anwenderreportage
AMCM M290-2 1kW: Individuell angepasste Maschine für die Bearbeitung von Refraktärmetallen
Nur wenige Unternehmen weltweit stellen Refraktärmetalle her. Noch viel weniger beschäftigen sich mit der additiven Verarbeitung dieser Metalle. Das österreichische Unternehmen Plansee SE nutzt für das Laserstrahlschmelzen von Wolfram und Molybdän LPBF-Maschinen von AMCM, einem EOS-Unternehmen. Sowohl in Forschung und Entwicklung als auch in der Serienfertigung von Komponenten kommen von AMCM speziell angepasste EOS-Maschinen zum Einsatz.
Die speziell auf die Bedürfnisse von Plansee abgestimmte AMCM M290-2 1kW-Anlage verfügt über ein speziell designtes „Comfort Powder Modul“ für eine bessere Dichtheit der Anlage, eine optimierte Leitungsauslegung für den Gasstrom zwischen RFS (Filterstation) und LPBF-Anlage, ein Gasreinigungsmodul, eine inerte Pulverbefüllung und -entnahme sowie ein Optical Tomography-Modul zur Prozessüberwachung.
Shortcut
Aufgabenstellung: Anpassung eines LPBF-Systems für die Verarbeitung von Refraktärmaterialien.
Material: Wolfram und Molybdän.
Lösung: Modifizierung einer EOS M290-Duallasermaschine mit 1-kW-Lasern und speziellen Prozessgasanpassungen sowie adaptierter Bauplattenheizung und Pulvermanagement.
Nutzen: Verarbeitung von Wolfram und Molybdän unter verbesserter Inertatmosphäre und damit Erzielung höherer Genauigkeiten und besserer Bauteilqualität.
Hightech-Produkte aus Refraktärmetallen werden weltweit nur von wenigen Unternehmen gefertigt. Mit Additiver Fertigung sind es noch weniger. Die Gründe liegen in der schwierigen Verarbeitbarkeit dieser Metalle. Die Lösung liegt wie so oft im Detail. Denn neben entsprechender Anlagentechnologie braucht es dafür vor allem eines: Erfahrung! Vor etwas mehr als 100 Jahren wurde das Unternehmen Plansee in Reutte in Tirol gegründet. Namensgebend ist der idyllische Plansee ganz in der Nähe des Firmensitzes des weltweit agierenden Unternehmens. Plansee ist Teil der Plansee Group, die auf die Verarbeitung von Molybdän und Wolfram spezialisiert ist. Die Plansee Group ist in mehr als 30 Ländern aktiv und beschäftigt weltweit etwa 11.200 Mitarbeitende. Plansee ist Experte für die Herstellung von Komponenten aus Molybdän und Wolfram. Ob in der Halbleiterindustrie, der Unterhaltungselektronik, der Medizintechnik oder in Hochtemperaturöfen – wo herkömmliche Metalle an ihre Grenzen stoßen, kommen ihre Refraktärmetalle und Verbundwerkstoffe zum Einsatz. Als Innovationspartner entwickeln die Tiroler gemeinsam mit ihren Kunden nachhaltige Lösungen für die Hightech-Welt und verschieben dabei kontinuierlich die Grenzen des technologisch Machbaren.
Dabei gibt es kaum Industriebereiche, die nicht in irgendeiner Form von den Hochleistungsprodukten von Plansee profitieren. Neben Hightech-Produkten stellt das Unternehmen auch Halbzeuge aus Molybdän, Wolfram und deren Legierungen her. In der hauseigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilung wird stetig an neuen und innovativen Technologien geforscht und dafür gesorgt, dass man in der Produktion des Produktportfolios immer auf dem neuesten Stand der Technik agiert.
