gastkommentar
Eindrücke von der TCT-Asia: von „copy cat“ zum globalen Innovator
Nachdem der Kunststoff-3D-Druck hauptsächlich in den USA während der 1980er-Jahre entwickelt wurde und der Metall-3D-Druck in Europa während der 1990er-Jahre, brauchte es auch noch den Fall des Eisernen Vorhangs nach Osten und weltweit liberalere politische Strömungen, um den freien Welthandel, auch mit China, deutlich anzukurbeln. Das triggerte auch den lokalen Nachbau solcher Technologien und das meist bei den lokalen Händlern der westlichen Hersteller nach dem Motto „das können wir doch auch selbst“.
Gastbeitrag von DI Stefan Ritt nach den Eindrücken der diesjährigen TCT-Asia Show in Shanghai. Stefan Ritt zählt zu den bekanntesten Gesichtern im deutschsprachigen und internationalen AM-Geschehen. Nach seinem Master-Abschluss in technischer Physik an der Universität Lübeck arbeitete er an der technischen Entwicklung von Geräten und der Leitung der Qualitätssicherung bei einem Hersteller von professionellen Getränke- und Verkaufsautomaten und im EU-weiten Produktmanagement eines Elektronikherstellers. Er baute für die SLM Solutions Group AG (jetzt Nikon SLM Solutions) über 20 Jahre den internationalen Vertrieb und das Marketing auf und war auch am sehr erfolgreichen Börsengang im Jahr 2014 beteiligt. Er ist Leiter des Internationalen Komitees der AMUG, Mitglied des EPMA-AM Board für Pulvermetallurgie in Paris und setzte sich aktiv für die technische Normung auf diesem Gebiet ein. In dieser Funktion war er auch mehrere Jahre Ansprechpartner des DIN für die Luft- und Raumfahrtnormung in China. Ne
Ich habe während meiner Vertriebstätigkeit mehrfach die Frustration selbst erleben dürfen, dass wir durch viele lokale Besuche vor Ort und anfangs auch freizügiger Herausgabe von technischen Anlagendetails den Nachbau wohl selbst mit befördert haben. Dann war aber plötzlich kurz vor Geschäftsabschluss die Wahl des Kunden auf ein erstaunlich ähnlich aussehendes lokales Produkt gefallen. So lernt man dann am und im internationalen Markt und ich bin sicher, viele Leser können diese Situation mit eigenen Erfahrungen bereichern und ergänzen! So entstanden dann Anfang bis Mitte der 2000er einige lokale 3D-Druck-Hersteller in China, oft auch aus vorherigen Händlern von westlichen Anlagen. BLT z. B. hatte als EOS-Händler begonnen, Shanghai UnionTech hatte mit 3DS gearbeitet usw.
Bauraumgröße ist bei chinesichen LPBF-Maschinen kein Thema mehr. Mit 2.050 x 2.050 x 2.000 mm und bis zu 64 x 700 W Lasern ist das SLM-Flaggschiff EP-M 2050 von Eplus 3D die derzeit wohl größte erhältliche LPBF-Anlage in Serienproduktion.
„Cheap, good and fast“…
Es gibt diese etwas ironische Aussage, die wohl viele kennen: Wir bieten drei Services, schnell, gut und billig, Sie können aber immer nur zwei davon haben, denn; schnell und gut ist nie billig, gut und billig ist nie schnell und schnell und billig ist nie gut! So kann man, denke ich, recht gut die Entwicklung im chinesischen Markt für die 3D-Druck-Technologie seit Anfang der 2000er-Jahre charakterisieren.
Viele Universitäten suchten internationale Kooperationen mit westlichen Unis, was natürlich auch für die Industrieländer sehr lukrative Geschäfte nach sich zog. Mit dem so erworbenen Wissen gelang dann der Nachbau der westlichen Anlagen zunehmend besser und in Zusammenhang mit dem deutlich niedrigeren Produktionskostenniveau entstand ein valider Markt, das auch im internationalen Umfeld. Gleichwohl konnte man dem chinesischen Markt nicht die Lernkurve abnehmen, die auch westliche Anwender bei der Integration der Anlagentechnik erfuhren. Das „Tal der Tränen“ kam dann nur zeitversetzt dort an.
Hervorzuheben ist meiner Ansicht nach während dieser Entwicklung positiv, dass nach dem Auslaufen der initialen FDM-Patente aus USA die massenhafte Produktion von sehr preiswerten FDM-Tischgeräten deutlich dazu beigetragen hat, das Business to Consumer-Segment im internationalen Markt zu öffnen und auch das Konzept von Massen-Printfarmen voranzutreiben. Dies ist sicher auch international ein Verdienst, der zur Awareness und Verbreitung der Technologie beigetragen hat.
