interview
Die Möglichkeiten sind enorm
Professor Jürgen Stampfl von der TU Wien hat das innovative Verfahren Hot Lithography des österreichischen Unternehmens mitentwickelt. Der Werkstoffwissenschaftler verrät, wie es die Additive Fertigung auf die nächste Stufe hebt.
Der Werkstoffwissenschaftler Professor Jürgen Stampfl von der TU Wien war maßgeblich an der Entwicklung der Hot Lithography-Technologie beteiligt. Das Team von Cubicure und der TU Wien drehte den Spieß um und formulierte Harze, die die Bedürfnisse des Marktes für serienreife Produkte decken.
Bei der Hot Lithography werden Photopolymere verarbeitet. Welche Vorteile haben sie im Vergleich zum SLS-Werkstoff Polyamid?
Photopolymere wie die Harze von Cubicure können viel einfacher modifiziert werden. So sind deutlich einfachere Anpassungen an die jeweilige Anwendung möglich. Mit anderen Worten: Wir können am Material noch spielen. Bei Polyamid ist die Werkstoffpalette hingegen eingeschränkt. Der zweite große Vorteil ist die höhere Präzision der gedruckten Teile. Beim Pulver limitiert die Partikelgröße von 50 bis 60 Mikrometer die kleinstmöglichen Features. Bei der Hot Lithography sind zudem transparente Bauteile realisierbar.
Wie viel Potenzial steckt noch im Verfahren?
Die Möglichkeiten sind enorm – gerade im höherpreisigen Segment bei kleinen und komplexen Bauteilen. Da kann das Spritzgießen nicht mithalten. Der Weg führt meiner Ansicht nach ganz klar von der Nische in einen großen industriellen Anwendungsbereich. Unternehmen wie 1zu1 erweitern diesen nun Schritt für Schritt in der Praxis. Die patentierte Technologie von Cubicure ist schon auf das Wachstum vorbereitet. Das Prozessfenster ist bewusst sehr groß angelegt und erlaubt daher viele weitere materialseitige Neuentwicklungen. Man darf gespannt sein.
Die Stereolithografie ist die 3D-Druck-Technologie für hochwertige Designmodelle mit feinsten Detailabbildungen schlechthin – also alles andere als für die Serienfertigung prädestiniert. Wie kommt es, dass die Lithografie für Cubicure zur Basis wurde?
Das Potenzial war von Anfang an da. Wir haben nur die Perspektive gewechselt und das Material in den Blick genommen. Dabei konnten wir an der TU Wien unsere Erfahrungen mit 3D-gedruckten Keramiken nutzen. Dort hatten wir bereits die Viskosität der Harze erhöht – und dadurch bessere Ergebnisse erzielt. Diese Erkenntnisse flossen dann in die Arbeit mit den Kunststoffen.
Was sind die größten Herausforderungen bei der Entwicklung neuer Materialien?
Schöne Bauteile mit schlechten Eigenschaften sind mittels Stereolithografie schnell gemacht. Wenn sie aber nach 24 Monaten in der Sonne noch gut aussehen und den Sturz vom Tisch schadlos überleben sollen, braucht es mehr. Bei der chemischen Formulierung der Harze kommt es auf die Balance an. Ein Beispiel: Je höher die Warmformbeständigkeit, desto geringer die Bruchzähigkeit. Nach dem Material kommen noch zahllose kleine Details in der Verarbeitung wie die Wahl des Lasers und die Belichtung dazu.
Der Markt schläft nicht. Wie groß ist der Vorsprung von Cubicure?
Cubicure verfügt über zahlreiche Patente und eine eigene Material- und Prozessentwicklung als Alleinstellungsmerkmal. Cubicure offeriert Werkstoffe, die biokompatibel, gesundheitlich unbedenklich und damit bereits auf künftig zu erwartende Regulatorien abgestimmt sind. Partnerschaften wie die mit 1zu1 liefern zudem wertvolle praktische Erfahrungswerte. Davon profitieren alle Seiten.
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