High-End-Komponenten von Trivion aus dem Ennstal
Nach der Ausgründung aus der Umdasch Gruppe hat die Trivion 3D Druck & Engineering GmbH in Gröbming im Ennstal (A) eine neue Heimat gefunden. Mit einem erweiterten Leistungsportfolio bietet das AM-Dienstleistungsunternehmen die gesamte additive Prozesskette von der Entwicklung bis zum fertigen Produkt.
Auch bei den Schalldämpfern aus Ti6Al4V müssen die Funktionsflächen wie Gewinde und Auflageflächen mechanisch nachbearbeitet werden.
Shortcut Polymer:
Aufgabenstellung: Fertigung von Mittelschäften für Jagdgewehre.
Material: PA12.
Lösung: SLS-Fertigung auf EOS P110.
Nutzen: Hohe Variantenvielfalt bei den Mittelschäften ohne Werkzeugkosten.
Begonnen hat die Erfolgsgeschichte von Trivion vor gut sechs Jahren, als man in der relativ neuen Umdasch Group Ventures den Einstieg in die Additive Fertigung evaluierte. Die Umdasch Group Ventures ist der Innovationhub der Umdasch Group, der sich auf die Identifizierung und Weiterentwicklung neuer Technologien, Methoden und Materialien in der Bau- und Retailbranche fokussiert, um sie bis zur Marktreife zu entwickeln. Sobald innovative Geschäftsmodelle diesen Status erreichen, werden sie entweder in bestehende Divisionen integriert oder extern veräußert. Trivion wurde bisher als Marke unter der Umdasch Group Ventures geführt und in den letzten Jahren am Markt erfolgreich etabliert. Das Geschäftsmodell von Trivion liegt fernab des Kerngeschäfts von Doka und Umdasch The Store Makers, weshalb die vollständige Ausgliederung aus der Unternehmensgruppe als nächster logischer Schritt galt.
Ein neu gewonnener Kunde aus der Obersteiermark in Österreich bot sich als strategischer Partner an, was dazu führte, dass Thomas Gruber zusammen mit Dr. Wolfgang Erhart, Gründer und Miteigentümer der FBT Fine Ballistic Tools GmbH, und Moritz Rainer, Geschäftsführer und Miteigentümer der FBT Fine Ballistic Tools GmbH, Trivion als eigenständiges Unternehmen gründete.
Das Steyr Gams-Jagdgewehr wird mit den von Trivion gefertigten Schaftkomponenten als OEM-Jagdwaffe von FBT hergestellt.
Shortcut Metall:
Aufgabenstellung: Herstellung von Schalldämpfern für Jagdgewehre.
Material: Ti6Al4V.
Lösung: LPBF-Fertigung auf SLM 280.
Nutzen: Extrem leichte und effiziente Schalldämpfer in einem Stück bei hoher Modellvielfalt.
Vom Kunden zum Partner
„Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die besten, leichtesten, stabilsten und trotzdem rückstoßärmsten Carbonschäfte für Jagdgewehre der Welt zu bauen. Nicht nur für Neuwaffen, sondern für wirklich jedes Modell, egal ob alt oder neu. Trivion ist für die FBT seit einiger Zeit ein zuverlässiger Zulieferer für Titankomponenten, beispielsweise integrale Hochleistungsschalldämpfer, aber eben auch für Schaftkomponenten aus PA12. Aus der engen Zusammenarbeit mit Thomas Gruber hat sich schnell eine strategische Partnerschaft entwickelt. So war es für mich ein logischer Schritt, mich bei der Ausgründung aktiv zu beteiligen“, erzählt Moritz Rainer.
