Wir müssen über Pulver reden – ein Arbeitsschutzproblem
Pulverbettverfahren bieten in der Additiven Fertigung viele Vorteile. Jedoch stellen die mikroskopisch kleinen Metall- und Kunststoffpartikel auch ein erhebliches Gesundheitsrisiko für die Mitarbeiter dar. Inzwischen ist dies weithin bekannt. Allerdings ist nicht nur das Einatmen kleinster Partikel problematisch: Kontakt mit der Haut und falsche Hautreinigungspraxis werden oft unterschätzt.
Pulverwerkstoffe in der Additiven Fertigung sind oft problematisch im Umgang. Kontakt mit der Haut ist zu vermeiden, lässt sich aber manchmal nicht verhindern.
Die meisten Kollegen, die mit Pulvern arbeiten, können es bestätigen: Selbst bei hohen Standards für die persönliche Schutzausrüstung (PSA), bei Absauganlagen und möglichst geschlossenen Systemen legt sich der feine Pulverstaub auf Kleidung und Oberflächen in der unmittelbaren Umgebung der Anlagen und der Arbeitsplätze für die Nachbearbeitung. Viele Mitarbeiter klagen über einen staubigen Film an den Händen, obwohl diese augenscheinlich sauber aussehen. Dies liegt nicht zuletzt an der Größe der Pulverpartikel selbst.
Wenn beim Händewaschen Pulverpartikel in die Poren der Haut gelangen, spricht man vom Wash-in-Effekt. Dies geschieht vor allem durch Reiben unter Einfluss waschaktiver Substanzen, wie beispielsweise Seife.
Mit dem bloßen Auge fast nicht zu erkennen
Bei Messungen unter dem Rasterelektronenmikroskop zeigt sich eine überraschende Verteilung der Partikelgrößen in den meisten gängigen Metall- und Kunststoffpulvern. Anders als oft angenommen, finden sich im Pulver nicht nur Partikel von 20 bis 60 μm, sondern auch viele deutlich kleinere Partikel, bis in den Nanobereich hinein. Das entspricht etwa dem Hundertstel eines Haares. Dies bringt ein großes Problem für den Arbeitsschutz mit sich: Die kleinen Partikel lassen sich nur sehr schwer von der Haut entfernen. Als Faustregel gilt, dass je kleiner die Partikel sind und je hydrophober das Material ist, desto weniger effektiv ist die Reinigung mit Wasser und Seife.
Metallpulver (Anm.: hier Titanpulver) bringt trotz Siebung auch immer Staubanteile mit, die aufgrund von Partikelanhaftungen entstehen und oft deutlich kleiner als 20 µm sind. Diese können aufgrund ihrer geringen Dimensionen sehr leicht in die Haut eindringen.
Der Wash-in-Effekt
Aktuell greifen Betriebe oft zu Seife bzw. tensidhaltigen Mitteln, um die Haut der Mitarbeiter von Pulvern zu reinigen. Hier ist grundsätzlich Maß geboten: Eine Folge von zu häufiger Reinigung mit Seife können Kontaktdermatitis, Ausschläge, Allergien und dauerhafte Hautschädigungen sein, die zu langfristigen Ausfällen von Mitarbeitern führen können. Darüber hinaus führt die Verwendung von Seife zu einem sogenannten Wash-in-Effekt. Dieser ist gut erforscht und lange bekannt. Er beschreibt, wie Seifen und Tenside die natürliche Hautbarriere schwächen, indem sie den schützenden Talg aus den Hautporen spülen. Dadurch können Gefahrstoffe einfacher die Haut durchdringen und schlussendlich in die Blutbahn gelangen. Hervorzuheben ist, dass viele Mittel und Waschpasten auch sogenannte penetration enhancer und Reibekörper enthalten, die die Hautbarriere noch zusätzlich schwächen. Die Problematik hat bereits Eingang in die technischen Regeln für den Umgang mit Gefahrstoffen (TRGS401) gefunden, die Seifen, Tenside und Lösungsmittel explizit ausschließen, wenn mit solchen Stoffen gearbeitet wird.
powder-ex umschließt die Pulverpartikel und löst sie, ohne die Haut mit Tensiden oder mechanisch zu belasten. So entsteht kein Wash-in-Effekt.