So hat man bei Plansee bereits 2010 mit der Nutzung der LPBF-Technologie begonnen. „Bei Plansee wurde frühzeitig entschieden, dass wir uns mit der Additiven Fertigung beschäftigen müssen. Wir haben es nun einmal mit Werkstoffen zu tun, die nur von wenigen Anbietern weltweit in den Markt gebracht und verarbeitet werden“, erklärt Dr. Bernhard Mayr-Schmölzer, Head of Additive and Joining Technologies im Bereich Corporate Research & Development bei Plansee.
Für die Herstellung von Kollimatoren (Anm.: Gitterstrukturen) für Strahlungsabschirmung in der Röntgentechnologie kommt Wolfram zum Einsatz. Die Herausforderung liegt bei geringsten Wandstärken und hohen Anforderungen an Präzision und Oberflächenqualität.
Dr. Bernhard Mayr-Schmölzer
Head of Additive and Joining Technologies bei der Plansee SE
„Mit dem Zusammenspiel von angepassten Pulvern, optimierten Prozessparametern und einer maßgeschneiderten Anlage ist es möglich, gedruckte Refraktärmetallbauteile für höchste Anforderungen zu fertigen.“
Materialien mit besonderen Anforderungen
Sowohl bei der Verarbeitung von Molybdän als auch bei Wolfram hat man es mit Werkstoffen zu tun, die sich einerseits durch einen extrem hohen Schmelzpunkt auszeichnen und auch sonst in der formgebenden Verarbeitung besonderes Know-how erfordern. Konventionell werden Komponenten aus Refraktärmetallen über eine pulvermetallurgische Fertigungsroute hergestellt. Dabei wird Metallpulver zu einem Grünling gepresst, anschließend gesintert und während mehrstufigen Umformprozessen werden die Materialeigenschaften eingestellt.
„Bei der Evaluierung einer neuen Technologie wie der Additiven Fertigung müssen wir besonderes Augenmerk auf die Eignung für Refraktärmetalle legen“, ergänzt Peter Singer, der bei Plansee im Bereich der strahlbasierten AM-Verfahren für die Prozessentwicklung verantwortlich ist. Neben den strahlbasierten AM-Verfahren wie LPBF beschäftigt sich Plansee auch mit sinterbasierten Verfahren, um je nach Bauteil und Anforderungsprofil das geeignete Verfahren auszuwählen.
Molybdän- und Wolfram-Einsätze mit geringem Durchgangswiderstand und hoher Abschirmwirkung für Wärmestrahlung.
Hochtechnologieanwendungen für die Industrie
Ein wesentlicher Anwendungsbereich für Wolfram ist die Radiologietechnik. Durch seine extrem hohe Dichte hat Wolfram hervorragende Eigenschaften in der Abschirmung von Röntgenstrahlen und wurde bereits in der Vergangenheit für die Herstellung sogenannter eindimensionaler Kollimatoren eingesetzt. Dazu wurden Wolframbleche parallel angeordnet, um somit Röntgenstrahlen gerichtet auf Detektoren leiten zu können, was die Darstellungsqualität von Röntgengeräten und CT-Anlagen deutlich verbessert. Mit der Nutzbarkeit von LPBF-Anlagen rückte die Möglichkeit, erstmals zweidimensionale Kollimatoren herzustellen, näher. Anfragen dafür wurden schon 2011 an Plansee herangetragen. Im selben Jahr wurde eine Concept Laser M2-Anlage in Betrieb genommenen. „Die Maschine wurde angeschafft, um zu evaluieren, ob man Wolfram und Molybdän generell mithilfe des Laserstrahlschmelzens verarbeiten kann, um schließlich die Technologie auch für 2D-Kollimatoren nutzen zu können. Solche 2D-Kollimatoren weisen eine sehr feine Grid-Struktur mit geringen Wandstärken auf. Im Laufe der Zeit stellte sich heraus, dass sich mit dem Laserfokus der M2-Anlage die Anforderungen an die Gridqualität nicht erfüllen ließen“, erklärt Singer. 