Die Additive Fertigung spielt bei der FBT seit geraumer Zeit eine wichtige Rolle. Das obersteirische Unternehmen baut und veredelt Jagdwaffen und fungiert auch als Zulieferer für OEMs in diesem Umfeld. Wesentliche Komponenten sind Leichtbau-Gewehrschäfte, die aus einer Kombination aus standardisierten Vorder- und Hinterschäften und einem auf die jeweilige Verschluss-Laufkombination abgestimmten Mittelschaft bestehen. „Entstanden ist die Idee aus den Hobbies des Gründers der FBT, Dr. Wolfgang Erhart. Er hat im Triathlon die Vorzüge von Fahrrädern aus Carbonfaser erlebt und sich gefragt, ob sich das geringe Gewicht nicht auch für Jagdwaffen nutzen ließe, um bei seinen Jagdausflügen im Hochgebirge weniger Gewicht tragen zu müssen. Erste Versuche liefen sehr erfolgreich und spornten uns an, diesen Weg weiter zu gehen“, erklärt Rainer.
Der Einstieg in die Additive Fertigung erfolgte relativ früh über die FDM-Technologie, um zunächst Betriebsmittel und Montagewerkzeuge herzustellen. Man nutzt dazu auch heute weiterhin den vor einigen Jahren installierten Markforged Mark Two. „Dieses System gibt uns die Möglichkeit, bei der hohen Variantenzahl die passenden Halterungen und Befestigungsmittel wirtschaftlich herzustellen und auch erste Leichtbauvarianten für den Mittelschaft sind im FDM-Verfahren entstanden“, geht der Geschäftsführer ins Detail.
Moritz Rainer
Geschäftsführer der FBT Fine Ballistic Tools GmbH
„Ohne Additive Fertigung wären wir nicht in der Lage, diese Bandbreite an Varianten für unsere Jagdgewehre anzubieten. Sowohl bei den Komponenten als auch bei den Betriebsmitteln für die Montage leistet der 3D-Druck wertvolle Unterstützung.“
Hybridbauweise durch Additive Fertigung
Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass Formwerkzeuge für gesamte Carbonschäfte sehr aufwendig und teuer waren und so entwickelte man bei FBT ein System, bei dem die erwähnten standardisierten Vorder- und Hinterschäfte aus Carbonfaser hergestellt werden und die Mittelschäfte im 3D-Druck. Ebenso werden einige weitere Einbaukomponenten gedruckt. „Mit der SLS-Technologie sind wir in der Lage, die Mittelschäfte für FBT so genau zu fertigen, dass sie bei der Verklebung den für die Ausdehnungsunterschiede erforderlichen Fügespalt perfekt einhalten. Die Verklebung erfolgt bei dieser Hybridbauweise mit Zweikomponentenklebern aus der Luftfahrt und gewährleistet durch das patentierte Fügekonzept einen sicheren Halt bei minimalen Toleranzen“, weiß Gruber. Diese Schaftelemente und auch die zusätzlichen mechanischen Komponenten werden bei Trivion mit Magics aufbereitet und auf einer EOS P110 in PA12 gefertigt. Im Anschluss werden die Teile gestrahlt und in der Regel schwarz oder nach Kundenwunsch eingefärbt. Der jährliche Bedarf an unterschiedlichen Mittelschäften liegt bei einigen tausend Stück, was zeigt, dass eine variantenreiche Serienfertigung gelebte PRealität ist. Gruber meint dazu: „Da die Schaftkomponenten nicht nur für individuelle Jagdwaffen gebaut werden, sondern mittlerweile auch für OEM-Gewehre wie das Steyr Gams, ein ultraleichter Repetierer in verschiedenen Kalibern, der gerade einmal 2,4 kg wiegt, kann hier von wirklicher Serienfertigung in Verbindung mit den Flexibilitätsvorteilen der Additiven Fertigung geredet werden.“
