Betrieb, der die besten Maschinen dafür besitzt und zudem freie Kapazitäten hat. Standort und Größe dieser Firma sind weniger wichtig.

Bislang läuft die Suche nach Lieferanten noch über Telefonate, Mails oder gar Faxanfragen durch die Einkäufer. Diese kennen aber immer nur eine begrenzte Anzahl von Geschäftspartnern. Eine digitale Plattform hingegen verfügt über Datenbanken mit oft tausenden angeschlossenen Lieferbetrieben. Aus diesen werden blitzschnell die passenden Firmen ausgewählt – ohne menschliches Eingreifen. Auch der weitere Ablauf spielt sich digital ab: Auftragsannahme, Versandvorbereitung oder Rechnungsstellung finden am Computer statt.

Ein Hersteller ist in diesem Prozess nur noch mit dem beschäftigt, was er ohnehin am besten kann: Die fachgerechte Herstellung von Produkten. Die Vorteile liegen auf der Hand. Ein derart automatisierter Ablauf bedeutet, dass vorhandene Ressourcen am sinnvollsten genutzt werden – für Wirtschaftswissenschaftler ist das der Idealfall. Doch auch die beteiligten Firmen profitieren. Sie arbeiten besonders effizient und damit kostengünstig, weil sie den Leerlauf ihrer Maschinen vermeiden können.

Auf digitalen Marktplätzen können Angebot und Nachfrage unmittelbar zusammengebracht werden und so zu effizienter Auftragsabwicklung führen.

Auf digitalen Marktplätzen können Angebot und Nachfrage unmittelbar zusammengebracht werden und so zu effizienter Auftragsabwicklung führen.

Mut zur Effizienz

Je weiter das System fortschreitet, desto effizienter wird es. „Durchgehende Digitalisierung bedeutet in der Theorie, dass alle nicht wertschöpfenden Prozesse wegrationalisiert werden“, sagt Marktkenner Henzel. Weil Vorgänge nicht auf einem zentralen Rechner, sondern in der Daten-Cloud abgewickelt werden, spricht man vom Cloud Manufacturing. Nach der Theorie der Wirtschaftswissenschaft bildet sich im Laufe der Zeit für jede Branche eine spezialisierte Plattform heraus. So weit sind wir allerdings noch lange nicht. Bislang arbeiten die Plattformen noch branchenübergreifend und vermitteln Aufträge für Automobilhersteller ebenso wie für Zulieferer von Flugzeugherstellern. Auch für die Produktion von Prototypen werden sie häufig genutzt. Kann eine Order mit wenigen Klicks am Bildschirm angenommen werden, sind selbst geringe Losgrößen wirtschaftlich.

Für Marktbeobachter Henzel liegt denn auch in der Effizienz einer der wichtigsten Vorteile der Produktionsplattformen. „Die Unternehmen lasten auf diesem Weg ihre Maschinen wesentlich besser aus. Zugleich verschafft es kleinen Akteuren einen leichteren Marktzugang.“ Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass in dieser Ökonomie die Größe des Spielers zählt. „Je mehr Unternehmen auf einer Plattform versammelt sind, desto größere Vorteile ergeben sich für alle. Und der Effekt verstärkt sich noch, je schneller die Plattform wächst“, stellt Henzel fest.

Die nächste Generation Marktplatz

Bislang ist der Markt recht kleinteilig. Wichtige Mitspieler sind neben Marktführer Xometry Plattformen wie Kreatize, Fractory oder Orderfox. Marktbeobachter Henzel sagt der Branche aber eine Konsolidierung voraus. So war der Anbieter Fabrikado von Kreatize geschluckt worden, der Maschinenbauer DMG Mori beteiligte sich an Up2parts. Auch der Weltmarktführer Xometry hatte sich Anfang 2020 deutlich vergrößert, als die Amerikaner die Nr. 1 in Europa, die deutsche Plattform Shift, übernahmen. Inzwischen arbeitet der in München ansässige Bereich unter dem Namen Xometry Europe und wächst weiterhin rasant. Mehr als 2.500 Lieferanten aus ganz Europa umfasst die Datenbank. Diese Firmen bieten Dutzende von Herstellungsmethoden in der CNC-Bearbeitung und in zahlreichen additiven Verfahren an.

Gerade der 3D-Druck scheint für den innovativen Ansatz wie geschaffen. Xometry-Produktionsleiter Gediminas Puisys erklärt das: „Für die Planung additiver Verfahren müssen digitale Technologien genutzt werden. Da ist der Sprung auf eine Plattform für die Firmen nicht mehr so groß.“ Marktkenner Henzel sieht den Durchbruch der Plattformen eher als Generationsproblem: „Vorbehalte finden wir besonders bei älteren Managern und Unternehmern. Oft halten sie die Datenspeicherung in der Cloud für ein Risiko. Dabei ist sie nicht gefährlicher als ein normaler Internetanschluss. Und den hat schließlich jetzt schon jedes Unternehmen.“

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