2018 stießen die Tiroler bei einer Marktrecherche auf die M100 von EOS, die standardmäßig einen 40 µm Laserfokus hat. Erste Evaluierungen und Entwicklungsschleifen für die Gridentwicklung wurden auf einer M100 im Technikum von EOS durchgeführt, was schließlich zur Inbetriebnahme einer solchen Maschine bei Plansee im Juni 2020 führte. Mit dem 40 µm feinen Laser gelang es, die Wandstärken bei den Kollimatoren so weit zu reduzieren, dass die geforderten Funktionswerte erzielt werden konnten. Es stellte sich jedoch schnell heraus, dass der Bauraum der M100 für eine Serienfertigung nicht ausreichte, weshalb die Refraktärmetallexperten für eine mögliche Serienmaschine an AMCM verwiesen wurden. „Wir gehören zur EOS-Gruppe und beschäftigen uns mit der perfekten Anpassung von EOS-Serienmaschinen an Sonderanforderungen seitens unserer Kunden. AMCM steht für Additive Manufacturing Customized Machines und damit verfolgen wir zwei Ziele. Erstens, Anwender mit Lösungen für Anforderungen zu versorgen, die mit Standardmaschinen nicht erreicht werden können und zweitens, die LPBF-Technologie bis an ihre Grenzen und darüber hinaus auszureizen“, erklärt Sina Trik, Sales & Business Development Manager bei AMCM.
Peter Singer
Entwicklungsingenieur Additive Technologies bei Plansee SE
„In mehreren Abstimmungsrunden mit dem Projektteam von AMCM wurden die Anforderungen an diese spezielle LPBF-Anlage diskutiert und abgearbeitet, sodass die Anlage mit den geforderten Eigenschaften erfolgreich im AM-Labor bei Plansee in Betrieb genommen werden konnte.“
Serientauglichkeit gefragt
Man entschied sich, bei EOS und AMCM prüfen zu lassen, ob auf der damals neu auf den Markt gebrachten AMCM M290 FDR (Anm.: FDR steht für Fine Detail Resolution) eine solche Serienfertigung möglich wäre. Dies konnte bestätigt werden und so stand einer Fertigung mit diesem Maschinentyp ab Juni 2023 nichts mehr im Wege. „Die Investition in diese Anlage war der Grundstein für eine Serienfertigung von Grid-Strukturen. Gleichzeitig zeigte sich, dass Bauteile mit hohen Wandstärken zusätzliche Anforderungen an die LPBF-Anlage stellen. Erst mit dem Zusammenspiel von angepassten Pulvern, optimierten Prozessparametern und einer maßgeschneiderten Anlage ist es möglich, gedruckte Refraktärmetallbauteile für höchste Anforderungen zu fertigen“, ergänzt Mayr-Schmölzer.
Parallel zur Einführung der M290 FDR wurde deshalb zusammen mit AMCM an einem Maschinenkonzept gearbeitet, das die Verarbeitung von Wolfram und Molybdän noch besser machen sollte. „Bei diesen Werkstoffen wird eine Verbesserung der Bauteilqualität durch möglichst niedrige Sauerstoffwerte in der Prozessumgebung, eine entsprechend hohe Vorwärmung der Bauplatte auf über 500 °C und einen komplett inerten Pulverkreislauf erzielt. Zudem begünstigt ein hoher Energieeintrag durch hohe Laserleistung den Prozess. Diese Bedingungen können durch Standardmaschinen nicht in vollem Umfang erreicht werden“, erinnert sich Singer. Auch hier führte die Zusammenarbeit mit AMCM zum gewünschten Ergebnis.