Thomas Gruber
Geschäftsführer der Trivion 3D Druck & Engineering GmbH
„Die Zusammenarbeit mit FBT zeigt deutlich, dass die Additive Fertigung bei Serienfertigung mit hoher Variantenvielfalt klare Vorteile bringt. Das gilt im Metallbereich genauso wie im Polymerumfeld.“
Serienfertigung in Titan
Ein weiteres Entwicklungs-Highlight bei FBT sind Schalldämpfer für Jagdgewehre. Entsprechend einer Waffengesetznovelle des Nationalrats sind in Österreich für Jäger seit Januar 2019 auf jagdlich geführten Schusswaffen Schalldämpfer erlaubt. „Damit hat sich für uns ein völlig neues Betätigungsfeld eröffnet und wir haben begonnen, Schalldämpfer für Jagdgewehre zu entwickeln. Diese Schalldämpfer haben mittlerweile einige Entwicklungszyklen hinter sich und es ist uns gelungen, Dämpfer zu gestalten, die eine Dämpfungsleistung von bis zu 35 dB erbringen und das bei geringstem Gewicht“, schildert Rainer. Diese Schalldämpfer werden aus Titan (Ti6Al4V) in einem Stück hergestellt und zeichnen sich durch eine innenliegende Geometrie aus, die sich mit herkömmlichen Fertigungsmethoden nur aus einer Vielzahl von zusammenmontierten Einzelteilen herstellen ließe. Entgegen dem gängigen Bild, das in Filmen von Schalldämpfern gezeichnet wird, bei dem das Schussgeräusch nahezu komplett verschwindet, sieht die Realität anders aus. „Ein Schalldämpfer für Schusswaffen funktioniert auf verschiedenen Ebenen. Das Schussgeräusch setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen. Da ist zum einen das Explosionsgeräusch des Treibmittels in der Patrone. Dieses lässt sich so gut wie überhaupt nicht dämpfen, trägt aber auch nur minimal zum Gesamtgeräusch bei, weil Lauf und Verschluss, in dem die Patrone liegt, ein geschlossenes Gehäuse bilden. Viel stärker wirkt sich aus, dass das Explosionsgas, das das Projektil durch den Lauf schiebt, einen hohen Druck und eine hohe Temperatur hat. Verlässt das Projektil den Lauf, dehnt sich das Gas schlagartig aus, was einen Knall verursacht. Das wird dadurch verstärkt, dass die hohe Temperatur dieses Gases die Umgebungsluft schlagartig erwärmt. Hinzu kommt der Überschallknall des Projektils beim Verlassen des Laufs. Die innere Struktur des Schalldämpfers sorgt dafür, dass all diese Effekte drastisch abgemildert werden. Der Schuss bleibt also trotz Schalldämpfer deutlich hörbar, verliert aber enorm an Intensität“, geht Rainer ins Detail. Das bedeutet im jagdlichen Bereich neben einer geringeren Geräuschbelastung für den Jäger zusätzlich noch den Vorteil, dass das Wild nicht so stark gestört wird, also auch schonender für die Umwelt ist. „Das wird oft gar nicht realisiert, dass wir mit den Schalldämpfern auch einen Beitrag in der waidmännischen Hege leisten, indem die Belastung für das Wild im Revier wesentlich geringer wird“, so der Geschäftsführer weiter.