Ständiges Gesundheitsrisiko
Wenn Partikel auf der Haut verbleiben, droht zudem eine orale Aufnahme durch eine Kontaminationsverschleppung. Etwa 400 bis 800 Mal am Tag fasst sich jeder Mensch ins Gesicht: Der Großteil davon an Augen, Nase und vor allem an den Mundraum. Partikel, die hier hingelangen, werden zu etwa 40 % über den Mund vom Körper aufgenommen. Studien zeigen, dass sich die kleinen Metall- und Kunststoffpartikel in den Organen und den Blutgefäßen anreichern können und hier mittelfristig zu Organschäden, verringerter Fruchtbarkeit, Entzündungen und Krebs führen können. Die meisten der in der Additiven Fertigung verwendeten Pulverpartikel können nur sehr langsam oder gar nicht vom Körper abgebaut oder ausgeschieden werden. Ein aktueller Beitrag der Royal Society of Chemistry in Birmingham warnt zusätzlich vor der langsamen Vergiftung durch in Mikro- und Nanoplastik verarbeiteten Brandhemmern, Weichmachern und anderen Additiven.
Das Verunreinigungsthema beschränkt sich nicht nur auf Metallpulver. Auch Polymerpulver sind beim Kontakt mit der Haut bedenklich (hier: PA12).
PSA ist nur ein Baustein
Guter Schutz ist daher sehr wichtig, um die Gesundheitsrisiken für die Mitarbeiter zu minimieren. Die Branche hat bereits große Schritte unternommen, um erste Standards zu etablieren. Allerdings kann nur ein Zusammenspiel verschiedener Bausteine die beste Lösung bieten. Arbeitshandschuhe aus Gewebe sind nicht partikeldicht. Hingegen schützen Einmal- oder Chemikalienschutzhandschuhe sehr gut vor einer direkten Kontamination der Hände, reißen jedoch auch häufig. Oft kommt es überdies beim An- und Ausziehen zur Exposition. Das ist besonders problematisch, da starkes Schwitzen unter den Handschuhen zu einer erhöhten Aufnahme von Partikeln führen kann. Ähnliches gilt auch für das Tragen von Vollschutzanzügen, die zugunsten der Atmungsaktivität Pulverpartikel einlassen können. Mit Absauganlagen lässt sich die Partikelbelastung in der Luft zwar verringern, Studien zeigen jedoch auch, dass diese kaum Effekt auf die Partikelbelastung auf der Haut haben. Ergänzend muss also eine effektive Hautreinigung stehen, die die Hautbarriere nicht belastet und sich einfach anwenden lässt.
Technologischer Durchbruch aus der Nanoforschung
Die Firma DermaPurge, eine Ausgründung vom Leibniz-Institut für Polymerforschung in Dresden, hat hier einen Durchbruch in der Entwicklung eines sehr effektiven Hautreinigungsmittels für den Arbeitsschutz mit Pulvern erzielt. Anders als herkömmliche Mittel enthält powder-ex keine Seife oder Penetrationsverstärker. So wird der Wash-in-Effekt verhindert und die Hautbarriere bleibt intakt. Es basiert auf dem Zusammenspiel von Aktivkohle und Schichtsilikaten, welche die Partikel umschließen, sodass diese mit kaltem Wasser von der Haut gewaschen werden können. Mittlerweile kommt powder-ex täglich in verschiedenen Industriezweigen zum Einsatz – insbesondere dort, wo mit feinen Partikeln gearbeitet wird oder diese beim Fräsen, Schleifen oder Polieren entstehen. Die Firma bietet auch Beratungen zur Hautreinigung im Arbeitsschutz an.
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