interview

3D Printing Forum: Quo vadis Additive Fertigung

Am 8. April findet in Wien das 12. 3D-Printing Forum statt. Wieder einmal wird ein ausgesucht hochkarätiges Programm über den Stand der Technik und den Fortschritt der industriellen Umsetzung der Additiven Fertigung informieren. Unsere Redaktion hat mit zwei der Referenten, Dr. Bernhard Mayr-Schmölzer von der Plansee SE und Prof. Dr.-Ing. Christian Seidel von der Hochschule München sowie Wohlers Associates, über ihren Blick auf den Markt und die aktuellen Entwicklungen gesprochen.

Prof. Dr.-Ing. Christian Seidel ist Leiter des Smart Manufacturing Lab und Professor für Fertigungstechnik und additive Fertigungsverfahren an der Fakultät für angewandte Naturwissenschaften und Mechatronik der Hochschule München sowie Strategic Implementation Consultant bei Wohlers Associates. Er war viele Jahre in den Normungsausschüssen von ISO und ASTM maßgeblich an der Definition der einschlägigen Normen für die Additive Fertigung beteiligt und zählt international zu den führenden Köpfen der Additiven Fertigung.

Prof. Dr.-Ing. Christian Seidel ist Leiter des Smart Manufacturing Lab und Professor für Fertigungstechnik und additive Fertigungsverfahren an der Fakultät für angewandte Naturwissenschaften und Mechatronik der Hochschule München sowie Strategic Implementation Consultant bei Wohlers Associates. Er war viele Jahre in den Normungsausschüssen von ISO und ASTM maßgeblich an der Definition der einschlägigen Normen für die Additive Fertigung beteiligt und zählt international zu den führenden Köpfen der Additiven Fertigung.

Herr Dr. Mayr-Schmoelzer, als Anwender und Dienstleister im Bereich Additive Fertigung von Refraktärmetallen bedient Plansee ein besonderes Materialsegment. Wie stellt sich in Ihrem Umfeld die Nutzung der Additiven Fertigung dar?

Refraktärmetalle werden in Nischenanwendungen eingesetzt, bei denen es oft um ganz spezielle Materialeigenschaften geht. Unsere Kunden vertrauen dabei auf die bekannt hohe Qualität aus der klassischen Fertigung. Die Eigenschaften von 3D-gedruckten Bauteilen können sich davon je nach Druckverfahren unterscheiden, wodurch der 1:1-Ersatz von klassisch hergestellten Bauteilen meist nicht in Frage kommt. Gleichzeitig ergibt sich dadurch aber die Möglichkeit für ein komplettes Redesign, bei dem die Vorteile der Additiven Fertigung ausgespielt werden können. Bei einigen unserer internen Anwendungen sind solche Bauteile schon seit Jahren erfolgreich im Einsatz.

Dr. Bernhard Mayr-Schmölzer ist Head of Additive and Joining Technologies, Corporate - Research & Development bei der in Reutte in Tirol ansässigen Plansee SE. Das Unternehmen ist einer der führenden Anbieter von Refraktärmetallen wie Wolfram und Molybdän und nutzt Additive Fertigung sowohl in der internen Entwicklung als auch als Dienstleister in Kundenprojekten.

Dr. Bernhard Mayr-Schmölzer ist Head of Additive and Joining Technologies, Corporate - Research & Development bei der in Reutte in Tirol ansässigen Plansee SE. Das Unternehmen ist einer der führenden Anbieter von Refraktärmetallen wie Wolfram und Molybdän und nutzt Additive Fertigung sowohl in der internen Entwicklung als auch als Dienstleister in Kundenprojekten.

Wie sehen die konkreten Anforderungen der Industrie und der unterschiedlichen Branchen aus?

Die physikalischen und mechanisch-technologischen Eigenschaften von 3D-gedruckten Bauteilen weichen teilweise von den bekannten klassisch hergestellten Bauteilen ab. Deshalb müssen additiv gefertigte Bauteile bei unseren Kunden aufwendig neu qualifiziert werden. Der Aufwand dafür ist ähnlich wie bei der Einführung eines neuen Werkstoffes in der klassischen Fertigung. Damit sich das rechnet, muss der Business Case für das gedruckte Bauteil entsprechend attraktiv sein.

Additive Fertigung zum Anfassen! Auf dem 3D-Printing Forum können Teilnehmer in der begleitenden Ausstellung 3D-Druck-Ergebnisse live erleben.

Additive Fertigung zum Anfassen! Auf dem 3D-Printing Forum können Teilnehmer in der begleitenden Ausstellung 3D-Druck-Ergebnisse live erleben.

Erkennen diese Industrien die Möglichkeiten der AF und werden diese in die Produktentwicklung schon mit einbezogen?

Die Annahme der Additiven Fertigung in klassischen Industrien verläuft schleppend. Die jahrzehntelange Erfahrung im Design von subtraktiv hergestellten Bauteilen ist wie eine träge Masse, deren Bewegungsrichtung nur mit hohem Kraftaufwand zu ändern ist. Bei jungen Unternehmen spürt man jedoch, dass hier die Bereitschaft für komplett neue Designs, welche die Vorteile der Additiven Fertigung ausspielen, höher ist.

Vom konventionell gefertigten zum AM-Teil. Manchmal braucht es mehrere Entwicklungsstufen bis zur optimalen Geometrie.

Vom konventionell gefertigten zum AM-Teil. Manchmal braucht es mehrere Entwicklungsstufen bis zur optimalen Geometrie.

Bringt aus Ihrer Sicht die AF signifikante Verbesserungsmöglichkeiten mit sich? In welchen Bereichen besonders?

