Mit dem Arburg freeformer die Zukunft von Materialkombinationen erforschen
Das Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden e. V. (IPF) in Deutschland setzte im Rahmen des Forschungsprojekts „MultiMat3– Multi-Material Additive Manufacturing“ einen freeformer 300-3X ein, um neue Polymerwerkstoffe für das Kunststoff-Freiformen zu qualifizieren und innovative Multi-Material-Verbunde zu entwickeln.
Ein wichtiges Ziel am IPF ist die schnellere Qualifizierung und Prozessfähigkeit neuer Polymerwerkstoffe: Johannes Knöchel, Arburg-Gruppenleiter Entwicklung Anwendung, Dr.-Ing. Ines Kühnert, Stellvertretende Institutsleiterin Institut Polymerwerkstoffe und Abteilungsleiterin Verarbeitungstechnik und Erik Schöne, wissenschaftlicher Mitarbeiter am IPF (v.l.n.r.).
Mit dem freeformer werden am IPF zwar überwiegend Probekörper (z. B. Zugstäbe, Zwei-Komponenten-Schältestkörper) für die Materialprüfung und Verfahrensqualifikation gefertigt, jedoch werden ebenso industrienahe Demonstratoren und insbesondere Multi-Material-Verbunde hergestellt. Zur Materialpalette gehören kommerziell verfügbare Materialien, aber auch solche aus der Eigenentwicklung. Der Schwerpunkt liegt derzeit bei den amorphen und teilkristallinen Thermoplasten sowie Thermoplastischen Elastomeren (TPE). Aktuell wird das Portfolio auf gefüllte funktionelle Materialien erweitert, um neue Anwendungsfelder, beispielsweise in der Medizintechnik, zu erschließen.
Ein weiterer Fokus wurde im Projekt auf die Verbesserung des Verständnisses der Prozess-Gefüge-Eigenschaftsbeziehungen gelegt. Dafür wurde die Morphologie von gedruckten Bauteilen mit verschiedenen Druckparametern zusammengeführt und die Auswirkung auf die mechanischen Eigenschaften untersucht. Ein starker Zusammenhang wurde dabei zwischen Einflussfaktoren (Slicing Parameter), wie zum Beispiel der Abkühlzeit zwischen aufeinanderfolgenden Schichten oder der Druckreihenfolge bei der Verwendung mehrerer Materialien aufgedeckt.
Probekörper und Demonstratoren entstehen auf einem freeformer 300-3X.
Breites Materialspektrum
„Ein klarer Vorteil des freeformers ist für uns die Verwendung von Granulat und die dadurch entstehende breite Materialauswahl. Vor allem im Hinblick auf hohe Verbundfestigkeiten zwischen zwei Kunststoffen spielt außerdem die aktive Bauraumbeheizung eine große Rolle. Ein weiterer Pluspunkt: Der freeformer kann TPEs mit niedriger Shorehärte verarbeiten, dadurch haben wir die Möglichkeit, an bereits langjährig bestehende Forschungsschwerpunkte zu Hart-Weich-Verbunden aus dem Spritzgießen anzuknüpfen. Zu guter Letzt sind die Bereitstellung eines Fertigungsprotokolls und die Integration in unser digitales System zur Datenerfassung und -analyse zusätzliche entscheidende Vorteile für Nachvollziehbarkeit und Qualitätskontrolle“, erklärt Frau Dr.-Ing. Ines Kühnert, Stellvertretende Institutsleiterin Institut Polymerwerkstoffe und Abteilungsleiterin Verarbeitungstechnik am IPF.
Mechanische Prüfung von additiv gefertigten Multi-Material-Verbunden.
Materialqualifikation und Multi-Material-Kombinationen
Die Verarbeitbarkeit sowie das Haftverhalten/Adhäsion einer Vielzahl von Materialkombinationen, hauptsächlich Hart-Weich-Verbindungen, wurde im Projekt systematisch untersucht. Ein, an die VDI 2019-Richtlinie angelehnter und druckbarer Schältestprüfkörper wurde speziell für die Verwendung in der Additiven Fertigung entwickelt, um die Haftfestigkeit zwischen zwei Materialien im Schälversuch zu ermitteln. Zusätzlich wurden Zweikomponenten(2K)-Zugstäbe gedruckt und getestet, so dass neben den horizontalen (Schältest) auch vertikale Kontaktflächen unter der Verwendung verschiedener Grenzflächengeometrien bewertet werden konnten. Die Schältestergebnisse für kompatible Kunststoffkombinationen machen deutlich, dass sich mit der extrusionsbasierten Additiven Fertigung gute Verbundfestigkeiten erzielen lassen. Im freeformer gefertigte Schälprüfkörper zeigten im Vergleich zum Spritzgießen ebenfalls hohe Schälkräfte, was auf die aktive Bauraumheizung und den damit verbundenen günstigen Randbedingungen für die Ausbildung von Grenzflächenbindungsmechanismen zusammenhängt.
Das erarbeitete Wissen aus Materialqualifizierung und Materialkombinationen wurde für die Entwicklung eines Demonstrators in Form eines Gehäuses entschieden, bei welchem eine weiche TPE-Dichtung integriert wurde. Hauptanforderungen waren Wasserdichtigkeit des Gehäusematerials, eine gute Haftung des Dichtungsmaterials (TPE) zum Gehäuse, sowie die Wasserdichtigkeit der Dichtung. Der Demonstrator wurde sowohl im Arburg-Kunststoff-Freiformen als auch Fused Filament Fabrication (FFF) unter Verwendung verschiedener Materialkombinationen gefertigt und eine Wasserdichtigkeit für eine definierte Dauer erfolgreich umgesetzt.
Mechanische Prüfung von additiv gefertigten Multi-Material-Verbunden (Abbildung zeigt Beispiel für Schältestkurve).
Ziele für die Zukunft
Ein weiteres Ziel der Untersuchungen am IPF ist die Erforschung und Verwendung von Nanokompositen in der Additiven Fertigung. Dabei wird die gesamte Wertschöpfungskette abgebildet – von der Synthese über die Compoundierung und die Filament- oder Granulatherstellung bis zur Additiven Fertigung. Wir gehen davon aus, dass den funktionalisierten Materialkombinationen die Zukunft gehört. Dafür wollen wir das Multi-Material-Design konsequent nachhaltig und ressourcenschonend gestalten. Ein weiteres wichtiges Ziel ist die schnellere Qualifizierung und Prozessfähigkeit neuer Polymerwerkstoffe. Dies stärkt die Additive Fertigung als Zukunftstechnologie für individualisierte Anwendungen mit speziellen Funktionen, beispielsweise in der Medizin- oder der Automatisierungstechnik.
Netzwerkarbeit
Das Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden arbeitet schon seit einigen Jahren mit internationalen Industrie- und Forschungspartnern auf dem Gebiet der Additiven Fertigung zusammen, wobei Multi-Material-Kombinationen und Medizintechnik im Fokus stehen. Die Fördermittelgeber waren neben dem EU-M-ERA.NET-Programm noch das Sächsische Staatsministerium Wissenschaft, Kultur und Tourismus (SMWK), Projektträger Sächsische Aufbaubank, SAB, und das Department Science & Innovation (DSI), Republic of South Africa. Die Projektpartner waren die University of Pretoria und Greenfield Innovation Pty (Ltd.), Südafrika, sowie die deutschen Unternehmen Arburg, Allod und Microfol, denen das IPF für die sehr gute Zusammenarbeit im Projekt dankt.
Teilen: · · Zur Merkliste