Ich möchte mich hier jetzt etwas auf den Metall-3D-Druck fokussieren, da dieser eher die höherwertigen Industrie- und Defense-Anwendungen der Zukunft bedienen wird. Während die bis ca. 2015 vorgestellten SLM-, DED-, E-Beam- und WAAM-Anlagen aus chinesischer Produktion doch deutliche technische Einschränkungen und Qualitätsdefizite aufwiesen, darf man trotzdem nicht vergessen, dass es in China auf wissenschaftlicher Ebene schon lange hervorragende Akademiker für die Bereiche Maschinenbau, Metallurgie und Lasertechnik gab. Das theoretische Wissen ist dort mit Sicherheit auf hohem Niveau bereits lange Zeit vorhanden und wird auch von der Regierung entsprechend gefördert.
Während meiner Tätigkeit für SLM haben wir nach dem Börsengang damals in dieser Zeit das chinesische und weitere asiatische Offices gegründet und auch gute Geschäfte mit westlichen Anlagen gemacht. Viele Projekte aus dieser Zeit, die lokale chinesische Technologie-Transfer-Zentren sehr schnell und mit viel Geld der Regierung aus dem Boden gestampft haben, wurden mit westlichen Anlagen bestückt und führten dann in Folge zu einer beschleunigten Technologieadaption. Das europäische Interesse an dem sich sicher schnell entwickelnden Luftfahrtmarkt mit COMAQ und AVIC sowie gemeinsamen Raumfahrtprojekten war doch recht groß. Natürlich zu dem Zeitpunkt in klarem Wettbewerb zu den USA.
Aber auch im unteren Skalenbereich der LPBF-Technologie spielen Systeme aus China mit. Diese Quader wurden auf einer EP-M150 von Eplus 3D gefertigt und messen gerade einmal eine Kantenlänge von 10 mm.
Der „Corona-Vorhang“ und die Adaption
Nachdem im Dezember 2019 die ersten Corona-Vorboten nach Europa kamen, war an einen regelmäßigen Technologiedialog bzw. Austausch für die nächste Zeit nicht mehr zu denken. Gleichwohl erfuhr parallel dazu die 3D-Druck-Technologie international eine deutliche Aufwertung als disruptives Verfahren, um Lücken im Supply Chain Management zu füllen und möglichst auszugleichen. Dies natürlich nicht nur im Westen, sondern ebenso in Asien.
In diese Zeit muss man den Start der unabhängigen chinesischen Weiterentwicklung der Anlagentechnik setzen, einmal durch die Restriktionen der Lockdowns, aber eben auch durch die freiwerdenden intellektuellen Kapazitäten aufgrund der globalen Situation. Während im Westen aus meiner Sicht ein relativer Entwicklungsstillstand während der Coronajahre stattfand, konnte hier das eher zentralistisch organisierte System in China durch direkte Entscheidungswege schneller reagieren und auch Ressourcen bereitstellen. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass es mir hier nicht um eine systemische Bewertung geht, sondern lediglich um eine analytische Darstellung der Situation!
Die Großanlage von AM-pro zeigt eindrucksvoll, welche Dimensionen die Anlagen der chinesischen Hersteller annehmen können.
Status quo und Ausblick
Da die chinesische Regierung für mehrere EU-Staaten eine befristete visafreie Einreise verfügt hat, um die Restriktionen aus der Coronazeit nachhaltig abzubauen, bot sich eine Reise nach Shanghai an, um sich über den aktuellen Status quo der AM-Industrie dort zu informieren. Die diesjährige TCT-Asia Show in Shanghai fand bereits zum zehnten Mal dort statt und bot mit ca. 400 Ausstellern und 26.500 Besuchern an den drei Tagen ein valides Abbild des derzeitigen Standes der Technik im AM-bzw. 3D-Druck-Bereich. Der mit Abstand stärkste Fokus lag sicher auf Metall-Laser-Pulverbett Multilaseranlagen für große Werkstücke.
Als zweiten markanten Eindruck möchte ich hier erwähnen, dass kaum noch westliche Firmen hier direkt ausgestellt haben. Das Preis-Leistungs-Verhältnis scheint einfach nicht mehr wettbewerbsfähig. Es gibt mittlerweile über 60 chinesische Firmen, die Metall-3D-Druck Anlagen herstellen! Ich möchte hier nur die wenigen hervorheben, die bereits lange im Markt sind und auch bereits EU-Niederlassungen gegründet haben.
Stolz wurden die Flaggschiffe der Anbieter auf der diesjährigen TCT-Asia gezeigt. Ein klares Statement, dass man im Anlagenmarkt eine große Rolle spielen möchte.