Für Refraktärmetalle sind vor allem drei der bekannten Vorteile für AM herauszustreichen: a) Größere Designfreiheit, z.B. für innenliegende Kanäle b) Druck von near-net-shape Vorformen mit folgender klassischer Endbearbeitung c) Integration von mehreren Funktionen in ein Bauteil, Reduktion der Einzelteile

Beim 3D-Printing Forum werden die Vorteile der Additiven Fertigung unter die Lupe genommen.

Beim 3D-Printing Forum werden die Vorteile der Additiven Fertigung unter die Lupe genommen.

Welchen Stellenwert wird die AF in den kommenden Jahren in der Industrie einnehmen und mit welchen Herausforderungen werden wir zu kämpfen haben?

Die Additive Fertigung wird in den nächsten Jahren für spezielle Refraktärmetallanwendungen eingesetzt werden. Bezogen auf den Gesamtmarkt wird sie die klassische Fertigung ergänzen, diese aber sicher nicht ersetzen. Einige Spezialanwendungen werden erst durch die additive Fertigung ermöglicht werden. Ich glaube, dass es wichtig ist, sich auf die Vorteile der AF zu konzentrieren und diese speziellen Anwendungen zu bedienen. Die größte Herausforderung für den 3D-Druck im Bereich der Refraktärmetalle stellen die verfahrensbedingt von der klassischen Fertigung abweichenden Eigenschaften von Bauteilen dar. Der Vorteil eines Designs für die additive Fertigung muss aufgrund des einhergehenden aufwendigen Qualifizierungsprozesses entsprechend groß sein. Für den langfristigen Erfolg der additiven Fertigung im Bereich der Refraktärmetalle ist es daher erforderlich, die richtigen Anwendungsfälle zu finden und mit entsprechendem Material- und Prozesswissen zu kombinieren. Die Zusammenarbeit zwischen Kunde und Bauteillieferant muss enger sein als in der klassischen Fertigung.

Herr Prof. Seidel, als Professor für den Bereich Additive Fertigung an der Hochschule München stehen Sie in der Verantwortung, Studierende sowohl mit der Technologie als auch den Anwendungsgrundsätzen der Additiven Fertigung vertraut zu machen. Wo sehen Sie dabei die größten Schwierigkeiten?

Die Studierenden haben heute eine Unmenge an Möglichkeiten, sich zu vertiefen. Die Additive Fertigung hat eine gute Reife erreicht und setzt sich zunehmend in den Industrien durch. Allerdings ist der „Hype“ um AM vorbei bzw. stark rückläufig gewesen. Es gibt neue Hypethemen, die um Aufmerksamkeit und damit auch um Studierende werben. Aktuell und mit Bezug zu Ihrer Frage: Die größte Herausforderung scheint es zu sein, die Aufmerksamkeit der Talente zu bekommen. Hat man diese, begeistern die AM-Technologien durch ihre Vielfalt und Komplexität „automatisch“.

Wo sehen Sie die aktuellen Trends in der Additiven Fertigung?

Der Trend geht zu Anwendungen, die wirtschaftlich getrieben sind und einen messbaren Nutzen in Aussicht stellen (bspw. ROI). Das war in Hypezeiten teils anders. Diese Anwendungsfälle gibt es branchenübergreifend. Bei Wohlers Associates sprechen wir zunehmend intern gerne vom „Blue Ocean“ – damit meinen wir eine derzeit noch nicht erschlossene Gruppe zukünftiger AM-Anwender und -Anwenderinnen, die wirtschaftliche Anwendungsfälle für AM haben, es aber noch nicht wissen. Diese gibt es beispielsweise in der Chemieindustrie, Oil and Gas etc. Wir wollen durch unsere Beratung hier unterstützen, Potenziale zu erkennen und zu erschließen.

Hat die AF in der Industrie genug Aufmerksamkeit?

Es könnte immer mehr sein, aber ich denke, es ist okay.

Erkennt die Industrie die Möglichkeiten der Additiven Fertigung und werden diese in die Produktentwicklung schon mit einbezogen?

Hier klafft eine große Lücke! Von Unternehmen im „Blue Ocean“, die ein hohes Potenzial haben, aber weder erkennen noch erschließen, bis hin zu, wie wir sagen, „AM-Champions“, die die Möglichkeiten inzwischen nahezu perfekt berücksichtigen.

Was sind die konkreten Anforderungen, die von der Industrie an die Forschung und Lehre (akad.) herangetragen werden?

Das variiert von grundlegenden Schulungsbedarfen und der Unterstützung beim Bauteilredesign unter Nutzung von Simulationswerkzeugen bis hin zu sehr spezifischen Forschungsarbeiten, um spannende Applikationen „zum Laufen zu bringen“ durch neue Materialien, optimierte Prozesse und Prozessketten, sensorintegrierte smarte Bauteile etc.

Und welchen Stellenwert wird die Additive Fertigung aus Ihrer Sicht in den kommenden Jahren sowohl seitens F&L als auch der Industrie einnehmen?

Ich sehe weiterhin ein stetiges, branchenübergreifendes Wachstum als sehr wahrscheinlich an. Im Ergebnis wird sich die Branche mittel- bis langfristig (ca. 15 Jahre) im weltweiten Umsatz verzehnfachen – davon geht zumindest unser aktuelles Wohlers-Associates-Marktmodell aus. Bis zur Veranstaltung im April liegen uns dann die neuen Marktzahlen vor, sodass wir eine aktualisierte Einschätzung werden abgeben können.

Filtern

Suchbegriff

Unterkategorie

Firmen

Inhaltstyp

Firmentyp

Land