„Unsere Kompetenz liegt vor allem darin, dass wir in der Lage sind, aufbauend auf die EOS-Serienmaschinen, tiefgreifende Anpassungen vorzunehmen. Die Herstellung erforderlicher Komponenten oder Änderungen in bestehenden Komponenten können wir bei uns inhouse vornehmen. Unsere mechanische Fertigung arbeitet dafür eng mit unseren Anwendungstechnikern zusammen, um die bestmögliche Lösung zu erarbeiten. So ist es auch gelungen, diese konkreten Anforderungen durch Einsatz von zwei 1 kW-Lasern einer Anpassung des Pulvermanagements und einer adaptierten Bauplattenheizung zu erreichen. Die Optimierung des Pulvermanagements in Kombination mit zusätzlichen inerten Materialschleusen und weiteren Abdeckungen im Handlingbereich der Maschine führten zu einer bislang nie erreichten Senkung des Sauerstoffanteils in der Bauatmosphäre von unter 2 ppm“, geht Trik ins Detail und ist überzeugt, dass derartige Anpassungen von Maschinen an erforderliche Prozessbedingungen künftig immer wichtiger werden, um die Additive Fertigung in der Industrie wirtschaftlich einsetzen zu können.
Sina Trik
Sales & Business Development Manager bei AMCM
„In der Zusammenarbeit mit Plansee ist es uns gelungen, die M290-2 1kW so zu modifizieren, dass eine prozesssichere Wolfram- und Molybdänbearbeitung möglich ist. Damit haben wir die Grenzen der LPBF-Technologie wieder einmal massiv erweitert.“
Material und Prozess – ein Duo, das zusammengehört
Auch bei der Verarbeitung von Wolfram und Molybdän stellen die Ausgangsmaterialien einen wesentlichen Erfolgsfaktor dar. „Da wir als Hersteller der Refraktärmetalle die Möglichkeit haben, sowohl die Eigenschaften des Pulvers als auch die Zusammensetzung im Detail zu steuern, sind wir in der Lage, eine genaue Abstimmung von Prozess und Material vorzunehmen. Dadurch können wir noch besser auf die Anforderungen unserer Kunden eingehen und einzigartige Lösungen präsentieren. Damit ist es uns möglich, sowohl in der Herstellung von Werkzeugen als auch in der Bereitstellung von Bauteilen für unsere Kunden die Grenzen des Machbaren weiter zu verschieben und auch Serienkomponenten aus diesen außergewöhnlichen Materialien herzustellen“, fasst Mayr-Schmölzer die Nutzung der Additiven Fertigung bei Plansee zusammen und Trik ergänzt: „Kunden wie Plansee legen mit ihren Anforderungen an LPBF-Maschinen zwar die Messlatte ziemlich hoch, ermöglichen es uns aber, durch unsere Customized Machines den Industriestandard der Technologie zu verbessern. So schaffen es häufig Anpassungen, die wir an Kundenmaschinen vorgenommen haben, zurück in die Serienmaschinen von EOS. Das macht uns stolz und zeigt vor allem, dass in Wahrheit die Grenzen der Technologie noch lange nicht erreicht sind. Da haben wir noch viel zu tun.“
Infos zum Anwender
Plansee Hochleistungswerkstoffe, Teil der Plansee Group, ist Experte für die Herstellung von Komponenten aus Molybdän und Wolfram. Ob in der Halbleiterindustrie, der Unterhaltungselektronik, der Medizintechnik oder in Hochtemperaturöfen – wo herkömmliche Metalle an ihre Grenzen stoßen, kommen deren Refraktärmetalle und Verbundwerkstoffe zum Einsatz. Als Innovationspartner entwickelt Plansee gemeinsam mit seinen Kunden nachhaltige Lösungen für die Hightech-Welt. 1921 in Reutte, Österreich, gegründet, ist Plansee heute ein globales und unabhängiges Privatunternehmen. An mehr als zehn Produktionsstandorten in Asien, den USA und Europa beschäftigt man rund 3.000 Mitarbeitende und verfügt über ein weltweites Vertriebsnetzwerk. Seit mehr als 100 Jahren steht Plansee für Zuverlässigkeit und Beständigkeit.
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