Einige Varianten der von FBT angebotenen Schalldämpfer werden ausschließlich aus Titan gefertigt. Bei anderen Modellen wird der Titankörper um eine Carbonhülle sowie Keramikvlies ergänzt, was zusätzliche Dämpfungseffekte ermöglicht und zusätzlich eine thermische Abschirmung schafft, sodass man sich am Schalldämpfer nicht mehr verbrennen kann, denn dieser nimmt viel Energie auf und diese wird in Wärme umgewandelt. Auf der SLM 280 von Trivion können in einem Baujob 25 Schalldämpfer gefertigt werden. Konstruktion und Ausrichtung im Bauraum wurden so gestaltet, dass man bei einem solchen Baujob gänzlich ohne Stützgeometrien auskommt. „Der jährliche Bedarf an Jagdschalldämpfern liegt derzeit bei etwa 2.000 Stück. Die Schalldämpfer sind damit ein perfektes Beispiel, wie in der Additiven Fertigung von Metallteilen variantenreiche Serienfertigung gelingen kann. Alles wurde so abgestimmt, dass die Komponenten mit minimalem Nachbearbeitungsaufwand quasi maschinenfallend weiterverarbeitet werden können. Lediglich das Entpulvern bei den komplexen Innengeometrien ist etwas aufwendiger, kann aber mit der entsprechenden Strategie zuverlässig absolviert werden“, merkt Gruber an. Abschließend werden die Funktionsflächen und die Gewinde der Schalldämpfer CNC-bearbeitet und insgesamt mit einer Ceracote-Beschichtung versehen. Diese ist hitzebeständig bis 1.200 °C.
Standortvorteile nutzen
Für die FBT ist es ein enormer Vorteil, das Trivion in unmittelbarer Nähe ihren neuen Standort gefunden hat. Dadurch sind einerseits Lieferwege kurz und andererseits steht das AM-Know-how von Trivion unmittelbar bei der Entwicklung neuer Varianten oder Produkte zur Verfügung. „Wir sehen es mit als unsere Aufgabe in diesem Gefüge, den Kollegen bei FBT bei der Entwicklung neuer Produkte und Komponenten quasi als verlängerte Entwicklungswerkbank zu dienen, haben aber auch den Anspruch, dieses Wissen der Industrie, vor allem in der Region, zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug können wir auf Fertigungskapazitäten in der Zerspanung bei FBT zugreifen, um unseren Kunden fertig endbearbeitete Teile zur Verfügung stellen zu können“, holt Gruber weiter aus und macht damit auf die Möglichkeit aufmerksam, das AM-Know-how von Trivion bei der Evaluierung hinsichtlich Nutzung Additiver Fertigung im eigenen Unternehmen zu nutzen. Ein umfangreiches Schulungsangebot und die Begleitung bei ersten Schritten in der AM-Welt schafft dafür die Grundlage. „Wir stellen immer wieder fest, dass in den Unternehmen noch ziemlicher Nachholbedarf an Wissen hinsichtlich der Möglichkeiten der Additiven Fertigung besteht. Zwar wissen schon viele Entwickler, was mit 3D-Druck machbar ist, aber wie sie all diese Vorteile in ihren Entwicklungsalltag integrieren können, ist oft noch nicht klar. Auch bei AM-Teilen gilt es, Fertigungsrichtlinien zu berücksichtigen, um am Ende den maximalen Nutzen aus der Technologie ziehen zu können. Dabei spielt es keine Rolle, ob es um Metallteile oder Polymerkomponenten geht“, präzisiert der Trivion-Geschäftsführer.
Für FBT-Geschäftsführer Moritz Rainer ist jedenfalls klar: „Ohne die Additive Fertigung wären wir nicht in der Lage, eine so hohe Vielfalt an unterschiedlichen Lauf-Verschluss-Kombinationen in unseren Jagdgewehren zu verarbeiten. Die Qualität der Schaftkomponenten ist hervorragend und die reproduzierbare Genauigkeit ist beim Zusammenbau der Komponenten deutlich erkennbar. Auch bei den Schalldämpfern ist das Ergebnis aus dem 3D-Druck absolut überzeugend und ein wichtiger Bestandteil unseres Erfolgs.“ Dem fügt Gruber noch abschließend hinzu: „Additive Fertigung hat längst den Sprung in die industrielle Serienfertigung geschafft. Man muss nur mit geschultem Blick die Anforderungen im Markt neu bewerten und schauen, wo man die Vorteile der Technologie gewinnbringend einsetzen kann. Unsere Reise geht weiter und wir planen jetzt schon die nächsten Schritte in Richtung Erweiterung unseres Maschinenparks.“
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