1. BLT (Bright Laser Technology)
BLT hat das Hauptwerk in Xian, wurde 2011 gegründet und hat über 1.700 Mitarbeiter. Die Firma betreibt ein eigenes Servicebüro mit über 200 Anlagen, so dass täglich viel Know-how aus Fertigungsaufträgen in die Entwicklung fließt. Die Firma hat 13 Metall-SLM-Anlagen im Portfolio, das Flaggschiff S 1500 hat ein Bauvolumen von 1.500 x 1.500 x 1.200 mm und wird mit 26 Lasern ausgestattet. BLT-Anlagen wurden bereits von Airbus eingesetzt und haben aktiv Teile in den letzten Missionen des chinesischen Raumfahrtprogrammes geliefert. Eine deutsche bzw. europäische Niederlassung befindet sich nahe Frankfurt.
2. Farsoon
Farsoon hat das Hauptwerk in Changsha und wurde 2009 gegründet. Hier werden sowohl Metall- als auch Kunststoffsinteranlagen entwickelt und hergestellt. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben bereits über 1.000 Anlagen verkauft. Eine EU-Niederlassung gibt es seit mehreren Jahren in Stuttgart. Es werden neun SLM-Anlagen und acht Kunststoffsinter-Anlagen angeboten. Das SLM-Anlagen-Flaggschiff FS721 M bietet einen Bauraum von 720 x 420 x 420 mm und 8 x 1.000 W Laser. Auch hier gibt es bereits mehrere Referenzkunden wie z. B. Toolcraft und Fraunhofer.
3. Eplus 3D
Eplus 3D gibt es seit 2014. Die Firma begann in Beijing und hat auch in Hangzhou südlich von Shanghai ein Werk. Man fertigt sowohl Metall-SLM-Anlagen (14 Modelle) als auch SLS- und SLA-Kunststoffanlagen und hat bereits über 3.000 Kunden. Das SLM-Flaggschiff EP-M 2050 mit einem Bauraum von 2.050 x 2.050 x 2.000 mm max. und bis zu 64 x 700 W Lasern erregte kürzlich in der weltweiten Fachpresse als größte erhältliche SLM-Anlage in Serienproduktion Aufsehen. Eine EU-Niederlassung gibt es ebenfalls in Ludwigsburg. Eplus 3D ist etwas kürzer im EU-Markt vertreten, hat aber gerade in Österreich bei Fuchshofer Werkzeugbau eine größere Anlage als Referenz installiert.
4. HBD
Hanbang wurde bereits 2007 gegründet und hat Werke in Shanghai und Guandong. Das Produkt sind sechs SLM-Anlagenmodelle. Das Flaggschiff 1000 hat einen Bauraum von 660 x 660 x 1.250 mm und arbeitet mit bis zu acht 1.000 W Lasern. Auch HBD hat nach eigener Aussage bereits in München Räumlichkeiten angemietet und will ab Januar 2025 die europäische Expansion vorantreiben.
5. AmPro innovations
AmPro wurde von Prof. Xinhua Wu gegründet und hat Produktionsstätten sowohl in Suzhou, China als auch in Melbourne, Australien, denn Prof. Wu hat lange an der Monash University dort geforscht. Für die Kenner der Branche mag gesagt werden, dass die in SLM-Technologie nachgebaute Safran-Turbine das Projekt von Prof. Wu war! Ich durfte damals an der australischen Botschaft in Paris persönlich dabei sein, als das Projekt offiziell vorgestellt wurde. Man fertigt sechs verschiedene SLM-Anlagen. Das Flaggschiff SP 1200 hat einen Bauraum von 1.200 x 600 x 1.500 mm und arbeitet mit bis zu 12 x 500 W IPG-Lasern. Innerhalb Chinas werden jährlich mehrere hundert Anlagen verschiedener Größe abgesetzt. Eine EU-Niederlassung gibt es bisher noch nicht.
Diese fünf Unternehmen sind „NUR“ die meiner Meinung nach für den öffentlichen Markt interessantesten in der jeweiligen Entwicklung der letzten Zeit und den Ausblick für die nächsten Jahre. Es gibt weitere kompetente Anlagenbauer in China, die teilweise direkt der staatlichen Luftfahrt- und Verteidigungsindustrie Anlagen zuliefern, diese aber nicht in den freien Handel geben. Auch ist ein potenzieller Interessent sicher gut beraten, den Hintergrund des jeweiligen Unternehmens und die Nähe zur Regierung für sich selbst individuell zu bewerten, bevor eine nähere Anbahnung stattfindet.
Fazit
• Wer große SLM-Bauteile möchte, kommt an China im Moment nicht vorbei!
• Die Technologie und Ausführung sind ebenbürtig oder gar vollständiger bzw. besser.
• Hightech- und Rocket-Sciences-Anwendungen sind als Referenz verfügbar.
• Lokaler Support ist installiert und funktionell.
• Die Vielzahl der Modellvarianten ist deutlich größer als bei westlichen Anbietern.
• Mittlere Anlagengrößen gibt es zum halben Preis.
• Alle genannten Hersteller fertigen auch Peripherieanlagen und Pulver.
Teilen: · · Zur Merkliste